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Satelliten schwer auf Draht

Technologie.- Um die Erde kreisen etwa 800 funktionstüchtige Satelliten. Hinzu kommen Millionen Trümmer von Weltraummüll. Eine Firma in den USA hat jetzt eine Methode entwickelt, um ausgediente Satelliten aus dem Weg zu räumen.

Von Dirk Lorenzen |
    Mit Seilen kann man Satelliten im Weltraum bewegen, ohne dass man Treibstoff verbraucht. Robert Hoyt, Chef von Tethers Unlimited in Bothell vor den Touren Seattles im US-Bundesstaat Washington hat eine trickreiche Methode ersonnen, um die Bahnen von Satelliten zu verändern. Bei ihm sind die Raumfahrzeuge schwer auf Draht.

    "Wir können mit Seilen Satelliten bewegen, wenn die Seile einen elektrisch leitenden Draht enthalten. Satelliten laufen durch die Ionosphäre, die extrem dünnen äußeren Schichten unserer Atmosphäre, in denen die Teilchen elektrisch geladen sind. Hängt jetzt ein langes Seil aus dem Satelliten, so laufen in diesem Seil Ströme, die mit dem Magnetfeld der Erde wechselwirken. Dabei entstehen Kräfte, die wir nutzen können, um die Bahn eines Raumfahrzeugs gezielt anzuheben oder zu senken."
    An den Seilen zieht also niemand. Sie dienen allein dazu, dass elektromagnetische Kräfte sich entfalten. Denn Robert Hoyt nutzt für die Bewegung der Satelliten allein grundlegende physikalische Zusammenhänge. Auf diese Idee ist er gekommen, als er vor Jahren über den Planeten Jupiter und dessen Mond Io geforscht hat, bei denen ganz ähnliche elektromagnetische Kräfte auftauchen. Jetzt will er mit dieser eleganten und preiswerten Methode das Problem des Weltraummülls erheblich verringern.

    "Wir arbeiten am Terminator-Tape, einer Art Todesseil für Satelliten. Das ist eine kleine Box, die vor dem Start in den Satelliten eingebaut wird. Hat der nach einigen Jahren seine Mission beendet, schießt die Box aus dem Satelliten heraus und spannt so ein Seil über einige Hundert Meter. In diesem Seil laufen Ströme und ganz allmählich verändert sich dann die Bahn des Satelliten. Aus gut 1000 Kilometern Bahnhöhe könnte man einen Satelliten innerhalb einiger Monate oder Jahre zum Verglühen in der Atmosphäre bringen. Damit läge man deutlich innerhalb der 25 Jahre, in denen nach den neuen Müllvermeidungsrichtlinien alte Satelliten weggeräumt sein sollen."

    Für einen Kleinsatelliten mit 200 Kilogramm Startmasse bräuchte man eine Box, die etwa die Ausmaße eines dicken Taschenbuchs hat und anderthalb Kilogramm wiegt. In ihr wäre das Seil aufgewickelt, etwa mit Aluminium überzogene, extrem stabile Spezialfasern. Treibstoff vorrätig zu halten, um einen Satelliten nach Missionsende gezielt in die Atmosphäre zu lenken, wäre viel aufwendiger und teurer. So clever die Idee mit den Seilen auch sein mag: ihre Feuertaufe unter echten Bedingungen hat sie noch vor sich.

    "Es gab schon einige Tests von Seilen im Weltall, die gezeigt haben, dass die Physik grundsätzlich funktioniert. Wir haben jetzt einen Prototypen des Terminator-Tape entwickelt, den wir in diesen Tagen bei Parabelflügen testen. Wir wollen dabei sicherstellen, dass das Seil in der Schwerelosigkeit gut abwickelt. Wir hoffen, dass wir unsere Methode, die Bahnen von Satelliten zu verändern, in den kommenden Jahren bei einem kleinen Testsatelliten zeigen können."

    Robert Hoyt und sein Team müssen demonstrieren, dass das Seil nicht unkontrolliert herum schwingt, dass es nicht reißt und dass sich der Mechanismus auch nach Jahren an Bord noch auslösen lässt. Raumfahrtagenturen wie NASA und ESA, aber auch Betreiber von Kommunikationssatelliten sind schon auf die Weltraumseile aufmerksam geworden. Sollte diese Technologie ihre Einsatzreife unter Beweis stellen, starten womöglich bald viele Satelliten, die sich nach dem Ende ihrer Mission mit einem Seil selbst vom Himmel holen.