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"Schäbiger Versuch"

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy hat die Forderung seines CSU-Kollegen Hans-Peter Uhl nach einer Zustimmung der Sozialdemokraten zu Online-Durchsuchungen empört zurückgewiesen. Die Festnahme dreier Terrorverdächtiger habe gezeigt, "dass schon im Rahmen der bestehenden Gesetze ganz offenkundig Terrorabwehr gut funktioniert", sagte Edathy, Vorsitzender des Innenausschusses. Die Forderung Uhls sei "der schäbige Versuch, einen Erfolg der Sicherheitsbehörden parteipolitisch zu instrumentalisieren".

Moderation: Dirk Müller | 05.09.2007
    Dirk Müller: Drei Terrorverdächtige sind festgenommen worden. Sie werden in diesen Stunden von der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe verhört. Sie sollen massive Bombenanschläge, wie zu erfahren war, geplant haben, unter anderem auch auf den Frankfurter Flughafen. Darüber wollen wir nun reden mit den SPD-Politiker Sebastian Edathy, Vorsitzender im Innenausschuss des Bundestages. Guten Tag!

    Sebastian Edathy: Hallo!

    Müller: Herr Edathy, wie haben Sie davon erfahren?

    Edathy: Ich bin gestern Abend informiert worden von Staatssekretär Hanning aus dem Bundesinnenministerium und war insofern vorbereitet auf die Pressekonferenz, die gerade stattgefunden hat.

    Müller: Kann Sie so etwas noch überraschen?

    Edathy: Es ist so, dass wir auch in Deutschland nicht außerhalb des Aktionsradius von Terroristen uns befinden. Das war ein sehr konkreter, sehr massiver, sehr gravierender Vorgang, der da jetzt glücklicherweise aufgedeckt werden konnte. Überrascht kann man nicht sein. Zugleich zeigt aber der Vorgang, dass wir eine gute und auch eine gut funktionierende Sicherheitsinfrastruktur in Deutschland haben.

    Müller: Geht die Politik gegenüber der Öffentlichkeit damit redlich um?

    Edathy: Ich denke schon.

    Müller: Sie verschweigen also nichts?

    Edathy: Nein. Ich gehe davon aus, dass die Behörden das, was sie an Erkenntnissen haben, auch offenbaren. Wir hatten ja in den letzten Wochen auch Diskussionen gehabt in Deutschland über die Entwicklung der Sicherheitslage, dass wir natürlich nicht eine Insel der Seeligen sind, sondern durchaus auch ein Gefahrenraum.

    Müller: Hat die Politik genug getan?

    Edathy: Ich denke, wir sind gut aufgestellt. Wir haben die Hausaufgaben gemacht, und heute ist ein guter Tag für die Sicherheit in Deutschland. Es zeigt sich, dass unsere Sicherheitsbehörden gut aufgestellt sind, dass sie handlungsfähig sind im Rahmen der geltenden Rechtslage, dass sie dazu in der Lage sind, mit den Bedrohungen, denen wir ausgesetzt sind, vernünftig umzugehen.

    Müller: Bereitet Ihnen das Bauchschmerzen, dass Ihre Partei so viel Schwierigkeiten damit hat, ja zu sagen zur Online-Durchsuchung?

    Edathy: Nein, es bereitet mir keine Bauchschmerzen. Und meine Partei hat in den letzten Jahren mit Otto Schily als Innenminister dafür gesorgt, dass wir Konsequenzen gezogen haben aus dem 11. September 2001, dass wir die Sicherheitsgesetze weiterentwickelt haben, dass wir mehr Personal, mehr rechtliche Mittel bereitgestellt haben für die Behörden. Wir sind den Herausforderungen, denke ich, gut gewachsen. Den Eindruck zu erwecken, wie das teilweise von der Union gemacht wird, wir hätten nennenswerte Defizite im Bereich der Sicherheitspolitik, der ist einfach abwegig.

    Müller: Herr Edathy, Hans-Peter Uhl, innenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, Ihr Kollege im Bundestag, hatten wir vor wenigen Minuten hier im Deutschlandfunk im Gespräch. Wir hören ihn zu seiner Kritik an Ihrer Partei:

    "Sie müssen wissen in der SPD: Es kann sein, dass sie Schuld auf sich laden. Nicht immer haben die Ermittlungsbehörden auch das Glück, das dazu gehört, dass man durch einfache Telefonüberwachung, durch Wohnraumüberwachung und durch sonstige Maßnahmen an die Personen so unmittelbar herankommt, die dabei sind, das Wasserstoffperoxid sich zu beschaffen, zu bunkern, aufzubereiten. Nicht immer ist man so nahe dran." (Text/ MP3-Audio )

    Vor wenigen Minuten im Deutschlandfunk Hans-Peter Uhl (CSU). Die Frage an Sebastian Edathy (SPD): Ist das Panikmache oder Realismus?

    Edathy: Das ist der schäbige Versuch, einen Erfolg der Sicherheitsbehörden parteipolitisch zu instrumentalisieren, und den halte ich für problematisch. Ich denke, wir sollten uns gemeinsam darüber freuen, dass unsere Sicherheitsbehörden auf verdächtige Entwicklungen aufmerksam geworden sind, dass sie seit Monaten diese Zelle untersucht haben und beobachtet haben und dass sie zugegriffen haben rechtzeitig. Darüber sich zu freuen, denke ich, ist das Naheliegende. Das zu missbrauchen für parteipolitische Profilierung ist das Fernliegendste, und das sollte sich Herr Uhl mal hinter die Ohren schreiben.

    Müller: Parteipolitische Profilierung, ist das in diesem Kontext in dieser Auseinandersetzung, was Sie ja Herrn Uhl vorwerfen, legitim, einfach als Argument in die Debatte zu werfen, wo es ja doch um den Antiterrorkampf geht?

    Edathy: Ja sicher, aber man muss sie mit Augenmaß führen, die Diskussion. Das ist ein Stück weit etwas, was man kritisieren kann bei der Union, dass das nicht immer der Fall ist. Ich glaube übrigens, dass wir auch noch im Rahmen der geltenden Rechtslage durchaus einige Dinge durchaus verbessern können. Ich weiß von Mitarbeitern des Bundesamtes für Verfassungsschutz, dass man dort personell bei Weitem nicht ausreichend ausgestattet ist, um alle verdächtigen Personen in dem Maße observieren zu können wie das notwendig wäre. Wir wissen von den Kontrollen an den Flughäfen, dass wir dort eine nicht ausreichende Qualität haben, was das Herausfinden von dem Transport problematischer Gegenstände betrifft. Natürlich kann man Sicherheit in Deutschland und muss man Sicherheit in Deutschland permanent verbessern, aber jetzt vor dem Hintergrund der aktuellen Geschehnisse eine parteipolitische Debatte oder einen Streit vom Zaun zu brechen, das halte ich für unverantwortlich.

    Müller: Also mehr Sicherheit kostet Geld, sagen Sie. Haben Sie darüber schon mit dem Finanzminister geredet?

    Edathy: Wir haben Herrn Schäuble über 100 Millionen Euro zur Verfügung gestellt für die laufenden Haushaltsjahre 2007 bis 2009, und sicherlich wird jetzt auch bei der Beratung über den Haushalt des Jahres 2008 noch mal darüber gesprochen werden müssen, ob es eine bessere Ausstattung geben kann für die Sicherheitsbehörden in Deutschland. Das ist eine selbstverständliche Diskussion, die jetzt zu führen ist. Die sollte man aber mit einem kühlen Kopf führen und nicht mit Hysterie.

    Müller: Aber das können wir hier schon mal festhalten auch nach außen hin, dass es zu wenig Personal bei den deutschen Sicherheitsbehörden gibt?

    Edathy: Es ist auf jeden Fall verbesserungsfähig. Natürlich braucht man auch eine gewisse Zahl von Jahren, um entsprechende Qualifikationsmaßnahmen durchzuführen, die Leute dann auch arbeitsfähig zu haben. Aber nach dem, was ich weiß, ist es so, dass teilweise entschieden werden muss, welche Verdächtigen man beobachtet und welche nicht, weil es einen Mangel gibt an Personal. Das zu beheben, wäre eine der Hausaufgaben, um die sich auch der Bundesinnenminister kümmern sollte. Da braucht man keine neuen Gesetze für.

    Müller: Aber demnach hätten wir auf jeden Fall immer noch Sicherheitslücken?

    Edathy: Ja. Es ist so, dass wir eine neuere Entwicklung haben, der wir Rechnung tragen müssen.

    Müller: Und diese Entwicklung bezieht sich auch, weil wir wieder auf die Online-Durchsuchung zurückkommen wollen, auf den technologischen Vorsprung, der offenbar systemimmanent bei den Gegnern ist?

    Edathy: Ja, aber es ist so: Wir haben gegenwärtig eine Diskussion über die Frage, soll eine Online-Durchsuchung ermöglicht werden? Das ist ein sehr weitgehender Eingriff auch in die Privatsphäre. Die Frage stellt sich. wie sind die technischen Fragen zu beantworten, wie sind die rechtlichen Fragen zu beantworten? Gegenwärtig wird in Karlsruhe verhandelt über eine Klage gegen ein entsprechendes Gesetz aus Nordrhein-Westfalen. Also diese Frage der eventuellen Einführung einer Online-Durchsuchung ist noch nicht entscheidungsreif, und was wir nicht brauchen im Bereich der Diskussion bei innerer Sicherheit, sind Schnellschüsse und Aktionismus, sondern wir brauchen da besonnene Entscheidungen. Dazu sollte man auch vor dem Hintergrund des aktuellen Falles dringend raten, ein Fall übrigens, der darauf hinweist, dass schon im Rahmen der bestehenden Gesetze ganz offenkundig Terrorabwehr gut funktioniert.

    Müller: Die Union kann sich aber demnach darauf einstellen, dass es bei der Online-Durchsuchung kein Ja, keine Zustimmung der SPD geben wird?

    Edathy: Wir haben ganz klar gesagt: wir wollen abwarten, was Karlsruhe entscheidet. Wir verhandeln in der Zwischenzeit weiter, was wir dann möglicherweise als Konsequenzen ziehen aus einem Urteil aus Karlsruhe. Aber wie gesagt: Das Thema Online-Durchsuchung, der Einführung derselben ist noch nicht entscheidungsreif.

    Müller: Sebastian Edathy war das, Vorsitzender im Innenausschuss des Bundestages (SPD). Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Edathy: Gerne. Auf Wiederhören.