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Schadenfreude in grauen Zellen

Psychologie. - Vor rund zwei Jahren untersuchte eine deutsche Psychologin in Aufsehen erregenden Experimenten, wie Anteilnahme im Gehirn abgebildet wird. Jetzt legte Tania Singer nochmals nach und widmete sich der Schadenfreude.

Von Kristin Raabe |
    Bei dem Spiel geht es um Geld, genau gesagt um britische Pfund, denn gespielt wird am University College of London. Natürlich nur im Dienste der Wissenschaft. Worum es genau geht, ahnen die spielenden Versuchspersonen nicht. Das Spiel ist so angelegt, dass ein Spieler seinen Gewinn vergrößern kann, wenn er einem anderen Spieler sein Geld gibt. Das funktioniert aber nur, wenn dieser Mitspieler kooperiert. Das muss er aber nicht: Der Mitspieler kann das ihm angebotene Geld einfach behalten, ohne zu kooperieren. In diesem Fall geht der gebende Spieler völlig leer aus, und muss einen herben Verlust verkraften. Dass bei diesem Spiel die Emotionen hoch kochen, hat die Wissenschaftlerin Tania Singer eingeplant und sogar noch gefördert.

    "Wir haben Schauspieler engagiert, die sozusagen als Mitwisser agierten. Die anderen Versuchspersonen wussten aber nicht, dass das Schauspieler sind - sie dachten, das seien auch nur Leute, die einfach so kommen, wie sie selbst auch. Und sie haben dann mehrere Runden gespielt. Ein Schauspieler hat immer relativ fair gespielt, während der andere Schauspieler immer unfair spielte und egoistisch handelte. Und so haben wir ermöglicht, dass unsere Versuchspersonen über dieses Spiel den einen wirklich hassen und den anderen wirklich mögen lernten."

    Die deutsche Psychologin, die schon seit Jahren in Großbritannien forscht, wollte wissen, ob ihre Versuchspersonen den unfairen Mitspielern gegenüber genauso viel Einfühlungsvermögen zeigen wie den fairen Spielern.

    "Die Versuchsperson lag im Scanner und wir haben so die Hirnaktivität gemessen. Dabei lag die Hand der Versuchsperson auf so einem Brett und links und rechts saßen der faire und der unfaire Spieler. Auch sie haben Elektroden an ihre Hände bekommen, über die sie Schmerzreize erhielten. Auf diese Weise konnten wir die Hirnaktivität der Versuchsperson messen, wenn er sozusagen mitfühlt für den Schmerz von jemand, der vorher fair oder unfair war."

    Der Schmerz, den die Elektroden an den Händen auslösten, war höchstens so stark wie ein Bienenstich. Ob die Versuchsperson im Scanner tatsächlich den Schmerz der fairen und unfairen Mitspieler mitfühlte, verriet den Forschern ihre Hirnaktivität. Erstaunlicherweise machten Frauen da kaum einen Unterschied. Sie fühlten bei jedem den erlittenen Schmerz mit, egal ob der Betreffende sich beim vorangegangenen Spiel fair oder unfair verhalten hatte. Anders sah das allerdings bei den Männern aus.

    "Die Männer zeigten eine totale Abwesenheit dieser emphatischen Reaktion, wenn sie den unfairen Spieler Schmerzreize empfangen sahen. Anstelle dieser emphatischen Aktivierung zeigten sie eine Aktivierung im Nucleus accumbens. Nucleus accumbens ist ein Areal im Gehirn, das Belohnungsreize, Schokolade oder Kokain oder Geld, verarbeitet."
    Vereinfacht bedeutet dieses Ergebnis: Frauen zeigen selbst dann Einfühlungsvermögen, wenn man sie zuvor unfair behandelt hat und Männer neigen dagegen eher zur Schadenfreude. Dafür hat Tania Singer eine Erklärung, die durchaus Sinn machen würde.

    "Was wir sehen konnten ist, dass es vielleicht Evidenz ist, dass Schadenfreude - zu sehen, dass jemand auch bestraft wird, der vorher ungerecht gehandelt hat - vielleicht auf eine generelle Rolle von Männern in der Gesellschaft hinweisen, nämlich Normen zu verstärken, gesellschaftliche Normen zu hüten. Das kann halt sein, dass das vor allem eine männliche Domäne ist, wenn es um physische, körperliche Bestrafung geht."

    Mit anderen Worten: In anderen Bereichen könnten Frauen durchaus auch Schadenfreude zeigen. Vielleicht, wenn sie zuvor im privaten, persönlichen Bereich angegriffen wurden und die Bestrafung eher verbal erfolgt. Was letztlich bei Frauen Schadenfreude auslöst, will Tania Singer in weiteren Experimenten klären.