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Saudi Arabien
Vergnügung als Wirtschaftsfaktor

Frauen in Fußballstadien, Modenschauen, öffentliche Pop-Konzerte und jetzt das erste Kino in Riad: Mit dem Wandel in Saudi Arabien wird das Leben für viele freier. Das Königshaus will Spaß ins Land bringen - und damit die Wirtschaft stärken, denn der Vergnügungssektor ist ein Milliardengeschäft.

Von Björn Blaschke | 18.04.2018
    Besucherinnen eines Konzerts des ägyptischen Popstars Tamer Hosny in Jeddah im Westen Saudi-Arabiens machen Selfies
    Besucherinnen eines Konzerts des ägyptischen Popstars Tamer Hosny in Jeddah im Westen Saudi-Arabiens machen Selfies (AFP/ Amer Hilabi)
    Das erste Kino nach 35 Jahren in Riad - die Meinungen dazu gehen in der Hauptstadt des Königreiches Saudi Arabien auseinander. Manchmal schon bei Mutter und Tochter - Generationskonflikt?
    "Nein, nein", sagt diese Frau, die gerade in einem Einkaufszentrum unterwegs ist. "Kino ist grundsätzlich nicht mein Vergnügen. Ich warte mal ab, ob ich gehe." Ihre Tochter hält dagegen: "Was mich angeht: Ich werde gehen! Ich will den Wandel spüren." Eine dritte Frau, vielleicht um die dreißig, wirft von der Seite ein: "Das ist der Wandel! Der Wandel, der alles betrifft: Du kannst zu Partys gehen und ins Kino."
    Vom Wandel begeistert
    Der Wandel. So vieles ist in jüngster Zeit passiert: Frauen in Fußballstadien, Modenschauen, öffentliche Pop-Konzerte, jetzt das erste Kino - und ab Juni dürfen Frauen in Saudi Arabien selbst Auto fahren. Und: Kürzlich erst verkündete Kronprinz Mohammed bin Salman, der mit seinem Vater, dem König, alle wichtigen Entscheidungen im Land fällt, dass die Kleiderordnung längst nicht so streng sein müsse, wie in den zurückliegenden Jahrzehnten. Auch nach dieser Ankündigung haben längst nicht alle Frauen sofort den Niqab, den Gesichtsschleier, fortgeworfen. Für viele ist er mehr Tradition als Ausdruck ihres Glaubens. Und so zeigt sich auch diese Niqab-Trägerin, die eher aus einfachen Verhältnissen kommt, begeistert vom Wandel im Königreich.
    "Gott sei Dank gibt es diesen Wandel. Ich hoffe, dass er uns Gutes bringt und uns, dem saudischen Volk, Neuerungen. Und ich werde ins Kino gehen. Sicher. Ich liebe Actionfilme - oder romantische Filme."
    Spaß fürs Land - um die Wirtschaft zu retten
    Das Herrscherhaus will Spaß ins Land bringen. Aber es möchte noch mehr. Bisher basierte die Wirtschaft zu mehr als 90 Prozent auf dem Ölreichtum des Landes. Doch diese Ressource ist endlich und die Weltmarktpreise sind niedrig. Kronprinz Mohammed Bin Salman will diese Abhängigkeit überwinden, die Wirtschaft des Landes umkrempeln. Und Teil dieses Planes, Vision 2030 genannt, ist eben der Vergnügungssektor.
    Im Rahmen der wirtschaftlichen Umstrukturierung hat das saudische Kulturministerium der Lizensierung des ersten Kinos in Riad zugestimmt - und mit dem Betreiber, dem US-Konzern AMC, einen Vertrag geschlossen über die Eröffnung von 40 Kinos landesweit. In den kommenden fünf Jahren. Bis 2030 sollen es dann 350 sein. Ein Milliardengeschäft mit Wachstumschancen: Schon heute zählt die Bevölkerung Saudi Arabiens mehr als 30 Millionen - Tendenz steigend.
    Kinoeröffnung mit geladenen Gästen - ab Mai offen für alle
    Und mehr als die Hälfte der Menschen ist unter 25 Jahre. Da dürften genügend junge Leute bei sein, die Geld für Kinokarten ausgeben wollen. Dieser Mann will aber nicht dazu zählen:
    "In meinem Leben spielt das keine Rolle, Kino - ich guck nicht mal fern."
    Sollte er seine Einstellung noch ändern, ist Zeit: Heute findet nur so etwas wie eine sanfte, inoffizielle Eröffnung des Kinos statt mit 620 geladenen Gästen. So viele Zuschauer fasst das Kino im King Abdullah Financial District in Riad. Ab Mai soll das Kino dann für ein breites Publikum offen sein.