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Schätze unterm Dach

Scipione Borghese war ein großer Kunstsammler. Für seine Kollektion ließ der Kirchenfürst in Rom die Villa Borghese errichten, die vielen als das schönste Museum der italienischen Hauptstadt gilt. Leider nicht als das größte, weswegen große Bestände jahrzehntelang im Depot lagern mussten. Diese Kunstschätze werden nun zum ersten Mal gezeigt.

Von Thomas Migge | 09.12.2005
    Scipione Borghese war alles andere als ein zimperlicher Mann. Der 1576 geborene Neffe von Papst Paul V. war zwar Kardinal der römischen Kirche, doch das hielt ihn nicht davon ab, sein Leben in vollen Zügen zu genießen. Sein besonderes Interesse gehörte der Kunst. Wehe jenen, die sich seiner Sammelleidenschaft in den Weg stellten: Scipione ließ die Grablegung von Raffael kurzerhand aus Perugia stehlen, weil die Familie Baglioni ihm das Bild nicht verkaufen wollte, und den Maler Domenichino ließ er solange ins Gefängnis sperren bis dieser ihm das Gemälde "Jagd der Diana" überließ.

    Für seine Kunstschätze ließ der Kirchenfürst die Villa Borghese errichten, das vielleicht schönste Museum Roms. Auf zwei Stockwerken sind einige der wichtigsten Hauptwerke von Bildhauer Gian Lorenzo Bernini und Malern wie Botticelli, Raffael und Caravaggio zu sehen. Wie fast alle Museen hat auch die Villa Borghese ein Depot, erklärt der Kunsthistoriker Claudio Strinati:

    "Das ist so, weil das wenige Geld, das unser Kulturministerium zur Verfügung hat, gerade mal die laufenden Kosten unserer Museen deckt. Um den Inhalt unserer Depots, die zu den reichsten ihrer Art weltweit gehören, auszustellen, fehlen uns die Finanzmittel. Das geht leider nur mit einem Sponsor. "

    Die nun gezeigte Ausstellung in der Villa Borghese unter dem bezeichnenden Titel "Das erste Museum Italiens ohne Geheimnisse" zeigt zum ersten Mal die gesamten Bestände dieser Sammlung. Zum ersten Mal überhaupt öffnet damit ein italienisches Museum seine Depots. Was dabei zum Vorschein kommt, verschlägt Kunstliebhabern den Atem: Meisterwerke von Ribeira und Sebastiano del Piombo, von Annibale Carracci und Lavinia Fontana, von Paul Brill, Paris Bordone und vielen anderen.

    Die Depots befinden sich unter dem Dach und sind nur über eine schmale Treppe zu erreichen: einige hundert Quadratmeter Fläche, auf denen die Gemälde in der Regel, Bild an Bild, aneinanderlehnten. Strinati und seine Mitarbeiter ließen sie an die Wände hängen. Dicht gedrängt - wie in der Privatgalerie eines barocken Sammlers - weil es für die zirka 330 Gemälde nur wenig freie Wandflächen gibt.

    Claudio Strinati: "Diese Werke der Villa Borghese könnten schon allein den Bau eines neuen Museums rechtfertigen. Nehmen wir nur ein signifikantes Beispiel: die "Pastorale Szene" des Grecchetto von 1642: ein Satyr nähert sich einer weißhäutigen nackten Schönheit, die ihren wohlproportionierten Körper dem Betrachter darbietet. Ein Engel befreit den Körper von einem roten Tuch. Diese und alle anderen Bilder sind seit vielen Jahren im Depot, nur konnte sie niemand sehen."

    Strinati und andere Kunsthistoriker setzen sich seit langem dafür ein, dass der Inhalt der Depots der wichtigsten italienischen Museen wenigstens teilweise und zeitweise ausgestellt wird. Vorsichtigen Schätzungen des Kulturministeriums zufolge lagern rund 40 Prozent der Bestände italienischer Museen in Lagern - darunter zahlreiche Gemälde, um die sich Museen im Ausland reißen würden.

    Bei nicht wenigen Werken ist die eindeutige Zuordnung zu einem Maler unklar. Fragen in puncto Zuordnung können oftmals nicht geklärt werden, weile viele italienische Depots, auch das der Villa Borghese, selbst Experten verschlossen bleiben.

    Claudio Strinati: "Auch hier gibt es zahlreiche problematische Werke, die genau untersucht werden müssen. Da ist ein herrlicher Apostelkopf, der Rubens zugeschrieben wird. Auch die Zuordnung einer heiligen Familie von Pomarancio ist unklar. Von rund 30 Bildern wissen wir nicht wer sie malte. "

    Viel bleibt zu tun für Kunsthistoriker. Jedenfalls solange die Ausstellung geöffnet ist. Nach ihrer Schließung werden die Bilder wieder nebeneinander gestellt, und die Tür zum Dach der Villa Borghese bleibt verschlossen. Bis auf weiteres. Bis sich vielleicht ein Sponsor findet, der das Dachgeschoss als Ausstellungsfläche ausbaut - aber so ein gebefreudiger Sponsor ist nicht in Sicht.