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Saure Bergbauseen in der Lausitz

Anders als im Kölner Raum und in Mitteldeutschland gleicht in der Lausitz das aufsteigende Wasser in ausgedienten Braunkohletagebauen verdünnter Schwefelsäure - ein Problem, das es europaweit in dieser Schärfe sonst nicht gibt. Obwohl die Tagebaue mit Frischwasser aus benachbarten Flüssen geflutet werden, sinkt der Säuregehalt nicht so weit ab, dass sich Tiere und Pflanzen ansiedeln können. Deshalb experimentieren Forscher mit so genannten "Neutralisierungstechnologien".

Von Maren Schibilsky | 30.03.2004
    Friedrich-Carl Benthaus sitzt die Zeit im Nacken. Zwar geht die Flutung der 28 Tagebaue in der Lausitz zügig voran. Doch immer noch gleicht das Wasser der meisten Seen verdünnter Schwefelsäure - ein Hindernis für den Verkauf der Gewässer. Zum Beispiel an viele Kommunen, die an den Seeufern liegen und ihr "Seen-Paradies" endlich in Besitz nehmen wollen. Doch wer will schon in Essig baden oder darin Boot fahren. Aber das ist nicht das einzige Problem. Friedrich-Carl Benthaus ist Wasserchef bei der Lausitzer und Mitteldeutschen Bergbauverwaltungsgesellschaft LMBV.

    Die Seen, die wir hier herstellen, sind dann Seen, die in die Flüsse eingebunden werden. Und aus einem sauren See kann man kein Wasser aus einem nahe gelegenen Fluss überleiten. Zum zweiten werden hier eine Reihe von Seen entstehen, die als Wasserspeicher dienen sollen, als Wasserspeicher für den Spreewald, aber auch als Trinkwasserspeicher für das Land Berlin.

    Eine Art Zeitbombe, die da tickt. Ursache für das Säure-Problem ist die Geologie der Lausitz, so genannte Eisen-Sulfit-Verbindungen im Untergrund. Dort lagern sie unschädlich unter Luftabschluss. Beim Braunkohlenabbau wurden sie aber mit zutage gefördert und auf Kippen geschüttet. Friedrich-Carl Benthaus:

    Die Versauerung entsteht dadurch, dass das im Untergrund feinverteilte Pyrit, also das Eisensulfit, durch die Luft oxydiert wird und dann eine Art Schwefelsäure in den Kippen entsteht. Diese Schwefelsäure wird dann durch den Regen ausgewaschen und in die entstehenden Seen eingetragen.

    Seit einem Jahrzehnt versucht der Bergbausanierer LMBV, das saure Seenwasser mit Frischwasser aus Schwarzer Elster, Neisse und Spree zu vermischen. Doch es reicht nicht, um alle Seen in der niederschlagsarmen Lausitz auf einen ph-Wert von 5 oder 6 zu bringen. Erst ab ph-Wert 5 kann es aber Wasserpflanzen und Fische geben. Erst dann ist auch Baden möglich ohne rote Kaninchenaugen und Juckreiz auf der Haut. Und so gleicht die Lausitz einem riesigen Experimentallabor, an deren Seenufer Forschungseinrichtungen aus ganz Deutschland fieberhaft "Neutralisierungstechnologien" testen. Friedrich-Carl Benthaus.

    Wir müssen hier deutlich sehen, das ist komplettes Neuland, was wir hier betreten, d.h. die Forschungsvorhaben müssen bei Null beginnen. D.h. die Arbeiten sind alle Arbeiten, die zuvor zwar im Labor erprobt sind und funktioniert haben, aber wenn diese Verfahren dann in Freilandversuche überführt werden, dann es heißt es wirklich nicht, dass sie alle so gut funktionieren.

    Ernüchternd ist das Ergebnis der Forschungsarbeiten bisher. Funktionierende Verfahren wie das traditionelle Kalken oder die Elektrolyse sind energieaufwendig und für eine Anwendung im großen Stile zu teuer. Hoffnungsträger ist ein biologisches Verfahren des Umweltforschungszentrums Halle-Leipzig. Seit 2001 testen es die Wissenschaftler außerhalb des Labors an einem 16 Hektar kleinen sauren Tagebausee. Sie bringen Bakterien am Seegrund dazu, die Schwefelsäure aufzufressen. Die Wissenschaftler setzen die Bakterien auf Sauerstoffentzug, indem sie ein Gemisch aus Strohballen, Ethanol und Carbokalk - einem Abfallprodukt der Zuckerindustrie- ins Wasser schütten, das zu Boden sinkt. Die Bakterien werden aktiv und stürzen sich auf die Schwefelsäure, um dort den Sauerstoff herauszulösen. Es entsteht Eisensulfit, das sich als Pyritkristall unschädlich am Seegrund einlagert. Walter Geller vom Umweltforschungszentrum Halle-Leipzig leitet das Projekt.

    Diese Neutralisierungsleistung der Mikroorganismen ist wirklich nennenswert. Wenn wir diese Aktivitäten aus unseren Versuchen hochrechnen würden und anwenden würden auf den ganzen See,/ würden wir zirka in acht Jahren mit dieser Methode den See neutralisieren können.

    Um das ganze zu beschleunigen, führen die Wissenschaftler jetzt ihr "Neutralisierungsverfahren" im See in großen Durchflussreaktoren durch. Mit wachsendem Erfolg, so dass dieses Verfahren demnächst zur Marktreife gelangen wird.