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SC Preußen Münster
Diskussionen wegen illegaler Hausdurchsuchung

Beim Fußball-Drittligisten SC Preußen Münster wurden Büro und Wohnung des Sicherheitsbeauftragten durchsucht - illegal, wie das Landgericht Münster später feststellte. Wollte die Staatsanwaltschaft Material über Vereins-Ultras sammeln, an das sie sonst nicht herangekommen wäre?

Von Thorsten Poppe | 28.02.2016
    Eckfahne des SC Preußen Münster
    Drittligist im Fokus: Ermittlungen in der Ultraszene des SC Preußen Münster sorgen derzeit in der Fußballwelt für Aufsehen. (picture alliance / dpa / Revierfoto)
    16. Oktober 2015: Das Drittligaspiel zwischen SC Preußen Münster und Hansa Rostock. Wegen massiven Einsatzes von Pyrotechnik in der Heimkurve steht das Spiel kurz vor dem Abbruch.
    Danach nimmt die Staatsanwaltschaft Ermittlungen auf, und das entsprechende Videomaterial wird seitens der Polizei und des Sicherheitsbeauftragten des Vereins ausgewertet. Kurze Zeit später wird dessen Büro und seine private Wohnung durchsucht. Sein Computer und sein Handy werden sicher gestellt, denn es besteht laut Staatsanwaltschaft der Anfangsverdacht der Strafvereitelung. Angeblich hätte er in seiner Funktion auf den Videos Ultras erkennen müssen. Ein bisher in der Fußballwelt einmaliger Vorgang, der das Vertrauensverhältnis zwischen Polizei und dem Verein stark beeinflusst, berichtet Preußen-Geschäftsführer Carsten Gockel:
    "Das ist, denke ich, für jeden offensichtlich. Ich kann an der Stelle meinen Sicherheitsbeauftragten beistehen, und alles dafür tun, dass seine Stellung und sein Ansehen auch nach außen nicht noch mehr Schaden nehmen als nötig. Da sind Fehler gemacht geworden, leider auf dem Rücken eines Mannes, der halt jetzt in der Öffentlichkeit zum Teil diskreditiert worden ist. Das wird brauchen, um das wieder herzustellen. Das ist so und das ist auch zu kritisieren."
    Landgericht stuft Vorgehen als illegal ein
    Zwei Wochen später kassierte das Landgericht Münster den Durchsuchungsbeschluss wieder ein, und stufte dieses Vorgehen als illegal ein. In der Justiz ist ein solcher Vorgang extrem selten, und ein Schlag ins Gesicht von Staatsanwaltschaft und Polizei. Denn das Landgericht stellte fest, dass der Sicherheitsbeauftragte durchaus Ultras auf den Videos identifizierte. Und zwar alle, die den szenekundigen Polizeibeamten ebenfalls bekannt waren. Von daher könne es gar keinen Anfangsverdacht der Strafvereitelung geben. 13 Jahre hatte er dieses Amt ausgefüllt. Nun sind die persönlichen Konsequenzen enorm, obwohl das Gericht alle Vorwürfe der Staatsanwaltschaft kassierte, erklärt sein Rechtsanwalt Detlev Stroecker:
    "Der Sicherheitsbeauftragte des SC Preußen hat für sich entschieden, dass er die Tätigkeit nicht weiter ausüben kann. Hintergrund ist, dass er dafür Vertrauen braucht. Sowohl von den szenekundigen Beamten als auch von den Fans, mit denen er zusammenarbeiten muss. Durch die Maßnahme ist ein Vertrauensbruch eingetreten. Kontakte, die er zu den Fans hatte, liegen der Polizei vor und werden ausgewertet. Auf dieser Grundlage kann er die Tätigkeit nicht mehr ausüben, das liegt auf der Hand."
    Im Umkehrschluss bedeutet das: Alle auf den beschlagnahmten Geräten gefundenen Daten dürfen zwar gegen den Sicherheitsbeauftragten nicht verwendet werden. Allerdings kann die Polizei die darauf gefundenen Daten für sich auswerten, und in ihre Ermittlungen gegenüber Dritte einbeziehen. Das schließt auch die Chatverläufe in Messenger-Diensten zwischen dem Sicherheitsbeauftragten und den Preußen-Ultras mit ein. Und genau gegen die läuft wegen des Abbrennens von Pyrotechnik im Spiel gegen Hansa Rostock ein Verfahren, in dem jetzt diese Information eingesetzt werden könnten. Egal, ob sie auf zweifelhaften Wege errungen wurden oder nicht.
    Ein kalkulierter Tabubruch?
    Die Staatsanwaltschaft möchte sich mit dem Verweis auf laufende Verfahren dazu nicht äußern. Das wundert Detlev Stroecker nicht. Denn für ihn ist dieses Vorgehen ein kalkulierter Tabubruch, in dem sein Mandant einfach das Bauernopfer ist:
    "Kurz bevor diese Maßnahme gegen ihn durchgeführt wurde, gab es Differenzen zwischen der Vereinsführung und der Polizei über die Frage, wer Stadionverbote bekommen sollte und wer nicht. Im direkten Anschluss daran wurde dieser Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss von der Staatsanwaltschaft beantragt. Das Zweite, was dafür spricht, dass es eigentlich um was anderes ging, ist der Umstand, dass die Durchsuchungsmaßnahme von der Presse begleitet wurde. Das heißt, es waren Pressevertreter anwesend. Da kann man sich eigentlich dem Eindruck nicht mehr verschließen, dass es hier darum ging, an Daten zu kommen, die auf den Rechnern des Sicherheitsbeauftragten gespeichert waren, an die man auf anderen Wege nicht kommen konnte."
    Gerade wenn das Beispiel Schule machen sollte, dann werden sich die Sicherheitsbeauftragten der Vereine genau überlegen, wie sie mit wem überhaupt noch kommunizieren. Genau das aber ist der Schlüssel für ihre Arbeit, um größere Auseinandersetzungen um oder im Stadion schon im Vorfeld zu verhindern. Da die Ultras nur in ganz wenigen Ausnahmen mit der Polizei sprechen, dienen sie auch als Vermittler zwischen den beiden Parteien. Um ihre hohe Bedeutung in dieser Hinsicht weiß auch Michael Gabriel. Er kümmert sich seit Jahren um die Belange der Fan-Projekte in der bundesweiten Koordinationsstelle:
    "Es ist zu konstatieren, dass diese Ebene durch das Vorgehen der Polizei in Münster einer hohen Belastung ausgesetzt ist. Wenn nicht sogar sehr gestört ist. Das ist aber nicht die einzige Ebene, die gestört ist. In Münster ist ja auch zu beobachten, dass die Fans, die noch bereit waren mit der Polizei noch zu kommunizieren, mit der Polizei zu reden, dass die sich aus den Gesprächsebenen auch verabschiedet haben. also eine weitere ganz negative Folge, ja dieses nicht nachzuvollziehenden, polizeilichen Vorgehens!"
    Falls es nun wegen der eigentlich illegal gewonnen Informationen seitens der Polizei Ermittlungen oder gar Beweisführungen gegenüber Preußen-Ultras geben sollte, wird der Aufschrei im deutschen Fußball groß sein. Weil genau dieses Vorgehen die Gewalt heraufbeschwört, die eigentlich im Fußball mit Hilfe der vom Verein bestellten Sicherheitsbeauftragten verhindert werden soll.