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Saubermann als Schmutzfink

Chemie. - In Düsseldorf treffen sich noch bis zum 14. September die Mitglieder der Gesellschaft Deutscher Chemiker. In diesem Jahr nimmt das Thema Gewässerschutz besonderen Raum ein. Für eine besonders gefährliche Gruppe von Schadstoffen fanden Forscher jetzt eine überraschende Quelle: die Kläranlage.

Von Sascha Ott |
    Angeln im Rhein, Schwimmen in der Elbe - die Entgiftung der Gewässer in Deutschland zählt zu den erstaunlichsten Erfolgsgeschichten im Umweltschutz der vergangenen Jahrzehnte. Nitrate, Tenside und Pestizide haben die Kläranlagen inzwischen weitgehend im Griff. Gleichzeitig finden Wasserchemiker allerdings in letzter Zeit immer wieder neue Fremdstoffe, deren Herkunft und Wirkung bisher ungeklärt ist. Grund dafür ist vor allem die verbesserte Analysetechnik, erklärt Professor Martin Jekel, Vorsitzender der deutschen Wasserchemischen Gesellschaft anlässlich des diesjährigen Jahrestreffens der Gesellschaft Deutscher Chemiker.

    "Wir sind inzwischen in einem anderen Status bezüglich der Bewertung der Gewässergüte. Wir finden eben seit etwa zehn Jahren neuartige Stoffe. Das heißt Stoffe, die neu analysiert werden, aber wohl immer schon da waren. Weil aufgrund der chemisch-analytischen Entwicklungen jetzt Stoffe eben messbar werden in Spurenbereichen, die wir vorher nicht erfassen konnten."

    Zu diesen neuen, bisher noch kaum untersuchten Schadstoffen zählen die perfluorierten Kohlenwasserstoffe, kurz PFC. Mehrere Eigenschaften machen die PFC besonders tückisch: Sie werden in der Umwelt fast nicht abgebaut, sammeln sich über die Nahrungskette im Körper von Lebewesen an und: Sie sind giftig. PFC verursachten in Studien Missbildungen bei Ratten, sie wirken auf das Hormonsystem und stehen im Verdacht, Krebs zu verursachen. In der chemischen Industrie werden die Fluor-Verbindungen vor allem zur Beschichtung von Oberflächen eingesetzt. Dr. Silke Gerstmann von der Universität Bayreuth.

    "Ausschließlich vom Menschen werden sie in die Umwelt eingebracht, durch großtechnische Prozesse. Ein Beispiel ist Teflon, was jeder kennt, die Teflonpfanne daheim. Oder auch Regen abweisende Jacken, wo die einfach als Schutzschicht aufgebracht sind. Kann man auch auf Papier, Fett abweisend zum Beispiel, haben. Und von dort kommt es dann irgendwie in die Umwelt."

    Genau diesem "irgendwie" sind die Umweltchemiker jetzt genauer nachgegangen. Dafür untersuchten sie die Wasserqualität in einem Fluss direkt vor der eigenen Haustür: dem Roten Main in der Nähe von Bayreuth. Die zentrale Frage war, wie sich die Haushaltsabwässer, die über eine Kläranlage in den Fluss gelangen, auf den PFC-Gehalt im Wasser auswirken.

    "Wir haben Untersuchungen gemacht an einer Kläranlage, den Fluss beprobt vor und nach der Kläranlage und haben dann festgestellt: Vor der Kläranlage ist der Gehalt an diesen perfluorierten Verbindungen niedrig, dahinter ist er auf einmal höher. Und danach haben wir uns dann eben Proben in der Kläranlage direkt angeschaut und haben festgestellt, dass vermutlich im Klärschlamm diese Verbindungen aus Vorläuferverbindungen nachgebildet werden."

    Durch die Kläranlage wurde also das Problem nicht gelöst, sondern auf fatale Weise verschärft. Aus den Haushalten geraten vor allem vergleichsweise harmlose kurze Ketten aus PFC in die Kläranlage. Von den Bakterien der Anlage werden sie jedoch zu den deutlich gefährlicheren langkettigen PFC-Molekülen zusammengesetzt. Mit den Betreibern der Kläranlage suchen die Forscher jetzt nach einer Lösung. Einen kostengünstigen Weg, die PFC ganz aus den Abwässern herauszufiltern, gibt es bisher nicht. Um mehr zu verstehen, wie sich die PFC im Organismus anreichern, wurden außerdem Fische im geklärten Wasser der Anlage ausgesetzt.

    "Und hier untersucht man dann die einzelnen Gewebeproben der Tiere, um zu sehen, ob sie diese Stoffe angereichert haben. Und basierend auf den Ergebnissen kann man dann auch Entscheidungen treffen, was zu tun ist. Zum Beispiel, wie kritisch die Konzentrationen überhaupt werden, was überhaupt eine gefährliche Konzentration ist, wo man dann auch hinterher im Fluss sagen kann: OK, wenn diese Konzentration erreicht ist, dann ist es dringend notwendig, was zu tun."

    Etwas getan hat bereits die deutsche chemische Industrie. Nach ihren Angaben werden in Deutschland keine perfluorierten Kohlenwasserstoffe hergestellt oder verwendet. In einer Zeit, da die meisten unserer Pfannen und Regenjacken aus China oder Korea stammen, ist das allerdings nur ein schwacher Trost.