Archiv

Saturnmond Enceladus
Gezeitenkräfte erzeugen Südpolarmeer

Planetologie. - Die US-Raumsonde Cassini umkreist seit zehn Jahren den Saturn und seine Monde. Auf dem winzigen Trabanten Enceladus hat Cassini bereits Fontänen entdeckt und jetzt Hinweise gefunden, dass sie von einem größeren Meer am Südpol gespeist werden könnten. Die Ergebnisse sind in "Science" nachzulesen.

Von Guido Meyer |
    Im Jahr 1997 begann die Mission der US-Raumsonde Cassini. Sieben Jahre später traf sie im Saturn-System ein. Heute, noch einmal zehn Jahre später, hat sie ihre ursprünglich geplante Missionsdauer längst überschritten - und ist trotzdem immer noch für Überraschungen gut.
    "Es gibt im Sonnensystem möglicherweise bewohnbare Welten an Stellen, wo wir sie bislang nicht vermutet haben. Saturns Mond Enceladus hat eine Oberflächentemperatur von rund -180 Grad Celsius. Aber unter dieser Eisschicht gibt es flüssiges Wasser. Es umhüllt den felsigen Kern des Mondes, ist also in Kontakt mit Gestein und Mineralien. Dabei können eine ganze Menge chemischer Reaktionen ablaufen – viel mehr als wenn das Wasser nur in Kontakt wäre mit Eis. Das wäre langweilig."
    Der Italiener Luciano Iess aus der Abteilung für Luft- und Raumfahrttechnik der Sapienza-Universität in Rom findet das alles andere als "langweilig", was die Sonde Cassini bei ihren zwei Flügen über den Südpol von Enceladus entdeckt hat. Aus vier Öffnungen am Südpol, den sogenannten Tigerstreifen, schießt Wasserdampf in den offenen Weltraum. In ihm enthalten sind Salze. Die Vermutung, dass diese Fontänen aus einem tiefergelegenen Reservoir aus flüssigem Wasser gespeist werden, bestärken die nunmehr analysierten Messungen Cassinis aus den Jahren 2010 bis 2012, wie Marzia Parisi erläutert, ebenfalls von der Sapienza-Universität in Rom.
    "Wenn eine Raumsonde nahe genug an einem Himmelskörper vorbeifliegt, können wir messen, wie dieser ihre Flugbahn beeinflusst. Dadurch können wir Rückschlüsse auf die Masseverteilung innerhalb dieses Himmelskörpers ziehen und damit unter anderem auf die Existenz flüssigen Wassers."
    Aus 1,3 Milliarden Kilometern Entfernung haben die Antennen des Deep Space Networks der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA eine Abweichung Cassinis von ihrer Flugbahn um 0,2 Millimeter nachgewiesen. Dieser sowieso schon verschwindend kleine Wert hätte aber eigentlich noch geringer ausfallen sollen. Der Südpol von Enceladus nämlich liegt einen Kilometer tiefer als die restliche Mond-Oberfläche. Deswegen sollte dort auch weniger Masse vorhanden sein, die die Flugbahn einer Raumsonde beeinflussen könnte – dachte auch Francis Nimmo von der Abteilung für Erd- und Planetenwissenschaften der Universität von Kalifornien in Santa Cruz.
    "Weil es auf der Oberfläche eine Art Loch gibt, muss eine Massekonzentration weiter unten einen Ausgleich schaffen, damit die nur minimale Flugbahn-Abweichung von Cassini erklärt werden kann. Am naheliegendsten wäre es, Eis durch Wasser zu ersetzen. Flüssiges Wasser ist um sieben Prozent dichter als Eis. Wir glauben daher, dass es einen See unterhalb der Eisschicht gibt."
    In 30 bis 40 Kilometer Tiefe unter dem Eis soll es einen See geben, der zwischen fünf und 20 Kilometer tief sein könnte. Er dürfte sich über die Hälfte der südlichen Hemisphäre erstrecken. Und flüssiges Wasser, das gilt unter Astrobiologen bekanntlich als Grundlage für Leben.