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Sardine statt Hering

Die Fangquoten für die Speisefische aus dem Nordostatlantik, der Nordsee und der Ostsee müssen neu festgelegt werden. Wissenschaftler empfehlen, Kabeljau, der als Ostseefisch Dorsch heißt, überhaupt nicht mehr zu fangen. Zurückhaltung ist auch beim Hering geboten. Inzwischen kommen in der Nordsee allerdings auch Arten vor, die man bisher nur aus wärmeren Meeren kannte.

Von Lutz Reidt | 17.12.2007
    Der Klimawandel hat die südliche Nordsee längst erfasst. Davon ist Arne Malzahn vom Alfred-Wegener-Institut überzeugt. Der Fischereibiologe hat mit dem kleinen Forschungskutter "Aade" den Helgoländer Hafen verlassen und ankert nun zwischen der roten Felseninsel und der benachbarten Düne. Der Biologe will wissen, welche Wärme liebenden Fischarten in die südliche Nordsee einwandern. Sein neuester Fund: Die schmucke, gelb-rot gemusterte Streifenbarbe, die zu den begehrtesten Speisefischen der mediterranen Küche zählt:

    "Wir beobachten zumindest laichreife Tiere hier im Sommer, bei uns im Bereich. Das heißt also, dass sie offensichtlich nicht nur in die Nordsee einwandern, um hier zu fressen, sondern auch, um sich hier zu reproduzieren. Und wir haben auch Jungtiere gefunden, so in der Länge von zwei, drei Zentimetern, und da ist die Wahrscheinlichkeit, dass die ihren Ursprung hier haben, auch relativ hoch."

    Die Nordsee wird wärmer, die Forscher erwarten einen tiefgreifenden Wandel des gesamten Ökosystems Nordsee. Längst sind Kabeljau und Seelachs aus der südlichen Nordsee in den kühleren Norden abgewandert. Auch die Heringe machen sich rar. Dafür wandern Sardinen und Sardellen ein, sagt der Rostocker Fischereibiologe Christopher Zimmermann von der Bundesforschungsanstalt für Fischerei:

    "Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass wir einen Fleck südlich Helgolands haben, wo wir regelmäßig große Sardellen finden, die sogar laichreif sind, sich da also offensichtlich vermehren. Also, es ist zu erwarten, dass eher südliche Arten - und zu denen zählen Sardinen und Sardellen eindeutig - ihre Verbreitungsgrenze weiter nach Norden verschieben; und die eher Kälte liebenden Arten, zu denen auch der Hering gehört, die südliche Verbreitungsgrenze auch nach Norden verschieben. Das wäre absolut zu erwarten."

    Das veränderte Artenspektrum in der Nordsee dürfte bald auch die Fischerei-Politiker der Europäischen Union beschäftigen, die in dieser Woche die Fangquoten der kommerziell wichtigen Speisefische für 2008 aushandeln.
    Gegenwärtig gibt es in der Nordsee noch keine Fangquoten für Streifenbarben, Sardinen und Sardellen. Deshalb glaubt der Cuxhavener Kutterfischer Kai-Arne Schmidt auch nicht, dass die deutsche Fischerei vom Klimawandel profitieren wird:

    "Das kann für uns keine Zukunft sein, denn auf diese Arten haben wir keine Quoten. Denn, die EU hat ja nicht damit gerechnet vor 20 Jahren, dass wir hier ja mal Sardinen und dergleichen fangen, die eigentlich beheimatet sind im Mittelmeer; eigentlich haben dort nur Fangmöglichkeiten die Franzosen, Italiener, Spanier - nicht wir Deutschen. Und ich glaube, dass sich das politisch garantiert nicht ändern wird! Da wird der Franzose und der Spanier ganz schön aufpassen, dass wir da auch nicht ein Kilo Quote bekommen. Das ist jedenfalls meine Erfahrung aus den letzten 25 Jahren Fischereipolitik. Also, das würde mich doch sehr wundern, wenn das passieren würde. Da hätten wir eher die französische Flotte vor der Haustür."

    Weitaus gelassener sieht Christopher Zimmermann die Lage. Alles Verhandlungssache, sagt der Biologe. Und solange keine Quoten vereinbart sind, gäbe es für niemanden ein Vorrecht:

    "Wenn die Fischerei sehr klein ist oder fischereipolitisch nicht interessant erscheint, dann wird die Europäische Union dafür keine Quoten vergeben und dann handelt es sich um eine freie Fischerei. Das heißt, jeder - inklusive die Spanier zum Beispiel, die keine Fischereirechte sonst in der Nordsee haben auf quotierte Arten - könnten diesen Arten nachstellen. Das ist theoretisch denkbar. Wobei natürlich die deutsche Fischerei das gleiche Recht hätte, an dieser neuen Fischerei zu partizipieren wie die südlichen europäischen Mitgliedsländer. Da gäbe es also keinen Vorrang für die Spanier und die Franzosen, nur weil sie immer schon südliche Fischarten gefischt hätten. Es gibt nur eben auch keinen Vorrang für die Dänen und Schotten und Deutschen, nur weil sie zufällig an diesem Gebiet wohnen."

    Zu den Wärme liebenden Arten, die Arne Malzahn bei seinen Forschungsfahrten in der Nordsee immer häufiger findet, zählt neben der Meeräsche auch ein "Highlight" der anspruchsvollen französischen Küche: Der "Loup de Mer", der Wolfsbarsch:

    "Der Wolfsbarsch ist auch ein sehr hochwertiger Speisefisch und den Wolfsbarsch finden wir an der deutschen Küste auch gehäuft; also, in der Zwischenzeit gibt es eine vitale Angelfischerei zumindest schon mal auf den Wolfsbarsch, eine kommerzielle Fischerei findet nicht statt, aber auch das ist eine Sache, die sich wahrscheinlich entwickeln wird."