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Scanner mit Durchblick

Sicherheitsforschung. - Seit dem vereitelten Bombenanschlag auf ein Flugzeug an Weihnachten werden die umstrittenen Körperscanner wieder heiß diskutiert. Die Gegenargumente sind die gleichen geblieben, doch Befürworter führen an, die Geräte hätten vermutlich den Plastiksprengstoff in der Unterhose des verhinderten Attentäters erkannt. Vermutlich ist es also nur eine Frage der Zeit, bis auch an deutschen Flughäfen Körperscanner stehen.

Von Ralf Krauter | 12.03.2010
    Daniel Düsentrieb hätte seine Freude an der Videokamera, die Forscher des Instituts für Photonische Technologien in Jena gemeinsam mit Partnern entwickelt haben. Der fahrbare Demonstrator ist brusthoch. Man sieht Schläuche, Kabel, Kessel und vorn ein teleskopartiges Objektiv mit einem großen Spiegel. Die rhythmischen Geräusche macht ein ausgebufftes Kühlsystem, das den chipförmigen Bildsensor auf 0,3 Grad über dem absoluten Nullpunkt kühlt, erklärt der Physiker Torsten May.

    "Das Ziel ist, eine Terahertz-Videokamera zu entwickeln. Sprich: Eine Sicherheitskamera, die mit Videofrequenz Bilder, Passivbilder von Menschen aufnimmt und auf die Art und Weise versteckte Objekte visualisieren soll."

    Passiv ist das entscheidende Stichwort. Heutige Körperscanner beleuchten Menschen aktiv mit elektromagnetischen Millimeterwellen. Weil diese Terahertz-Strahlung zwar die Kleidung, nicht aber die Haut durchdringt, erlaubt sie den Blick unter die Wäsche. Versteckte Messer, Pistolen oder Sprengstoffbeutel reflektieren das Terahertz-Licht anders als nackte Haut und erscheinen auf dem Monitor des Sicherheitsbeamten. Gefährlich ist dieser aktive Scan aller Wahrscheinlichkeit nach nicht. Aber Langzeitstudien zu den gesundheitlichen Folgen stehen noch aus.

    "Es bleibt immer ein Restrisiko. Diese passive Detektion, die wir jetzt hier verfolgen, die geht dem komplett aus dem Weg. Was wir hier tun, ist physikalisch gesehen eine Wärmebildkamera. Wir zeichnen das auf, was sie als Mensch durch ihre Körperwärme an Terahertz-Strahlung sowieso abstrahlen."

    Klingt einfacher als es ist. Denn Terahertz-Wellen haben eine hundertmal größere Wellenlänge als normale Wärmestrahlung.

    "Und leider bedeutet das in der Physik, dass die Energie, die wir dann zur Verfügung haben, einen Faktor 100 niedriger ist. Deswegen müssen wir uns bei unserem Sensor viel, viel mehr Mühe geben, im Vergleich zur klassischen IR-Technik."


    Deshalb die extreme Kühlung des Bildsensors, der in einem Vakuumkessel hängt. Der aktuelle Sensorchip beherbergt 20 supraleitenden Messfühler: Hauchdünne Membranen im Zentrum filigraner Strukturen. Fällt Terahertz-Licht darauf, erwärmen sie sich und ändern dabei ihren Widerstand, was sich mit ein paar Tricks ultrapräzise messen lässt. Das Objektiv mit dem großen Spiegel fokussiert das Sichtfeld des Bildsensors auf einen beheiztes Testobjekt weiter hinten im Gang. Auf dem Monitor erscheint es als rotes Rechteck vor blauem Hintergrund. Um zu zeigen, was die Technik kann, hängt sich Torsten May eine aus Blech gefräste Pistolenkontur um den Hals, versteckt sie unterm Hemd und stellt sich vor die Kamera. Das Monitorbild zeigt seine Silhouette in rot und die verborgene Pistole in blau.

    "Man sieht jetzt hier also, dass das Bild keine anatomischen Details zeigt, sondern ein Wärmebild, wie man es in der IR-Technik auch kennt. Deswegen ist der Abdruck der Pistole an der Stelle viel eindrucksvoller und viel einfacher zu erkennen. Diese Maschine ist aus unserer Sicht wesentlich unverfänglicher als alles, was jetzt diskutiert wird. Sie haben keine Gesundheitsgefährdung. Und die Bilder kann man eigentlich auch mit bösem Willen nicht als Nacktbilder bezeichnen."

    Ein neuer Sensorchip mit 50 Pixeln soll die Bildfrequenz demnächst von derzeit 5 auf 25 Schnappschüsse pro Sekunde erhöhen. Ein marktreife Kamera wäre aber auch dann sicher noch weitere zwei bis drei Jahre entfernt, schätzt Torsten May.

    "Der passive Scanner hat unter anderem auch den Vorteil, dass keine Daten gespeichert werden müssen","

    sagt die Ethik-Professorin Regina Ammicht-Quinn von der Universität Tübingen, die im Auftrag der Bundesforschungsministerin die gesellschaftlichen Implikationen der Terahertz-Scanner untersucht.

    ""Was bleibt an Bedenken, ist die Frage, die das passive Gerät mit allen anderen Geräten, die anonymisierte Bilder haben, teilt. Nämlich, dass Menschen mit verdeckten Behinderungen die Last des Sicherheitshandelns tragen. Weil sie unter Umständen schambesetzte Gegenstände mit sich tragen, bei denen das System eben Verdacht kommuniziert."

    Ein künstlicher Darmausgang oder eine Brustprothese, bliebe der Terahertz-Kamera aus Jena nämlich auch nicht verborgen.

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    Noch befindet sich die passive Terahertz-Kamera in der Erprobung.
    Noch befindet sich die passive Terahertz-Kamera in der Erprobung. (Ralf Krauter)
    Passive Terahertz-Kameras sind weniger indiskret als bisher bekannte Körperscanner.
    Passive Terahertz-Kameras sind weniger indiskret als bisher bekannte Körperscanner. (Ralf Krauter)