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Saxofonist Peter Brötzmann
Der Unbezähmbare

Sein radikales Album „Machine Gun“ von 1968 gilt als Fanal der europäischen Free Music, und Saxofonist Peter Brötzmann wurde zum international bekanntesten deutschen Improvisationsmusiker. Am 6. März 2021 wird die Ikone 80 Jahre alt. Ein Gespräch über Kunst, Politik und das Leben am Rande des Establishments.

Von Karl Lippegaus |
    Ein älterer Mann mit kurzgeschorenem weißem Haar und Vollbart spielt mit geschlossenen Augen Altsaxofon. Hinter ihm leuchtet ein blauer Scheinwerfer.
    Mit der oft extremen Energie seiner Live-Konzerte konnten es im Jazz jahrzehntelang wenige Andere aufnehmen: Peter Brötzmann (imago / Heinrich Brigani Art)
    Als Kunststudent und Grafiker begann Peter Brötzmann Anfang der 60er-Jahre, autodidaktisch in Swingbands Saxofon und Klarinette zu spielen. Die Begegnung mit Nam June Paik öffnete ihn für den künstlerischen Bruch mit Konventionen. Musikalisch suchte er immer nach dem "Schrei" und probierte dafür die ganze Saxofon-Familie bis zur Bassversion aus. Seine Auftritte in den 70er-Jahren wurden Manifeste der Gegenkultur zum herkömmlichen Jazz-Konzertbetrieb. Mit dem von Pianist Alexander von Schlippenbach gegründeten Globe Unity Orchestra und dem alternativen Plattenlabel Free Music Production entstand eine lange, fruchtbare Zusammenarbeit. Furchtlos und provokant gelang es Brötzmann über Jahrzehnte, die Grenzen der Jazz-Expression auszuloten. Er hegt aber auch eine tiefe Liebe zur Jazz-Tradition. Wenn er malt oder bildhauert, hört er gerne Ellington oder Lightnin‘ Hopkins. Sein Solowerk „I Surrender Dear“ überraschte 2020 erstmalig mit Standards. Einige seiner besten Bands hatte der Wuppertaler mit internationalen Kollegen wie Hamid Drake, William Parker oder Louis Moholo. Doch Deutschlands weltweit bekanntester Improvisationsmusiker sagt immer noch konsequent "Jatz" statt Jazz.