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Schändlich, beleidigend, ignorant!

Der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi ist bekannt für seine schlechten Witze. Oft genug versucht er sich damit aus der Affaire zu ziehen, wenn es politisch für ihn eng wird. Diesmal aber ist er in den Augen viele zu weit gegangen: Seine Witze über Holocaustopfer und Hitler finden die Juden in Rom ganz und gar nicht lustig.

Von Tillman Kleinjung |
    Die jüdische Gemeinde Roms hat eine große Geschichte und tagtäglich kommen Tausende von Touristen und suchen nach deren Spuren, in der prächtigen Synagoge am Tiberufer, in dem ehemaligen Getto direkt hinter der Synagoge.

    Hier ist immer noch der Lebensmittelpunkt dieser kleinen jüdischen Gemeinde, es gibt ein paar koschere Restaurants und Geschäfte, eine jüdische Buchhandlung, zwei Schulen. Vor der Schule eine heftige Diskussion zwischen ein paar Männern

    "In Deutschland wird man doch für so etwas bestraft", sagt Gabriele, und was er meint, wird schnell klar: die Witze von Silvio Berlusconi.

    "Das sind schlimme Witze", sagt er, "aber das ist das Klima, in dem wir hier leben." Ein Klima, in dem man als Ministerpräsident ungestraft einen Witz über Holocaustopfer machen darf. Einen Witz, über eine jüdische Familie, die einen anderen Juden gegen Geld versteckt, ohne ihm zu sagen, dass der Krieg längst beendet ist. Berlusconi erzählt das am Vorabend seines Geburtstags, wenige Tage später kann es alle Welt auf der Homepage einer Tageszeitung nachhören. Gabriele kann darüber nicht lachen.

    "Als Kind, als Enkel von deportierten Juden, von Opfern des Krieges, verletzt mich das sehr."

    Am 16. Oktober 1943 haben deutsche Soldaten das römische Getto geräumt. Die letzten Bewohner wurden in Viehwaggons verfrachtet und nach Auschwitz gebracht. Nur 17 haben überlebt.

    Fiorentino ist 1942 geboren und hat überlebt. Wie, das will er nicht erzählen. Aus seinem Ärger über Silvio Berlusconi aber macht er kein Geheimnis.

    "Das ist eine ganz jämmerliche Sache, für einen Juden beleidigend. Das spiegelt das Klima in Italien wieder, ein Klima des Revisionismus, in dem Exfaschisten und Faschisten höchste Ämter bekleiden, und in den Reihen von Berlusconis Partei gibt es Leute, die erklärtermaßen Faschisten sind."

    Zum Beispiel Senator Giuseppe Ciarrapico. Der hat in einer Debatte Parlamentspräsident Gianfranco Fini vorgeworfen, dass er sich in der Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem die Kippa, die jüdische Kopfbedeckung, aufgesetzt hatte. Berlusconi distanzierte sich (mehr schlecht als recht). Er sei immer ein Freund Israels gewesen. Und tatsächlich: Kaum jemand in Italien unterstellt Silvio Berlusconi Antisemitismus, auch nicht in der jüdischen Gemeinde in Rom:

    "Berlusconi war nie Antisemit, er war immer ein Freund Israels und der Juden."

    Berlusconi - ein Freund der Juden. Und warum dann immer wieder geschmacklose Witze über Hitler oder den Holocaust? Die einen vermuten hinter dem bewussten Tabubruch politisches Kalkül. Er will der ultrarechten Lega Nord das Wasser abgraben. Andere sprechen schlicht von Ignoranz. Signor Gabriele zum Beispiel, der 1943 als junger Mann das Getto verlassen musste:

    "Ich spreche nicht über Berlusconi, ich spreche über alle Ignoranten, meine Frau sagt immer, Dummheit bemerkt man nicht, wenn er leise ist, nur wenn er spricht, dann merkt man's."