Freitag, 29. März 2024

Archiv

Schädlingsbekämpfung
In der Kirche ist der Wurm drin

Der gemeine Nagekäfer, im Volksmund meist Holzwurm genannt, macht auch vor Kirchen nicht halt. Wenn aus Glockenturm, Altar oder Kruzifix die Späne rieseln, dann rücken Marco Müller und seine Kollegen aus Dresden an - und hüllen die Kirche ein.

Von Bastian Brandau | 25.08.2017
    Schädlingsbekämpfung an einer Kirche.
    Außen weiß, innen Wurm: die Kapelle St. Anna in Fleck bei Lenggries in Bayern (Marco Müller / Groli Schädlingsbekämpfung GmbH )
    In Wilsdruff bei Dresden hat Groli Schädlingsbekämpfung seinen Sitz. Marco Müller steht im Lager und zeigt das Arbeitsmaterial der Firma.
    "Wir haben, um eine Kirche einzupacken, unterschiedliche Folien. Das richtet sich ganz nach dem Objekt. In der Regel sind die aber 10 Meter breit und 25 Meter lang."
    "Die Christos von Dresden"
    Es sind diese weißen Folien, die Geschäftsführer Müller und seinen Kollegen den Spitznamen "die Christos von Dresden" eingebracht haben. Ist an einer Kirche nur der Altar von Würmern befallen, wird nur der eingepackt. Haben die Schädlinge sich aber im Dachstuhl oder gar im Kirchturm eingenistet, hüllen die Insektenjäger das komplette Gebäude in Folien ein. Luftdicht, um dann Sulfuryldifluorid einzuleiten. Das in den USA hergestellte Gas zur Insektenvernichtung wird an diesem Morgen angeliefert.
    "Der gesamte Container ist voll, und der wird jetzt gerade abgeladen."
    "Wie lange hält das bei Ihnen dann?"
    "Kommt auf die Auftragslage an, aber dieses Jahr werden wir hinkommen."
    In seinem Büro im ersten Stock zeigt Müller das Luftbild einer Dorfkirche im westlichen Brandenburg. Die weiß eingekleidete Kirche zwischen grünen Wiesen und roten Backsteinhäusern erinnert tatsächlich stark an die Werke des Verpackungskünstlers Christo.
    "In Kerzlin war es eine ganz normale Brandenburger Dorfkirche. Aufgrund der Befallssituation, die sich auch im Dachstuhl dargestellt hat, musste die ganze Kirche behandelt werden. Auch der Turm war bis unter die Ebene des Glockenstuhls befallen. Hier war es für uns einfacher, die ganze Kirche 'einzuhausen' als über sonstige Maßnahmen nachzudenken."
    "Es ist immer etwas Besonderes"
    Andere Fotos zeigen weiß eingehüllte Kirchtürme, Dächer, Altare oder Kirchenbänke. Drei Tage bleibt das Gas in der Kirche, dann sind die Insekten tot - auch Eier und Larven. Mit Auf- und Abbau sind Müller und Kollegen rund eine Woche vor Ort. An Kirchen in ganz Deutschland, der Schweiz und in Österreich. Eine ganz normale Schädlingsbekämpfungsfirma sei man. Aber schon zu DDR-Zeiten haben sich die Gründer auf Kirchen spezialisiert, dies nach der Wende als Geschäftsidee weiterentwickelt. Heute ist Groli mit seinen knapp 20 Mitarbeitern eines von nur drei Unternehmen in Deutschland, das Kirchen von Holzwurm und Co befreit.
    "Wenn man eine Kirche zum Anfang betritt, lässt man das auf sich wirken. Und es ist immer etwas Besonderes. Bei all unseren Arbeiten achten wir darauf, dass wir auch das Objekt nicht unnütz beschädigen. Wobei das vielleicht ein falscher Ausdruck ist, sondern wir müssen manchmal Lattungen anbringen, wir müssen Löcher bohren. Und das versuchen wir im Einklang mit dem Objekt und mit dem Auftraggeber so gut wie möglich zu machen, dass man das hinterher auch nicht mehr sieht."
    "Der Anteil des Holzes ist sehr unterschiedlich"
    Neben Wirkung und sakralem Charakter sei die Individualität jeder Kirche für ihn das Besondere. Bauordnungen habe es früher eben nicht gegeben, meint Marco Müller.
    "Das Besondere der Kirchen ist, wie die auch damals gebaut wurden. Man sieht in einigen Bereichen: Da wurden dann Feldsteine aufeinander geschichtet, und im Laufe der Zeit wurden die Bereiche der Kirche immer erweitert. Der Anteil des Holzes ist sehr, sehr unterschiedlich. Das muss man ganz klar sagen. Es gibt Bereiche, da habe ich den klassischen Holzturm, in anderen Bereichen ist dann der Steinturm - sei es Bruchstein, oder da gab es ja auch die Zeiten, wo vor allen Dingen gemauert wurde, also mit Backsteinen. Das ist ganz, ganz unterschiedlich."
    Marco Müller, Geschäftsführer der Groli Schädlingsbekämpfung vor einem Firmenfahrzeug (Bild: Deutschlandradio / Bastian Brandau)
    "Öfter in der Kirche als die meisten Menschen" - Marco Müller von der Frima Groli aus Dresden (Deutschlandradio / Bastian Brandau)
    Schädlinge machten keinen Unterschied zwischen Protestanten und Katholiken, sagt Marco Müller mit einem Lachen. Aber natürlich gebe es in einer prunkvoll verzierten katholischen Kirche mehr Holz als in einer nüchternen protestantischen Steinkirche etwa. Die verschiedenen Bauweisen der Kirchen in den unterschiedlichen Regionen haben durchaus Auswirkungen auf die Arbeit der Schädlingsbekämpfer. Etwa im katholisch geprägten Bayern:
    "Aufgrund auch der Ausstattung und aufgrund der vorhandenen Kulturgegenstände - die Farben, die Goldfassungen und so weiter - gibt es dort teilweise größere Vorbehalte, die im Vorfeld zu klären sind, mit dem Auftraggeber."
    "Wenn wir eine Kirche unter Gas haben ..."
    Die Landeskirchen übernehmen meist einen Großteil der Finanzierung. Üblich sei aber auch, dass die Gemeinden einen Teil selbst durch Spenden finanzieren müssen:
    "In der Regel ist das so, dass sie 25 Prozent der Maßnahme selber tragen müssen. Und das dauert. Also zwischen der Phase 'Angebot' und 'Ausführung' können schon mal drei bis fünf Jahre vergehen. In Extremfällen, hatten wir auch schon, waren es zehn Jahre."
    Neben Sicherheitsauflagen und Genehmigungen gilt es dann während der Behandlung ganz praktische Dinge zu regeln: Wer gießt die Blumen, wenn der Friedhof in der Sicherheitszone um die Kirche liegt? Und was ist mit der, in einigen Regionen verbreiteten, Tradition des Ausläutens, wenn ein Gemeindemitglied verstorben ist?
    "Wenn wir eine Kirche unter Gas haben, ist das so einfach nicht möglich. Da muss im Vorfeld geklärt werden, wie im Falle eines Falles zu verfahren ist. Es muss auch geklärt werden, wo finden eventuell Trauergottesdienste statt. Auch das ist manchmal sehr interessant, dem jeweiligen Pfarrer zu erklären, dass er seine Kirche dann nicht nutzen kann."
    "Wir machen Geschichte haltbar"
    Der Kontakt mit den Menschen in den Gemeinden sei das besondere an seiner Arbeit, findet Unternehmer Marco Müller. Deren Einsatz werde seiner Meinung nach oft nicht ausreichend gewürdigt:
    "Es gibt sehr, sehr viele ältere Personen, die auf Dachböden rumkriechen und auch teilweise abenteuerliche Konstruktionen bauen, um an Balken heranzukommen, zu streichen und sonstige Sachen zu machen. Da muss ich manchmal vor Respekt schon den Hut ziehen."
    Bleibt die Gretchenfrage an Marco Müller und seine Schädlingsbekämpfer, die im weitgehend konfessionslosen Sachsen leben: Wie halten Sie es mit der Religion?
    "Wir geben immer die salomonische Antwort: Wissen Sie, wir machen Geschichte länger haltbar. Und wir sind öfter in der Kirche als manche, die nur zu Weihnachten da sind."