Der Jüdische Kulturbund diente im Hitler-Deutschland als Abstellgleis für jüdische Musiker und Komponisten vor der Deportation. Unter dem fragilen Dach der Institution konnten jüdische Verlage Schallplatten mit klassischer und kantoraler Musik produzieren. Doch Schellack-Platten sind zerbrechlich.
60 Jahre nach der Vernichtung der europäischen Juden und ihrer Aufnahmen stolperte der Jazz-Historiker Rainer E. Lotz über eine Notiz in der Berliner Akademie der Künste: Es war ein Hinweis auf die Platten jüdischer Verlage zwischen 1933 und 1938. In den folgenden Jahrzehnten konnte der Sammler mehr als 14 Stunden historischer Aufnahmen bergen – weltweit war er fündig geworden. Eine akribisch kommentierte und zugleich voluminöse CD-Anthologie des Labels "Bear Family Records" entstand auf Grundlage dieser Entdeckungen.
Die einstigen jüdischen Schelllack-Labels "Semer", "Achva", "Bema" und "Lukraphon" wiesen eine Bandbreite auf von Klassik mit Joseph Schmidt und Mitgliedern der Staatsoper Berlin, kantoralen Gesängen mit Israel Bakon und Boas Bischofswerder bis zu Couplets mit Willy Rosen und Dora Gerson, die ihren Besitzern später peinlich gewesen sind.
Darüber hinaus gründete Alan Bern, Gründer und Künstlerischer Leiter des Yiddish Summer Weimar, ein eigenes Ensemble, das "Semer Ensemble". Es spielt selbst die Kompositionen von einst und revitalisiert den verlorenen Schatz einmal mehr. Unser Autor erzählt die Schellack-Geschichte von ihren Anfängen bis in die Gegenwart.