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Sarkozy und die Medien

Kritiker sprechen schon von einem "Berlusconi-System à la française" und der "Softversion eines russischen Putin". Der Grund: Nicolas Sarkozy greift im Streben nach absoluter Macht in den Medienbereich ein. Der französische Präsident steht für ein vollkommen neues Kräfteverhältnis zwischen den in Frankreich traditionell auch oftmals privat liierten Journalisten und Politikern.

Von Siegfried Forster |
    "Ich schlage vor, dass wir im Jahr 2008 eine wahrhafte Kultur-Revolution im öffentlichen Fernsehen verwirklichen. Das öffentliche Fernsehen existiert, weil es eine besondere Aufgabe hat. (...) Deshalb wünsche ich, dass ein totales Werbeverbot für die öffentlichen Sender eingeführt wird."

    In erster Linie profitiert von Sarkozys revolutionärer Entscheidung vor allem sein enger Freund und Trauzeuge, Martin Bouygues, Eigentümer des größten französischen Privatsenders "TF1". Der Aktienkurs von "TF1" schnellte nach der Ankündigung um zehn Prozent nach oben. Für Laurent Joffrin, Chef der linksliberalen Zeitung "Libération", ist Sarkozys Entscheidung Teil einer Strategie, um die politische Linke mit Hilfe einstmals linker Ideen auszuschalten:

    "Ja, das Werbeverbot stand in mehreren Programmen der Linken. Insofern kann sich die Linke nicht dagegen stellen. Aber diese Maßnahme hat auch eine andere Funktion: Damit entzieht Sarkozy dem öffentlichen Fernsehen viele Geldquellen. Das öffentliche Fernsehen wird erheblich abhängiger sein von der Regierung als vorher. Und das Hauptziel ist es, dem Privatsender 'TF1' zu helfen. Das ist eine Rakete mit mehreren Sprengköpfen."

    Mit anderen Worten: Sarkozys neueste Waffe im Streben nach absoluter Macht - diesmal im Medienbereich. Für Denis Muzet vom Médiascopie-Institut verkörpert Sarkozy ein vollkommen neues Kräfteverhältnis zwischen den in Frankreich traditionell auch oftmals privat liierten Journalisten und Politikern:

    "In Frankreich hat man heute das Gefühl, dass die Nachrichtensendungen im Elysée-Palast konzipiert und produziert werden. Vor zwanzig Jahren haben bestimmte Journalisten ihren Beruf aufgegeben, um Politiker zu werden - heute ist es umgekehrt. Im Grunde ist das auch das, was Nicolas Sarkozy als Präsident macht: Man sieht ihn sehr oft im Fernsehen, er produziert Shows mit hohen Einschaltquoten, und ich denke, die gemeinsamen Interessen liegen auch darin."

    Für den früheren sozialistischen Premierminister Laurent Fabius hat Sarkozy Frankreich längst einem Berlusconi-System à la française unterworfen, nur dass in Frankreich nicht der Staatschef persönlich Eigentümer der Medien ist, sondern dessen Freunde. Laurent Joffrin von der linksliberalen "Libération" sieht in Sarkozy eine "Softversion eines russischen Putin" in einer französischen "Wahl-Monarchie":

    "Wir haben immerhin den Zusatz 'Soft' vermerkt. Frankreich ist natürlich eine Demokratie, aber in keinem Land hat der Präsident oder der jeweilige Regierungschef eine solche Machtfülle. Und die Presse steht auch noch unter Einfluss. Das ergibt wirklich eine Machtkonzentration, die man metaphorisch mit den Vorgängen in Russland vergleichen kann - natürlich glücklicherweise von den Mordanschlägen abgesehen. Und wir befinden uns hier in Frankreich immer noch in einem System mit öffentlicher Freiheit. Aber die Regierung ist in den Händen eines einzelnen."

    Im Dezember hat zudem noch Sarkozy-Freund Bernard Arnault, Multimilliardär und Chef des weltweit größten Luxuskonzerns "LVMH", Frankreichs führendes Wirtschaftsblatt "Les Echos" aufgekauft - trotz monatelangen Widerstands der Redaktion, die um ihre Unabhängigkeit fürchtet. Aber Sarkozys Medien-Machtergreifung könnte durchaus noch größere Formen annehmen, warnt Libération-Chef Laurent Joffrin:

    "Jetzt gibt es eine Schlacht um die französische Weltzeitung Le Monde. Wenn die 'Le-Monde'-Redaktion ihren Kampf verliert, dann dürfte der Sarkozy-Freund Lagardère einer der Hauptaktionäre von 'Le Monde' werden. Und dies, obwohl 'Le Monde' als das Symbol für eine unabhängige Zeitung in Frankreich gilt. Die Dinge werden also zweifellos nicht besser."

    Das Werbeverbot im staatlichen Fernsehen könnte den Sarkozy-Freunden ein weiteres Geschenk bereiten. Beobachter gehen davon aus, dass einer der fünf staatlichen Sender langfristig privatisiert wird.

    Nicht nur Lagardère, der sich seit langem einen Fernsehsender wünscht, steht Gewehr bei Fuß. Last but not least auch Sarkozys schwerreicher Busenfreund Bolloré, der Sarkozy "aus Freundschaft" seine Luxus-Reisen in sechsstelliger Höhe finanzierte. Bisher schreibt Bolloré mit seinem 2005 aus dem Boden gestampften Privatsender "Direct 8" 100 Millionen Euro Verluste. Wie die Erfahrung von "TF1" zeigt, würde das mit einem privatisierten staatlichen Sender nicht passieren.