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Sauber und sparsam

Noch vor zwei Jahren war sie der Schrecken der Lkw-Hersteller: die neue Abgasnorm Euro-6. Vom 1. Januar 2013 an dürfen neu zugelassene Lkw über 3,5 Tonnen Gewicht nur noch ein Drittel des derzeit erlaubten Ausstoßes an unverbrannten Kohlenwasserstoffen haben, die Stickoxidemission muss auf ein Fünftel sinken, Rußpartikel um die Hälfte. 2010 waren sich alle Hersteller sicher: Das werde den Verbrauch steigen lassen, und sei kontraproduktiv.

Von Sönke Gäthke |
    "Nein, die positive Nachricht ist, dass unsere Ingenieure es geschafft haben, Euro-6 zu entwickeln, ohne Mehrverbrauch im Vergleich mit Euro-5-Fahrzeugen."

    "Wir können zum derzeitigen Zeitpunkt sagen, dass unsere Euro-6-Technologie, die wir gewählt haben, aus unserer Sicht die gleiche Performance bringen wird, auch was den Verbrauch angehen wird, wie die Euro-5-Technologie","

    stellen Mikael Lundqvist von Scania Deutschland und Gregor Jentzsch von Renault Trucks fest. Es geht also doch. Dabei hatte noch vor drei Jahren die Branche fast unisono beklagt, die neuen, schärferen Grenzwerte für Stickoxide und Ruß würden den Verbrauch um zwei, drei oder sogar fünf Prozent klettern lassen. Denn, so ein Argument, die dafür notwendige Technik - ein neuer Rußfilter, ein spezieller Katalysator für die Stickoxide, ein zusätzlicher Tank für Harnstoff, eine Abgasrückführung und ein größerer Kühler - wiege bis zu 400 Kilogramm mehr - der Motor aber,

    ""Der Motor ist technisch in der Tat - er stößt fast schon an seinen theoretischen Wirkungsgrad, da ist die Messe gesungen, mehr oder weniger","

    so Manfred Kuchlmayr von Iveco. Ein Mehrverbrauch schien unausweichlich - die Lkw Hersteller wollten Euro-6 daher sogar verschieben. Vergeblich. Jetzt aber ist es nicht nur Renault und Scania, sondern mindestens auch Iveco und Mercedes-Benz gelungen, den Verbrauch zu halten und den Lkw sauberer zu machen. Sie haben dafür den Motor offenbar doch noch einmal verbessert, zum Beispiel durch Veränderungen an der Einspritzung des Diesels. Aber das reichte nicht, so Gregor Jentzsch:

    ""Man muss eben das Gesamtkonzept sehen, den gesamten Antriebstrang, das Getriebe,"

    Mikael Lundqvist: "Zum Beispiel eine verbesserte Steuerung unserer Getriebe."

    Gregor Jentzsch: "Die Achsübersetzung und letztendlich auch, ganz wichtig, die Aerodynamik des Fahrzeugs."

    Mikael Lundqvist: "Wir haben neue Seitenspoiler zwischen den Achsen, was den Luftwiderstand verringert."

    Dazu kommen bei anderen Herstellern auch noch neue, leichtere Achsen und bei vielen neue Leichtlaufreifen.

    Was Abgasnormen angeht, haben Techniker und Entwickler erst einmal Ruhe. In den kommenden Jahren werden keine neuen Normen in Europa in Kraft treten. Sie können sich nun darauf konzentrieren, den Verbrauch weiter zu senken. Und da zeichnen sich vor allem zwei Techniken ab: Zum einen Hybridantriebe - also die Kombination von Diesel- und Elektromotor, die vor allem im Stadt- oder Verteilerverkehr, Treibstoff spart - aber auch im Fernverkehr Potenzial hat, so Mikael Lundqvist:

    "Man kann im Fernverkehr weniger Einsparen in Prozent. Wie unsere Erfahrungen unserer Entwicklungsabteilungen zeigen, Einsparungen von fünf Prozent. Aber wenn man die Anzahl Liter pro Jahr rechnen, dann kann man genauso viel, sagen wir mal, 3000 bis 6000 Liter Diesel pro Jahr einsparen, genauso viel im Fernverkehr wie im Verteilerverkehr."

    Der zusätzliche Elektromotor und die Batterien brächten zwar mehr Gewicht auf die Waage, doch durch einen kleineren und leichteren Motor würde das wieder ausgeglichen. Zum anderen arbeiten die Ingenieure an einer Abgaswärmenutzung. Jentzsch:

    "Wir haben vor einigen Jahren bereits ein Projekt gestartet, das nennt sich Renoter, dahinter verbirgt sich die Rückgewinnung dieser Abgaswärme oder die Nutzung dieser Abgaswärme durch Umwandlung in elektrische Energie, die dann später dem Fahrzeug dann wieder zur Verfügung steht."

    Dazu verwenden die Ingenieure thermoelektrische Elemente, die Strom erzeugen, wenn sie auf der einen Seite heiß, auf der anderen kalt sind. Diese werden in eine Box mit einem Röhrensystem eingebaut, das auf die eine Seite der Thermoelemente kalte, auf der anderen die heißen Auspuffgase vorbei leitet. Die Box soll dann in das Auspuffrohr eingebaut werden, und aus dem heißen Abgas Strom gewinnen. Dieser Strom könnte dann die Batterie laden oder Zusatzgeräte antreiben, und so Diesel sparen.

    Nur auf eines suchen Forscher wie Ingenieure noch eine Antwort: Was wird den Diesel für Lkw einmal ersetzen?