Die Schichten unverbundener Geschichte, sie lagern in diesem Raum. Links eine verstaubte Jugendstiltür, an der Rückwand ein Notausgang und eine Eisentür in einem vorgemauerten Anbau. Abgerissene Farbschichten platzen von den Wänden, Rohre enden im Nirgendwo.
Auf dieser von Thomas Schenk entworfenen Bühne soll es also nun um die Katastrophen unserer Zeit gehen. Langsam bahnen sie sich an: Jonathan Bepler hat eine Geräuschkulisse geschaffen, die sich von trampelnden Schritten zu vorbeidonnernden Maschinen steigert. Und jäh abreißt, wenn die sechzehn Tänzer ganz still im Pulk zusammenstehen und ins Leere starren. Sie schwanken leicht, unisono, schwenken allmählich die Köpfe, ein Kreisen entsteht, das bis in die Arme wächst, bis sie aneinanderprallen - und wie von unsichtbarer Kraft weggeschleudert werden. Wie vom Erdbeben erschüttert schlittern die Körper nun haltlos über die Bühne, einige Tänzer geben dabei eine grandiose Studie passiver Bewegung zum Besten. Einer stolpert und fällt in Bewusstlosigkeit, wird schließlich weggetragen von einem Kollegen in Schutzanzug. Frauen schreien hysterisch - irgend etwas auf Spanisch -, eine wird immer wieder schluchzen und jammern, und dann wird es peinlich.
Denn da beginnt dann schon das Dilemma dieses zweieinhalbstündigen Abends: Sasha Waltz hat sich viel vorgenommen, viel zu viel. Sie wolle "die Not spürbarer machen", hatte die Choreografin im Vorfeld verkündet, angesichts der Tsunamis, Erdbeben, Terroranschläge und Kriege solle "die Not nicht so abstrakt bleiben, wie wir das in den Medien erleben." So weit ihr Anspruch. Doch im Vergleich zu anderen Choreografen, die sich schon länger mit diesen Themen beschäftigen - Meg Stuart beispielsweise oder William Forsythe - wirkt der Versuch von Sasha Waltz harmlos und unentschieden. Da wird keine Haltung spürbar, die verschiedene Phänomene miteinander in Beziehung bringt. Stattdessen erscheint da: Ein Haufen von Ideen und manchmal schönen Bildern - etwa wenn einer die Wand senkrecht hochklettert und den Hahn aufdreht, während andere die Leitung diagonal durch die ganze Bühne verlängern und sich Wasser stehlen, das in einen schäbigen Kessel fließt. Überhaupt: ackern die Tänzer in akrobatischen Nummern, hangeln sich hoch oben an Rohren lang, springen vom Erker, balancieren über dünne Bretter. Und manchmal gelingt es Sasha Waltz immer noch, innovatives Material in den Duetten zu entwickeln - etwa wenn einer wie bewusstlos mit einer Partnerin tanzt, sich dabei aber doch aktiv bewegt, aber ohne, dass man es merkt. Das sind schon Bewegungsstudien, die künstlerisch ernst zu nehmen sind. Als Ganzes aber wirkt dieser Abend zusammengeklebt und unentschieden.
Zurück also zu der hysterischen Frau: Da schluchzt sie um den - den Schutzanzügen nach zu Urteilen wahrscheinlich durch giftige Chemikalien umgekommenen - Mann. Schluchzt immer wieder, halb hingegeben, halb übertrieben, halb zurückgenommen. Ja, was denn nun? Weder sind ihre Schreie gekonnt naturalistisch geschauspielert, sodass sie uns zumindest unter die Haut gehen. Noch sind sie so abstrahiert, dass wir als Zuschauer genügend Abstand hätten, um selbst leiden zu können. Sasha Waltz hat sich nicht entschieden, und lässt ihre Zuschauer im Dazwischen hängen. So kann kein Mitgefühl entstehen.
Und so wirkt der Abend wie ein müder Abklatsch all jener Versuche, die mit ähnlichen Materialien im Tanz schon unternommen wurden. Da wird gezeigt, wie menschlich Menschen auch in der Not miteinander sein können, und dann wird - wie bei Pina Bausch - kollektiv im Blechtopf gekocht, verteilt und gelacht. Da wird gezeigt, wie grausam Menschen sein können, und dann schüttelt ein Mann eine jammernde Trauernde und schreit sie an, sie solle endlich ruhig sein. Da wird gezeigt, dass sich Menschen, die sich fürchten, entziehen, und dann steht eine unbeteiligt in der Ecke und schlottert vor Angst. So viel zu den - flachen - Charakterstudien dieses Stückes.
Im zweiten Teil des Abends kommt kurz Licht ins Dunkel. In tiefem Einfallswinkel dringt es durch die jetzt weit geöffneten Türen. Ein Paar schreitet in tiefem plié in Zeitlupe ganz eng hintereinander, Fuß an Fuß. Ganz zart, ganz zusammen. Dies sind die bezaubernden, offenen Bilder, für die Sasha Waltz einst so berühmt wurde. Mit dem neuen Stück "Gezeiten" hat sie sich weit davon entfernt. Da hilft es auch nicht, dass der Cellist James Bush am Bühnenrand sitzt und immer mal wieder eine Suite von Johann Sebastian Bach zum Besten gibt: Der Haufen an Bildern und Symbolen will sich einfach nicht fügen. Und wenn am Ende in einer surrealen Post-Katastrophenzeit die Tänzer den Holzboden komplett herausreißen und zu Trümmerhaufen stapeln, auf die sie immer wieder eindreschen, dann sind wir längst zu müde, um wenigstens den atmosphärischen Teil dieser Arbeit zu würdigen.
Auf dieser von Thomas Schenk entworfenen Bühne soll es also nun um die Katastrophen unserer Zeit gehen. Langsam bahnen sie sich an: Jonathan Bepler hat eine Geräuschkulisse geschaffen, die sich von trampelnden Schritten zu vorbeidonnernden Maschinen steigert. Und jäh abreißt, wenn die sechzehn Tänzer ganz still im Pulk zusammenstehen und ins Leere starren. Sie schwanken leicht, unisono, schwenken allmählich die Köpfe, ein Kreisen entsteht, das bis in die Arme wächst, bis sie aneinanderprallen - und wie von unsichtbarer Kraft weggeschleudert werden. Wie vom Erdbeben erschüttert schlittern die Körper nun haltlos über die Bühne, einige Tänzer geben dabei eine grandiose Studie passiver Bewegung zum Besten. Einer stolpert und fällt in Bewusstlosigkeit, wird schließlich weggetragen von einem Kollegen in Schutzanzug. Frauen schreien hysterisch - irgend etwas auf Spanisch -, eine wird immer wieder schluchzen und jammern, und dann wird es peinlich.
Denn da beginnt dann schon das Dilemma dieses zweieinhalbstündigen Abends: Sasha Waltz hat sich viel vorgenommen, viel zu viel. Sie wolle "die Not spürbarer machen", hatte die Choreografin im Vorfeld verkündet, angesichts der Tsunamis, Erdbeben, Terroranschläge und Kriege solle "die Not nicht so abstrakt bleiben, wie wir das in den Medien erleben." So weit ihr Anspruch. Doch im Vergleich zu anderen Choreografen, die sich schon länger mit diesen Themen beschäftigen - Meg Stuart beispielsweise oder William Forsythe - wirkt der Versuch von Sasha Waltz harmlos und unentschieden. Da wird keine Haltung spürbar, die verschiedene Phänomene miteinander in Beziehung bringt. Stattdessen erscheint da: Ein Haufen von Ideen und manchmal schönen Bildern - etwa wenn einer die Wand senkrecht hochklettert und den Hahn aufdreht, während andere die Leitung diagonal durch die ganze Bühne verlängern und sich Wasser stehlen, das in einen schäbigen Kessel fließt. Überhaupt: ackern die Tänzer in akrobatischen Nummern, hangeln sich hoch oben an Rohren lang, springen vom Erker, balancieren über dünne Bretter. Und manchmal gelingt es Sasha Waltz immer noch, innovatives Material in den Duetten zu entwickeln - etwa wenn einer wie bewusstlos mit einer Partnerin tanzt, sich dabei aber doch aktiv bewegt, aber ohne, dass man es merkt. Das sind schon Bewegungsstudien, die künstlerisch ernst zu nehmen sind. Als Ganzes aber wirkt dieser Abend zusammengeklebt und unentschieden.
Zurück also zu der hysterischen Frau: Da schluchzt sie um den - den Schutzanzügen nach zu Urteilen wahrscheinlich durch giftige Chemikalien umgekommenen - Mann. Schluchzt immer wieder, halb hingegeben, halb übertrieben, halb zurückgenommen. Ja, was denn nun? Weder sind ihre Schreie gekonnt naturalistisch geschauspielert, sodass sie uns zumindest unter die Haut gehen. Noch sind sie so abstrahiert, dass wir als Zuschauer genügend Abstand hätten, um selbst leiden zu können. Sasha Waltz hat sich nicht entschieden, und lässt ihre Zuschauer im Dazwischen hängen. So kann kein Mitgefühl entstehen.
Und so wirkt der Abend wie ein müder Abklatsch all jener Versuche, die mit ähnlichen Materialien im Tanz schon unternommen wurden. Da wird gezeigt, wie menschlich Menschen auch in der Not miteinander sein können, und dann wird - wie bei Pina Bausch - kollektiv im Blechtopf gekocht, verteilt und gelacht. Da wird gezeigt, wie grausam Menschen sein können, und dann schüttelt ein Mann eine jammernde Trauernde und schreit sie an, sie solle endlich ruhig sein. Da wird gezeigt, dass sich Menschen, die sich fürchten, entziehen, und dann steht eine unbeteiligt in der Ecke und schlottert vor Angst. So viel zu den - flachen - Charakterstudien dieses Stückes.
Im zweiten Teil des Abends kommt kurz Licht ins Dunkel. In tiefem Einfallswinkel dringt es durch die jetzt weit geöffneten Türen. Ein Paar schreitet in tiefem plié in Zeitlupe ganz eng hintereinander, Fuß an Fuß. Ganz zart, ganz zusammen. Dies sind die bezaubernden, offenen Bilder, für die Sasha Waltz einst so berühmt wurde. Mit dem neuen Stück "Gezeiten" hat sie sich weit davon entfernt. Da hilft es auch nicht, dass der Cellist James Bush am Bühnenrand sitzt und immer mal wieder eine Suite von Johann Sebastian Bach zum Besten gibt: Der Haufen an Bildern und Symbolen will sich einfach nicht fügen. Und wenn am Ende in einer surrealen Post-Katastrophenzeit die Tänzer den Holzboden komplett herausreißen und zu Trümmerhaufen stapeln, auf die sie immer wieder eindreschen, dann sind wir längst zu müde, um wenigstens den atmosphärischen Teil dieser Arbeit zu würdigen.