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Schädel-Hirn-Trauma

Etwa 300.000 Menschen erleiden in Deutschland jedes Jahr Schädel-Hirn-Verletzungen. Die Hälfte von ihnen ist jünger als 25 Jahre - rund 45.000 Kinder unter fünf Jahren sind darunter. So das Ergebnis der ersten repräsentativen Studie zu Häufigkeit, Ursachen und Krankheitsverläufen von Schädel-Hirn-Verletzungen. Darin aufgezeigt wird auch, wie sich solche Verletzungen vermeiden lassen und wo Therapien verbesserungswürdig sind.

Von William Vorsatz |
    Fünfzig Akutkliniken und Rehabilitationseinrichtungen aus den Gegenden Hannover und Münster haben dem Zentrum für Qualität und Management im Gesundheitswesen in Hannover zugearbeitet. Herausgekommen ist eine 250 Seiten umfassende Studie zu Schädel-Hirn-Verletzungen. Die Ergebnisse lassen sich auf ganz Deutschland übertragen, betont Professor Wolfgang Bock von der Universitätsklinik Düsseldorf:

    "Die Studie hat gezeigt, dass dieses Konzept in der deutschen Unfallversorgung gut greift, und im internationalen Vergleich recht gut da steht. Was verbessert werden muss, ist Aufklärung. Was verbessert werden muss, ist gegenüber Kindern und Jugendlichen viel mehr Rücksicht zu nehmen, weil das die Gruppen sind, die am stärksten betroffen sind. "

    In der Tat: Ein Drittel aller Schädelhirnverletzungen betreffen Kinder und Jungendliche unter 16 Jahren. Besonders gefährdet sind ganz kleine Kinder. Weil ihr Kopf im Vergleich zum gesamten Körper sehr schwer ist und dadurch häufiger und stärker aufschlägt. Als Radfahrer im Straßenverkehr riskieren sie besonders viel:

    "Diese Gruppe ist am stärksten betroffen neben den Fußgängern, und deshalb auch unsere Forderung, der Helm sollte nicht nur getragen werden, es sollte eigentlich aus unserer Sicht Pflicht werden. Das Fahrrad ist genauso schnell wie ein Mofa, das vergessen die meisten Menschen, und beim Mofa ist es selbstverständlich. "

    Am häufigsten werden Schädel und Hirn allerdings nicht durch Verkehrsunfälle, sondern bei Stürzen verletzt. Meist in der Freizeit bei Spiel und Sport. Die Forschen haben nachgefragt, warum sich dort so viele Kinder verletzten. Sie vermuten, dass es auch an dem Bewegungsmangel liegt, unter dem heute viele Kinder leiden. Ihre Körper sind kaum noch motorisch trainiert. Dadurch reagieren sie in gefährlichen Situationen ungeschickt und stürzen häufiger. Neben dem Bewegungstraining sollte auch die Erste Hilfe vor Ort geübt werden, fordert Paul Wenzlaff vom Zentrum für Qualität und Management im Gesundheitswesen Hannover:

    "Die Amerikaner haben Schulungsprogramme, wo sie sagen, kleine Kinder müssen im Sportverein darauf hingewiesen werden, der Lehrer weiß, wenn’s einen Unfall gibt, wie er sich zu verhalten hat, da ist sicherlich auch langfristig was zu machen. "

    Handlungsbedarf sehen die Autoren der Studie aber auch bei den Ärzten selbst. Es gibt Leitlinien, nach denen die Mediziner bei Anzeichen auf ein Schädelhirntrauma handeln sollten. Aber vier von zehn Ärzten halten sich nicht daran.

    Außerdem wird zu oft geröntgt, wo eigentlich einen Computertomographie sinnvoll wäre. Denn mit einen Röntgenbild lässt sich zwar der Schädelknochen gut abbilden, aber nicht das darunter liegende Gehirn. Dort sind Verletzungen aber weitaus gefährlicher und nur mit der Computertomographie zweifelsfrei festzustellen.
    Es gibt schon bei leichter scheinenden Verletzungen Warnzeichen, die sowohl Betroffene als auch Ärzte ernst nehmen müssen, warnt Wenzlaff:

    " Schädelhirntrauma ist eine Verletzung von Kopf und Gehirn, bei dem es zumindest kurzfristig zu einer neurologischen Schädigung kommt, sprich im einfachsten Fall eine Benommenheit, vielleicht eine Übelkeit, Kopfschmerzen, oder diese kurzfristige Amnesie. Dass man sich nicht erinnern kann, was da eigentlich passiert ist."

    Wer sich nach einem Unfall im Kopfbereich schlecht orientieren kann, sollte ebenfalls ärztliche Hilfe suchen. Neben Prophylaxe und Aufklärung muss aber auch die Rehabilitation verbessert werden, betont der Neurochirurg Professor Klaus von Wild aus Münster:

    "Das dramatische an den ganzen Ergebnissen ist, dass wie feststellen mussten, dass die Ärzte offenbar immer noch nicht verstanden haben, dass Patienten mit einer so genannten auch leichten Hirnverletzung ärztliche Hilfe brauchen und nicht nur ärztliche Hilfe, sondern auch die Hilfe von Psychologen, die herausfinden, welche Hirnleistungsstörungen vorliegen, damit die Patienten wieder im Leben zurechtkommen. "

    Nicht einmal fünf von hundert Patienten erhalten eine Rehabilitation. Denn die ist zunächst recht teuer. Aber Länder wie Schweden oder Dänemark zeigen, dass durch solche ambulanten Maßnahmen ein hoher Anteil auch schwer Geschädigter wieder in den Beruf zurückkehren kann. Je früher die Rehabilitation beginnt, desto größer der Erfolg. In Deutschland wurden solche Hilfen in den letzten Jahren jedoch gekürzt. Hier fordert die Studie ein Umdenken.