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Sauberes Abwasser

Die meisten Haushalte und Firmen in Deutschland sind an die Kanalisation angeschlossen. Trotzdem strömt immer wieder ungeklärtes Abwasser in die Bäche und Flüsse. Und zwar immer dann, wenn es heftig regnet. Viele Klärwerke sind nämlich bei kräftigen Regenschauern überfordert, und zwar vor allem dort, wo Regenwasser von Dächern und Straßen in einer Mischkanalisation zusammen mit dem Schmutzwasser abgeleitet wird. Abhilfe könnten hier Filterbecken schaffen, die auf naturnaher Grundlage arbeiten und auch noch gut aussehen. Und die funktionieren, wie ein Projekt in Wermelskirchen im Bergischen Land zeigt.

Von Lutz Reidt |
    Unterhalb eines dicht bewaldeten Steilhanges plätschert der Eifgenbach munter über die Steine. Sein Bachbett hat der Biologe Martin Schwefringhaus vom Ingenieur-Büro Beck in Wuppertal eigens verlegen lassen, um Platz zu schaffen für einen rund 150 Meter langen Schilfgürtel:

    Das ist natürlich ein Erdbauwerk, aber das hat eine Abdichtung nach unten hin, das heißt also, da ist eine Foliendichtung drunter. Dann wird von unten nach oben eine Drainageschicht aufgebracht, und dann ein etwa ein Meter mächtiger Filterboden, der aus einem sandigen Material besteht und das Ganze wird dann mit Schilf bepflanzt. Das sieht relativ naturnah aus und das ist auch Sinn und Zweck der Sache. Das ist ein naturnahes Reinigungsverfahren, funktioniert ähnlich wir bei den Pflanzenkläranlagen. Das heißt, das Wasser wird schwallweise auf den Filter gegeben, so wie es die Regenereignisse ergeben und dann filtriert.


    Seit gut drei Jahren speichert und reinigt dieser "Retentionsbodenfilter” das Abwasser von Wermelskirchen. Und zwar dann, wenn die Kläranlage der 18.000 Einwohner-Stadt nach heftigen Regenfällen oder nach einer Schneeschmelze überfordert ist.

    In Deutschland gibt es mittlerweile mehr als hundert dieser bewachsenen Zwischenspeicher. So vor allem in Nordrhein-Westfalen, Hessen und Baden-Württemberg. Tendenz: weiter steigend, weil zum Beispiel Geld aus den Abwasserabgaben in solche Projekte fließt.

    Wer auf diese Zwischenspeicher verzichtet, muss hinnehmen, dass nach starken Regenfällen oder zur Schneeschmelze bis zu 90 Prozent der Abwässer ungeklärt in Flüsse und Bäche strömen:

    Wenn wir den Retentionsbodenfilter hier nicht hätten, dann würden sich die Schadstoffe irgendwo in den Gewässern ablagern und dann könnte man die gar nicht mehr ´raus nehmen. Hier hat man wirklich eine Schadstoff-Falle, die man gegebenfalls auch entnehmen kann. Wobei das nicht heißt, dass man dann zwangsläufig den gesamten Filterboden austauschen muss. Das beschränkt sich dann, wenn es mal so sein sollte, auf die obersten paar Zentimeter.

    Etwa 60 Prozent der Siedlungsgebiete in Deutschland sind an eine Mischkanalisation angeschlossen - so auch in Wermelskirchen. Das bedeutet: neben Abwässern aus Haushalt und Gewerbebetrieben fließt auch Regenwasser, das auf Dächer, Straßen und Plätze prasselt, in die Kanalisation.

    Nach heftigen Regenfällen oder einer plötzlichen Schneeschmelze ist da schnell der "Kanal voll”. Mehr als 212 Liter pro Sekunde - betont Betriebsleiter Uwe Alfs - konnte seine Kläranlage "Wermelskirchen-Süd” früher nie verkraften:

    Alles, was über die 212 Liter war, ist einfach ungeklärt in den Eifgenbach gelaufen. Das wird jetzt über eine Regenbecken, das wir auch neu gebaut haben - ca. 2000 Kubikmeter groß - mechanisch vorgereinigt und wenn länger anhaltende Regenereignisse sind, läuft dieses Regenbecken über in diesen Bodenfilter. Und hier wird es eben durch die Sandfilterschicht gefiltert und endgereinigt.

    In dieser oberen Schicht sammeln sich all jene Schadstoffe, die nicht biologisch abgebaut werden können. So etwa giftige Schwermetalle wie Blei und Cadmium. Gegebenfalls muss der Betreiber diese obere Bodenschicht nach 15 oder 20 Jahren austauschen. Bislang fehlen aber noch Langzeiterfahrungen.

    Die biologisch abbaubaren Substanzen hingegen werden von Mikroorganismen zuverlässig zersetzt - so wie es überall im Boden geschieht, wenn das Wasser ungehindert versickern kann. Martin Schwefringhaus

    Das sind Bodenbakterien und Bodenorganismen. Was natürlich auch noch dazu kommt, ist das Wurzelwachstum, oder auch größere Bodenorganismen mit ihren Grabungstätigkeiten. Dadurch bleibt natürlich der Filter dauerhaft durchlässig. Das ist das wichtigste eigentlich für den Pflanzenbewuchs; der sorgt einmal dafür, dass sich keine geschlossene Schlammschicht auf der Oberfläche ablagert; und wenn dem mal so sein sollte, wird das durch den Schilfbewuchs relativ schnell wieder aufgebrochen.

    Pflegemaßnahmen sind auch nicht nötig. Der Schilf wächst und gedeiht, stirbt im Herbst ab und schießt im Frühjahr erneut empor. Und nebenan wird der verlegte Eifgenbach weiter über die Steine plätschern - munter sprudelnd, und vor allen Dingen: sauber.