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"Schädlingsresistenz ist ein Problem"

Susan Haffmanns vom Pestizid-Aktionsnetzwerk Germany glaubt nicht, dass durch die neue EU-Zulassungsverordnung weniger Pestizide gespritzt werden. Sie hofft aber, dass Landwirte gegen Schädlinge vorbeugende Maßnahmen statt Pflanzenschutzmittel einsetzen.

Susan Haffmans im Gespräch mit Theo Geers | 14.06.2011
    Theo Geers: Fragt man Verbraucher, dann wollen die meisten am liebsten ungespritzte Lebensmittel essen, auch wenn immer noch über 95 Prozent unserer Lebensmittel aus konventioneller Landwirtschaft stammen, in der nun mal gespritzt wird, wie der Landwirt salopp sagt. So gesehen ist der heutige 14. Juni 2011 ein wichtiger Stichtag, denn seit heute gilt eine neue Zulassungsverordnung für Pestizide. Selbst die Pflanzenschutz-Hersteller sprechen dabei von einer neuen Zeitrechnung, die heute beginnt. Sie sprechen aber auch von einem holprigen Start in diese neue Zeitrechnung. Verbraucher können dagegen mit der Vorstellung viel Positives abgewinnen, dass die Hürden für Pflanzenschutzmittel künftig höher hängen, und genau darüber möchte ich jetzt mit Susan Haffmans sprechen von PAN Germany, dem Pestizid-Aktionsnetzwerk Deutschland, einer internationalen Organisation, die nach Alternativen zum Spritzen auf unseren Feldern sucht. Frau Haffmans, fangen wir gleich an. Ist denn der 14. Juni jetzt für Konsumenten und die Umwelt ein guter Tag?

    Susan Haffmans: Guten Tag, Herr Geers. - Ja, der Tag ist auf jeden Fall ein guter Tag für die Konsumenten und die Umwelt. Ab heute gelten, wie Sie gesagt haben, EU-weit neue Zulassungsregelungen für Pestizide, und das Neue daran ist, dass Stoffe, die für sich genommen ausgesprochen gefährlich sind, zukünftig wegfallen werden. Das heißt, sie werden nicht mehr vermarktet, sie werden nicht mehr ausgebracht. Das betrifft zum Beispiel Krebs erregende Wirkstoffe, oder auch Wirkstoffe, die sich auf das Hormonsystem auswirken. Das ist ganz besonders positiv zu beurteilen, weil ja gerade hormonelle Stoffe bei Kindern gefährlich sind, die wirken sich negativ auf die Entwicklung ihrer Organe, auf die Entwicklung ihres Gehirns aus, und da können wir doch sagen, gut, wenn die zukünftig nicht mehr zugelassen sind.

    Geers: Wird denn jetzt weniger gespritzt, Frau Haffmans?

    Haffmans: Die Zulassungsverordnung an sich wird jetzt nicht dazu führen, dass weniger gespritzt wird. Es kann aber sein, dass sich im Rahmen einer anderen Regelung, die jetzt auch bis Ende des Jahres umgesetzt sein muss und die sich mit der Anwendung von Pestiziden befasst, dort vielleicht eine Reduzierung einstellen wird, wobei es da um die Reduzierung der Risiken geht und auch um die Reduzierung der Abhängigkeit vom chemischen Pflanzenschutz.

    Geers: Sie haben ja gerade schon Beispiele genannt, in welche Richtung das geht, was seit heute in Kraft ist. Das heißt, es geht um krebserregende Pestizide beispielsweise. Aber noch mal nachgefragt, Frau Haffmans: Die Hersteller sagen ja, dass den Landwirten künftig weniger Mittel zur Verfügung stehen. Das heißt, die Landwirte haben weniger Instrumente in ihrem Instrumentenkasten, um es mal so auszudrücken. Welche Mittel fallen denn jetzt konkret weg?

    Haffmans: In ihrem chemischen Instrumentenkasten werden sie zukünftig ein paar Wirkstoffe dann vermissen. Wir haben hier aber über 250 Wirkstoffe, die derzeit in Deutschland zugelassen sind, in einer großen Anzahl von Produkten, und das Bundeslandwirtschaftsministerium hat über den Daumen abgeschätzt, dass dort ungefähr 20 bis 25 Wirkstoffe wegfallen werden. Das heißt, es handelt sich jetzt nicht um eine unüberschaubare Menge an Wirkstoffen.

    Geers: Nun sagen die Hersteller aber auch, Frau Haffmans, weniger Auswahl bei Pestiziden birgt Risiken. Es werde zum Beispiel schwieriger, weil es dann zu Resistenzbildungen bei Schädlingen kommen könne. Ist das so? Muss man das ernst nehmen?

    Haffmans: Grundsätzlich ist das Resistenzproblem ein Problem, das muss man ernst nehmen. Um das mal zu erklären, was das denn heißt: Das heißt, wenn man ein chemisches Mittel spritzt und noch mal spritzt und noch mal spritzt, dann gewöhnt sich der Schädling daran und irgendwann stirbt er halt nicht mehr unter diesem Mittel, sondern er kann Resistenzen bilden. Das heißt, der Landwirt wechselt das Mittel, um dem vorzubeugen. Die Frage ist aber jetzt, wie begegnet man dem Problem. Man kann ja anstelle von anderen chemischen Mitteln auch vorab was verändern, man kann vorbeugend arbeiten. Ich gebe Ihnen ein einfaches Bild als Beispiel: Pilze lieben es warm und feucht und Getreide wird von Pilzen befallen. Wenn sie jetzt die Aussaat etwas dünner machen, der Wind besser durchs Feld gehen kann, das besser abtrocknen kann, dann haben sie ja auch schon eine Möglichkeit gefunden, wie sie Pilzentwicklungen vorbeugen können.

    Geers: Das heißt, das wäre dann eine Alternative zur bisherigen Praxis beim Ausbringen von Pestiziden?

    Haffmans: Unbedingt, und das ist auch gerade etwas, was die neue EU-Pestizidgesetzgebung ja fördern möchte. Das ist genau der Grund, dass wir halt Probleme haben, dass wir mittlerweile Pestizide im Grundwasser finden, dass wir immer wieder Nahrungsmittel mit Pestiziden belastet haben, dass besondere Berufsgruppen wie Landwirte und Anrainer besonders stark betroffen sind, dass wir genau die Risiken minimieren wollen, und das betrifft auch eine Förderung von Alternativen, von nichtchemischen Alternativen.

    Geers: Danke schön! - Das war Susan Haffmans vom PAN Germany, dem Pestizid-Aktionsnetzwerk, zum heutigen Stichtag, 14. Juni 2011. Ab heute dürfen bestimmte Pestizide nicht mehr verwendet werden.

    Haffmans: Danke auch.