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"Sarband - Danse gothique" - Music by Satie & Machaut

Herzlich willkommen zur Präsentation neuer CDs mit Alter Musik. Die eine der beiden Neuerscheinungen lässt sich freilich nicht so einfach klassifizieren. Sie ist bei JARO Medien erschienen, trägt den Titel "Danse Gothique" und stellt eine neuerliche Tat des Dr. Vladimir Ivanoff dar, der sich ja zwischen den Zeiten bewegt wie der Hecht im Karpfenteich. Mit seinem inzwischen schon legendären Ensemble 'Sarband' hat er Musik von Erik Satie mit Vokalwerken von Guillaume de Machaut gemixt. Das ganze Projekt nennt sich "Orient imaginaire" und ist derzeit auch auf Tour. Wie gotisch aber ist Erik Satie? Ivanoff hat sich unter anderem etlicher weniger bekannter Werke angenommen, die im Umkreis von Saties rätselhafter Verbindung zum Orden der Rosenkreuzer entstanden, und wo die Rosenkreuzer ihren mystischen Gedanken nachhängen, da ist die versunkene Welt der Templer nicht fern. Das Foucault'sche Pendel schlägt also weit aus, und wenn Saties Hymne auf den sogenannten Prinzen von Byzanz, den damaligen Rosenpanzerkreuzer Sâr Péladan erklingt und dazu ein altes Instrumentarium aus Ivanoffs imaginärem orientalischem Mittelalter, dann wird uns gotisch ums Herz. * Musikbeispiel: Erik Satie - Hymne pour le "Salut Drapeau" du "Prince de Byzance" du Sâr Péladan "Uns ist in alten maeren wunders vil geseit, von lautten lobebaeren und maniger arebeit." Da sind sie nun wieder alle versammelt, die Favorit-Instrumente des Ensembles Sarband: die arabische Ud, also die Laute, Schalmei, Zink, türkische Fiedel, gotische Harfe und allerlei Schlagwerk. Das Ensemble selbst ist europäisch-orientalisch zusammengesetzt, und tatsächlich hat man wieder einmal den Eindruck, Vladimir Ivanoff stoße mit seinen mediävistischen Projekten Tür um Tür zur Zukunft auf. Einmal mehr freilich weht ein sanfter Hauch von Mystik durch seine Arbeit. Die ganze CD atmet gelassene Heiterkeit, und ein Mensch, der eher in der italienischen Manier auf "allegro" gestimmt ist, was ja auch nichts anderes bedeutet als "heiter", der kommt so leicht nicht auf seine Kosten. Man schreitet gemessen wie der Wagnersche Parsifal, und richtig wird auch hier zum Raum die Zeit. Anhand dieser CD kann man immerhin lernen, genau zuzuhören. Intervallspannungen erhalten eine ganz andere Bedeutung als im dichten Pack der späteren europäischen Musik - zumal der Musik der Spätromantik -, und unversehens macht man wieder einmal die Erfahrung, dass diese Art des radikalen Umgangs mit der Bedeutung von Tonhöhen dem modernen musikalischen Denken doch sehr viel näher ist. Dass Satie, verfremdet durch den Gebrauch mittelalterlicher und orientalischer Instrumente, plötzlich dem trecento und Guillaume de Machaut näher rückt, kommt den Intentionen dieses eigentümlichen Musikers nur entgegen. Das Klavier, für das er vorwiegend schrieb, war eben doch bei weitem nicht archaisch genug für seine Klangvorstellungen, und es bleibt eigentlich nur noch abzuwarten, wann Vladimir Ivanoff die Musik eines Gurdjeff für germanische Luren instrumentiert. Dass Guillaume de Machaut ein Moderner ist, hat die musikalische Moderne des 20. Jahrhunderts längst entdeckt. Aber so radikal ist er wohl selten aufgeführt worden wie hier vom Ensemble Sarband. Die Melismen haben einen Touch von maqam, was natürlich auch an der Solosängerin Fadia El-Hage liegt, und im Vordergrund steht trotz aller Klangsinnlichkeit die Rhetorik, die Prosodie, und damit ein Moment von innerer Erregung. Da ist ein ideale Balance erreicht. Nur ungeduldig darf man nicht sein als Hörer. Aber darüber sprachen wir ja schon. Zwei Werke von Guillaume de Machaut, hier aus dem sorgfältig inszenierten dramaturgischen Zusammenhang gerissen: "Je vivroie liement" und "He, Mors". * Musikbeispiel: Guillaume de Machaut - "Je vivroie liement" und "He, Mors...." Soweit die neue CD des Ensembles Sarband: "Danse gothique" mit Werken von Guillaume de Machaut und Erik Satie.

Norbert Ely |