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Satire auf den Literaturbetrieb

In "Lila, Lila", dem von Regisseur Alain Gsponer frisch verfilmten Buch von Martin Suter, geht es nicht um die großen Menschheits- oder gar Endzeitfragen, sondern einfach um Hochstapelei im Literaturbetrieb.

Von Josef Schnelle |
    Wussten wir es nicht schon immer: Die aufgeblasenen Stars der Literaturtalkshows können gar nicht schreiben. Sie haben nur in einem alten Kommödchen mit klemmender Schublade ein dickes Manuskript gefunden, das dann an einen Verlag geschickt, der sofort den literarischen Wert erkannt und den unbedarften jungen neuen Schriftsteller zum Popstar der Lesereisen gemacht. Natürlich ist es in Alain Gsponers Verfilmung von Martin Suters munterer Hochstaplerkomödie ein reichlich unbedarfter Loser, der von allerlei Zufällen profitiert und nicht einmal vernünftig vorlesen kann. Daniel Brühl ist diese Komödienrolle auf den Leib geschrieben. Und eigentlich will seine Figur ja gar keinen Supererfolg mit dem gestohlenen Manuskript erreichen, sondern nur der Literaturstudentin Marie imponieren, die er heimlich verehrt. Denn er ist unscheinbar - fast nicht existent - ein Mann ohne Eigenschaften.

    Das ist das Rollenfach, das Daniel Brühl besonders gut ausfüllen kann und diesmal macht er seine Sache eigentlich besonders gut. Mit seinem Allerweltsgesicht als Erfolgsgarant mischt er die selbstverliebte Welt der Literaturexperten und Leseshows auf. Große und noch größere Theaterbühnen müssen angemietet werden, um seine Fans zu fassen und auch wenn er tatsächlich den wichtigsten deutschen Gegenwartsroman verfasst hätte, so wünscht man ihm doch, so dann und wann seinen Fans zu entkommen. Martin Suter, dessen Stoffen als besonders filmisch gelten, kann sich mittlerweile offenbar kaum mehr retten vor den Angeboten der Branche. In ein paar Wochen kommt seine Komödie vom Alter "Giulias Geheimnis" ins Kino. Jetzt aber erst einmal "Lila, Lila". Auch der Schweizer Regisseur Gsponer greift kräftig in die Tasten des Boulevardtheaters. Er wird dabei unterstützt vom zweiten Hauptdarsteller des Films Henry Hübchen, der in der Rolle des gescheiterten und alkoholabhängigen Genies Jacky dem Affen Zucker gibt. Eines Tages taucht er nämlich auf und reklamiert das Buch als seine Schöpfung. Er will eigentlich gar nichts Besonderes oder viel Geld, nur in der Nähe des Erfolgs und des Champagners möchte er gesichtet werden.

    Ohne übertreiben zu wollen, fühlt man sich in den besten Momenten des Films an die Komödien von Billy Wilder erinnert. Henry Hübchen spielt seine Rolle so, dass man ihm eigentlich gar nichts glaubt. Daniel Brühl ist so schön ratlos-naiv, dass man ihm auf der Stelle glaubt. Die leichte Sommerkomödie mitten im Winter, mit großer Eleganz serviert, nährt die Illusion, dass man sich ganz von selbst zu einem Fantasiecharakter aufschwingen könnte, der mit einer erfundenen Identität, durchkommen könnte. Schließlich werden die Hochstapler eher geliebt als die coolen Realisten. Das ist eine Kinoweisheit. Aber vielleicht auch eine des Lebens, die dieser kleine Film kurios und kenntnisreich zelebriert, als wäre Woody Allan wieder auf die Erde gestiegen. Natürlich ist der Literaturbetrieb viel lächerlicher und schlimmer, aber wer will das schon lieber sehen, als die Geschichte eines romantischen Hochstaplers, der mit ein paar Sätzen eine Liebesgeschichte erschwindelt.