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Sauna für Bauteile

Technik. - In Triebwerken und Kraftwerken sind Materialien und Bauteile extremen Belastungen ausgesetzt und müssen auch bei Dauerhitze Höchstleistungen zuverlässig erbringen. Ein neuer Teststand in Garching bei München bietet jetzt beste Simulationsbedingungen für Ingenieure.

Von David Globig | 30.05.2005
    Es klingt, als ob eine Putzkolonne unterwegs wäre in der Halle des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik - eine Putzkolonne mit großen Staubsaugern. Doch das monotone Geräusch stammt von den Vakuumpumpen von GLADIS (Garching Large Divertor Sample Test Facility), dem neuen Wärmeteststand. Das Auffälligste an GLADIS ist der glänzende, mehr als drei Meter langer Edelstahlzylinder mit eineinhalb Metern Durchmesser. Ein riesiges Vakuumgefäß, in dem die Garchinger Forscher untersuchen wollen, wie sich etwa Bauteile für Kernfusionsanlagen bei hohen Temperaturen verhalten. Als "Heizung" dienen Ionenstrahlen, die von zwei Quellen am Kopfende des Zylinders erzeugt werden. Projektleiter Henri Greuner:

    "Die Ionenquelle ist im Prinzip ein Keramikzylinder, in den Wasserstoffgas eingelassen wird. Dieser Wasserstoff ist sehr leicht zu ionisieren. Und die Ionisation bei uns erfolgt über einen Mikrowellen-Sender. Die Wasserstoff-Moleküle werden angeregt, die Elektronen treten aus und Sie haben ein ionisiertes Gas, bestehend aus den Elektronen und den Ionen. Und die Ionen werden über elektrische Gitter, die mit Hochspannung beaufschlagt werden, beschleunigt."

    ... und treffen schließlich als armdicke Ionenstrahlen in der Vakuumkammer auf das Testobjekt. Das wird dadurch extrem aufgeheizt. Zurzeit kalibrieren die Forscher ihre Anlage noch. Dazu verwenden sie hitzebeständige Kacheln aus einem sehr hochwertigen Graphit.

    "Wir beobachten die Oberfläche der Kachel während der Belastung mit dem Ionenstrahl mit einer Infrarotkamera und mit Pyrometern und können dadurch die Temperaturverteilung auf dieser Kachel messen. Und diese Temperaturverteilung vergleichen wir mit der vorher gerechneten Energieverteilung innerhalb des Ionenstrahls."

    Bis die Anlage in wenigen Wochen in den Regelbetrieb geht, kennen die Forscher auf diese Weise die Eigenschaften des Teilchenstrahls genau. Während der Kalibrierungs-Läufe kann man durch ein kleines Fenster im Vakuumbehälter einen Blick auf das Testobjekt werfen. Ein leises Ventil-Klacken verrät, dass Wasserstoffgas in die Ionenquelle strömt. Sobald die Quelle zündet, ist das Innere des Zylinders in bläuliches UV-Licht getaucht. Augenblicke später leuchtet die 15 mal 15 Zentimeter große Graphit-Kachel weiß glühend auf.

    "Die Wärmelast im Zentrum des Strahls liegt in der Größenordnung von etwa einem Kilowatt pro Quadratzentimeter. Und das ist die 100fache Leistung, die Sie so auf einer normalen Kochplatte erzeugen."

    Nach zwei Sekunden ist der Test vorbei, die Kachel kühlt rasch wieder ab. Später einmal sollen die Ionenquellen Pulse von bis zu 30 Sekunden Dauer liefern. GLADIS wird dann in der Lage sein, Wärmebelastungen zu erzeugen, die höher sind als in den Haupttriebwerken einer Ariane V Rakete. Unter solchen Extrembedingungen wollen die Forscher in den nächsten Jahren spezielle Verkleidungen für die Innenwände von Kernfusionsanlagen prüfen. Zum Beispiel für das Experiment Wendelstein 7-X, das zurzeit in Greifswald aufgebaut wird. In Fusionsanlagen kommt ultraheißes Plasma zum Einsatz. Nur wassergekühlte Bauteile, etwa aus Graphit mit einer Kupfer-Kühlstruktur, können so etwas überstehen.

    ""Die Hauptfrage ist natürlich, dass die Bauteile bei den hohen thermischen Belastungen keine Risse bekommen, dass die Kühlkanäle nicht undicht werden. Denn in dem Moment, wo das Kühlwasser in das Vakuum eindringt, bricht Ihnen das Vakuum zusammen. Und damit könnten Sie dann in den Fusionsexperimenten also nicht mehr arbeiten."

    Die Vakuumkammer des Garchinger Teststandes ist so konstruiert, dass die Bauteile inklusive Kühlung hineinpassen. Getestet wird also unter realistischen Bedingungen. Henri Greuner und seine Kollegen vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik werden aber nicht nur die Fusionsforscher unterstützen. Sie sind auch am EU-Projekt "Materialien für extreme Belastungen" beteiligt, das seit Dezember 2004 läuft. Im Rahmen dieses Programms sollen in den nächsten fünf Jahren auch hitzebeständige und wärmeleitfähige Werkstoffe entwickelt werden. Neue Materialien, die etwa für Raumfahrtanwendungen geeignet sind oder für Höchstleistungs-Halbleiter in der Elektronik.