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Saubere Klimakonferenz

Umwelt. - Einen Vorwurf müssen sich Teilnehmer von Klimakonferenzen häufig anhören, nämlich dass sie mit ihrer oft weiten Anreise selbst dem Klima schaden. Nicht so bei einer Tagung der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg, denn die findet alleine im Internet statt. Der Wissenschaftsjournalist Volker Mrasek stellt sie im Gespräch mit Marieke Degen vor.

    Marieke Degen: Herr Mrasek, was ist denn das Besondere an Klima 2008?

    Volker Mrasek: Wie Sie schon sagten, da reist kein Wissenschaftler an, das ist nämlich eine virtuelle Klimakonferenz, eine, die sich ausschließlich im Internet abspielt. Das ist einmal der Reiz daran, im Zweifelsfall reisen Wissenschaftler um den halben Erdball, um eine solche Konferenz zu besuchen. Und hier verursacht niemand CO2-Emissionen. Und das ist ja häufig eine Kritik, die man hört im Kontext mit Klimaverhandlungen, gerade mit den politischen, da reisen oft 10.000 Teilnehmer an, die jetten durch die halbe Welt. Und Kritiker sagen, da kommt ja nicht viel dabei herum, Ihr verursacht vor allem CO2-Emissionen. Ansonsten ist das eine normale Klimakonferenz, mit dem Unterschied, dass die Wissenschaftler keine Vorträge halten, sondern dass sie virtuell vertreten sind, das heißt, mit ihren Aufsätzen, die seit heute 0.00 Uhr freigeschaltet und für jedermann im Netz nachlesbar sind. Real vorhanden ist natürlich der Computerserver, von dem die Beiträge abgerufen werden können. Der ist aber auch laut Veranstalter klimaneutral. Da gibt es einen Kooperationspartner, und der ist beteiligt an einem Windpark in der Türkei. Die Emissionen sollen dadurch kompensiert werden.

    Degen: Welche Themen werden auf der Konferenz denn angeschnitten?

    Mrasek: Es gibt verschieden Themenblöcke, einmal wissenschaftliche Aspekte des Klimawandels, dann gibt es einen Themenblock "soziale Aspekte". Dann gibt es etwas über Bildungsmöglichkeiten im Bereich des Klimawandels, und es gibt noch einen Themenblock über regionale und internationale Initiativen und Projekte, wobei man sagen muss, die Anzahl der Beiträge ist nicht sonderlich hoch, es sind genau 83. Aber der Veranstalter sagt, das ist ja auch die erste Konferenz dieser Art und 2009 soll es wieder eine geben, da werden wir bestimmt mehr Zuspruch haben.

    Degen: Zeichnen sich denn besonders beliebte Beiträge ab? Wo gibt es die meisten Klicks?

    Mrasek: Das ist auch ein Reiz einer solchen Veranstaltung, das kann man genau nachsehen. Man sieht also genau bei jedem Beitrag, wie oft ist der schon aufgerufen worden. Grundsätzlich die beliebtesten sind solche in deutscher Sprache. Also die Konferenzsprachen sind deutsch und englisch, und es gibt die meisten Beiträge in Englisch, aber es gibt auch viele in Deutsch und die werden auch heftig besucht. Das zeigt, dass vielleicht auch nicht nur Wissenschaftler, die ja des Englischen in der Regel mächtig sind, diese Beiträge abrufen, sondern vielleicht auch interessierte Laien. Und ein sehr beliebte Beitrag oder überhaupt der beliebteste mit Stand 15.30 Uhr: 72 Abrufe, das war ein Vortrag von zwei Forscherinnen der TU Hamburg Harburg, die einen Ausblick wagen auf das Jahr 2050 und schätzen ab, wie dann der Heiz- und Kühlbedarf für Gebäude auf der ganzen Welt aussehen wird. Und interessant ist, dass wir mehr wärmere Klimazonen haben werden und das Bevölkerungswachstum eine große Rolle spielt. Die Forscherinnen zeigen also, es gibt mehr Klimazonen und da werden auch mehr Leute wohnen, das heißt, der Kühlbedarf geht hoch und das in heutigen Entwicklungsländern, das heißt, das muss eine Anstrengung sein für Ingenieure vor allen Dingen an solare Kühlung zu denken.

    Degen: Die Konferenz ist ja interaktiv angelegt, wenn ich Sie richtig verstanden habe, dass heißt also, Nutzer können sich im Internet direkt beteiligen zum Beispiel an Live-Chats. Wie groß ist die Gefahr, dass die Fachwelt diese Konferenz als unseriös abstempelt?

    Mrasek: Das glaube ich nicht einmal, man sieht schon an der Beteiligung, das sind durchaus seriöse Forscher, die sich beteiligen. Und wenn man sich die ersten Reaktionen auf die Beiträge anschaut, die sind jetzt auch nicht hanebüchen. Man muss allerdings sagen, gerade Nichtwissenschaftler sind da eingeladen mitzumachen. Es gibt also ein ganzes Dutzend von solchen Live-Chats, die wissenschaftlich geführt werden. Gerade jetzt in diesen Minuten läuft die erste, veranstaltet von der Europäischen Umweltagentur. Da geht es über das Thema Klimawandel und Energie, da kann sich jeder einklinken und kann da natürlich nach wissenschaftlichen Gepflogenheiten diskutieren. Ich denke schon, die Veranstalter werden dafür sorgen, dass da keine Nonsens-Beiträge diskutiert werden. Es gibt auch allgemeine Diskussionsforen, die sich gerade auch an interessierte Laien richten, in denen man sich dann schriftlich äußern kann. Fragen, die hier gestellt werden, sind zum Beispiel, wie kann und soll die Wirtschaft denn sinnvoll auf den Klimawandel reagieren, oder wie kann und soll Mobilität in Zukunft aussehen.

    Degen: Sie haben sich das Programm angeschaut. Was wird in den nächsten Tagen denn noch geboten?

    Mrasek: Heute ist erst einmal Auftakt, die Konferenz läuft bis Freitag einschließlich. Und so lange stehen sämtliche Beiträge im Netz, es gibt kein klassisches Konferenzprogramm, sondern ab heute 0.00 Uhr stehen alle 83 Beiträge im Netz. Die können kommentiert werden, am Ende der Woche soll es dann eine Pressekonferenz zu den Ergebnissen dieser Diskussion geben an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg, das ist der Organisator. Da kann man sagen, zumindest die dann anreisenden Journalisten werden CO2-Emissionen verursachen.