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Schädlingsdezimierung
Höhere Ernteerträge durch Wildkraut-Säume

Unsere Agrarlandschaften bestehen oft aus großen, eintönigen Feldern. Selten sieht man Hecken oder Säume mit wilden Pflanzen. Wo es sie aber gibt, ist die Artenvielfalt höher und die Feldfauna zumindest etwas reicher. Nützlicher Nebeneffekt: Wildkräuter am Feldesrand helfen auch, Getreideschädlinge einzudämmen und Ernteerträge zu erhöhen.

Von Volker Mrasek | 05.11.2015
    Kartoffelanbau auf dem 200 Quadratmeter großen "Weltacker" der Aktivisten der "Zukunftsstiftung Landwirtschaft"
    Durch Wildkräuter am Ackerrand könnte der Ernteertrag gesteigert werden, so die Studie. (Sven Kästner)
    Nett anzuschauen ist es, das Getreidehähnchen. Wenn auch kein Vogel, wie der Name vermuten lässt ...
    "Relativ schöne blauschillernde Käfer mit einem roten Hals."
    Weniger schön ist, was die Tiere anstellen. Die Weibchen legen ihre Eier gerne auf den Blättern von Hafer und Weizen ab. Die Larven laben sich dann an den Pflanzen:
    "Das Wachstum und die Körperproduktion kann dadurch eingeschränkt sein. Das kann sich schlussendlich dann negativ auf den Ertrag auswirken."
    Am Beispiel des Getreidehähnchens kann der Schweizer Biologe Matthias Tschumi jetzt zeigen: Wenn man am Rand von Getreidefeldern sogenannte Blühstreifen mit Wildpflanzen anlegt und dadurch nützliche Insekten anlockt, geht nicht nur der Schädlingsbefall auf dem Acker zurück - auch die Erträge steigen.
    Das ergaben Freilandversuche mit Winterweizen. Tschumi führte sie im Rahmen seiner Doktorarbeit durch. Am staatlichen Agrar- und Umweltforschungsinstitut Agroscope.
    "Es ist so ein bisschen wie ein Durchbruch in dem Bereich dieser Nützlingsförderung durch Blühstreifen, wo jetzt eben erstmals so deutliche Effekte gefunden wurden."
    Buntbrachen sind nicht neu
    Martin Entling, Professor am Institut für Umweltwissenschaften der Universität Koblenz-Landau. Er hat Tschumis Arbeit mitbetreut.
    Ackerrandstreifen oder Buntbrachen, wie man sie in der Schweiz nennt, sind keineswegs neu. Sie sollen die Artenvielfalt in der Agrarlandschaft fördern. Oder Insekten, die Ackerpflanzen bestäuben. Doch ob der Wildwuchs am Feldrand nicht auch zur biologischen Schädlingskontrolle taugt - das, sagt Matthias Tschumi, sei noch nicht gründlich untersucht worden.
    Die Zahlen, die er jetzt vorlegt, lassen aufhorchen. Die Bestände der Getreidehähnchen wurden im Schnitt um die Hälfte reduziert, und das auch noch zehn, 20 Meter von den Wildkräuter-Streifen entfernt:
    "Und was da ziemlich bedeutend ist, ist, dass wenn man eben von Schadschwellen ausgeht, ab welchen eine Spritzung von Insektiziden sinnvoll wird - dass sich zum Teil die Getreidehähnchen-Dichten von über der Schadschwelle zu unter der Schadschwelle bewegt haben, das heißt, dass man mit solchen Blühstreifen eben wahrscheinlich den Insektizid-Input zum Teil reduzieren könnte."
    Blattläuse in Kartoffelkulturen
    Mehr noch: Tschumi stellte auch fest, dass die Weizenerträge in der Nähe der Buntbrachen erhöht sind, und zwar um bis zu zehn Prozent ...
    "Und wir haben auch eine Studie gemacht zu Blattläusen in Kartoffelkulturen. Da haben wir tatsächlich auch sehr starke Reduktionen von Blattlausdichten gefunden in der Nähe von solchen / Blühstreifen."
    Bei den Getreidenützlingen sah es genau umgekehrt aus. Dazu gehören etwa Marien- und Laufkäfer, Flor- und Schwebfliegenlarven sowie Raubwanzen. Ihre Bestände vervierfachten sich durch die Wildkräuter-Säume zum Teil.
    Sehr zurückhaltend antwortet Matthias Tschumi allerdings auf die Frage, ob seine Ergebnisse übertragbar seien - zum Beispiel auf deutsche Agrarregionen mit Feldern, die manchmal bis zum Horizont reichen. In der Schweiz sind viele Äcker nur 50 oder hundert Meter breit ...
    "Also, wir können bis jetzt nur Aussagen machen, wie sich das zehn, 20 Meter weit auswirkt. Wie weit diese Effekte dann gehen, wissen wir nicht. Aber man könnte sich vorstellen, dass dann alle 50 Meter ein solcher Blühstreifen gesät wird, damit man dann auf einem ganzen Feld diese Schädlingskontrolle optimieren könnte."
    Saat-Mischungen in der Praxis erprobt
    Wenn die Wildblumenstreifen tatsächlich die Erträge steigern, dann müssten Landwirte auch keine Verluste befürchten, wenn sie welche anlegen. Doch das muss alles noch genauer untersucht werden.
    In der Schweiz werden inzwischen auch Saat-Mischungen in der Praxis erprobt, die speziell auf Nützlinge zugeschnitten sind und deren bevorzugte Pollen- und Nektarquellen enthalten. Das könnte helfen, Getreideschädlinge noch besser zu kontrollieren und zusätzlich Insektizide einzusparen.
    Der Landauer Umweltwissenschaftler Martin Entling hält den Blick über die Schweizer Grenze auf jeden Fall für ratsam:
    "Es gibt ja viele innovative Landwirte, die so 'was gerne ausprobieren. Und ich würde ihnen empfehlen, sich an den Sachen zu orientieren. Das ist, denke ich, das Vielversprechendste, was wir im Moment machen können."