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Schäuble fordert mehr Druck auf Steuerhinterzieher

Der Kampf gegen Steuerhinterziehung erfordere internationale Kooperation, sagt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). In einer globalisierten Wirtschaft könne die Besteuerung von Zinserträgen aber nicht von einem Land alleine durchgesetzt werden. Das sei schon auf EU-Ebene schwierig.

Das Gespräch führte Bettina Klein | 05.04.2013
    Bettina Klein: Wir wollen gleich den Bundesfinanzminister selbst fragen. Am Telefon ist Wolfgang Schäuble von der CDU. Schönen guten Morgen, Herr Schäuble.

    Wolfgang Schäuble: Guten Morgen, Frau Klein.

    Klein: Wir haben gerade schon so ein bisschen die Relativierung gehört, wie viel die Bundesregierung tun kann und wie viel nicht. Aber insgesamt müssen in Anbetracht dieser Ergebnisse jetzt alle Hebel in Bewegung gesetzt werden, um ein solches Ausmaß der Steuerflucht zu verhindern.

    Schäuble: Ja klar! Das müssen sie übrigens nicht jetzt, sondern das müssen sie schon lange, und deswegen ist es eigentlich - ich freue mich eher über diese Meldungen, denn sie werden den Druck verstärken, denn wir wissen ja, dass es unglaublich komplizierte Konstruktionen gibt. Ob die alle illegal sind, ist eine zweite Frage, aber vieles ist natürlich da zumindest in einem Graubereich. Ihr Korrespondent hat ja eben die Kompliziertheit der Dinge und die Begrenztheit der Handlungsmöglichkeiten schon gezeigt.

    Wir haben uns seit Langem dafür eingesetzt, auch international, insbesondere bei dem Problem anzusetzen – das scheint mir nach wie vor ein entscheidender Hebel -, dass man über die Ermittlung der Steuerbasis, also welche wirtschaftliche Tätigkeit erzielt wo welchen Ertrag, sich besser verständigt, um damit die Verschiebung dieser Erträge in andere steuerliche Jurisdiktionen, also am Ende in Steueroasen, erschweren zu können. Das ist einer der entscheidenden Punkte, für den wir uns ja eingesetzt haben. Da habe ich es endlich auch geschafft, die G20 zu mobilisieren. Die OECD bemüht sich seit Langem. Wir müssen den Druck verstärken und ich glaube, solche Dinge, wie sie jetzt bekannt geworden sind, verstärken international den Druck und werden bei manchen, die da bisher zögerlich sind, auch die Bereitschaft zu kooperieren erhöhen.

    Klein: Sie selbst, Herr Schäuble, haben ja auch im Zusammenhang mit Zypern davon gesprochen, dass das Geschäftsmodell, mit attraktiven Bedingungen Kapital anzulocken, dass das insgesamt auf Dauer hoffentlich immer weniger erfolgreich sein wird. Das ist im Moment aber weiterhin nur eine Hoffnung, also ein frommer Wunsch? Sie sprachen jetzt auch von der Hoffnung, dass der Druck etwas bewirkt?

    Schäuble: Ja sehen Sie? Insofern bin ich ja viel kritisiert worden für diesen Satz und ich habe ja hinzugefügt, wir mögen dieses Geschäftsmodell überhaupt nicht. Wir hoffen, dass es nicht erfolgreich ist. Aber wenn es dann insolvent geworden ist wie in Zypern, dann kann man jedenfalls nicht erwarten, dass wir das weiter finanzieren. Deswegen hat uns in der Tat dann bei Zypern das einen Hebel in die Hand gegeben, den wir in anderen Fällen nicht haben. Den haben wir nicht gegenüber anderen Steueroasen. Aber wenn durch die Mitgliedschaft in der Eurozone die Banken insolvent geworden sind, dann kann man jedenfalls nicht erwarten, dass wir mit Mitteln anderer Länder diese Banken wieder solvent machen. Deswegen haben wir in Zypern darauf bestanden und haben uns ja am Ende auch durchgesetzt.

    Klein: Ich würde Ihnen gerne mal zwei Vorschläge einspielen, die Thomas Eigenthaler, der Chef der Deutschen Steuergewerkschaft, bei uns gestern im Deutschlandfunk vorgetragen hat. Zum einen geht es um eine Forderung nach schwarzen Listen.

    O-Ton Thomas Eigenthaler: "Es müssen schwarze Listen her, es muss deutlich definiert werden, wer ist eine Steueroase, und dann müssen rechtliche Folgen gezogen werden."

    Klein: Weshalb, Herr Schäuble, haben wir diese schwarzen Listen noch nicht?

    Schäuble: Wir haben sogar eine Liste in der OECD über Steueroasen. Aber die Folgerungen, die daraus gezogen werden, sind begrenzt. Sie erfordern eben auch internationale Kooperation. Es ist immer relativ einfach, solche Forderungen aufzustellen. Es ist unendlich mühsamer, sie international umzusetzen, und man kann sie nur international umsetzen.

    Klein: Das heißt, Deutschland kann, wenn ich Sie richtig verstehe, im Augenblick eigentlich nicht mehr tun? Sie sagen, mehr Druck ist schön, aber wir selbst als Bundesregierung können eigentlich nichts anderes tun, als wir bisher versucht haben?

    Schäuble: Wir setzen uns in der Europäischen Union dafür ein. Ich bin ja auch jemand, der in der EU immer sagt, wir warten nicht, bis die letzte Insel irgendwo in der Karibik entsprechende Regeln hat, sondern wir gehen auch in der Europäischen Union voran. Aber Sie sehen ja, wie schwierig es auch in der Europäischen Union ist, voranzugehen beim Informationsaustausch. Bei der Besteuerung von Zinseinkünften haben wir immer noch zwei Länder, die für sich Sonderregelungen in Anspruch nehmen, ich nehme an, das ändert sich jetzt auch durch solche Entwicklungen, und vieles andere mehr. Wir arbeiten auf jeder Ebene mit allem Druck, um mehr durchzusetzen von dem, was wir seit Langem wissen, dass es nicht in Ordnung ist und was jetzt durch diese Datensammlung bekannt geworden ist.

    Klein: Was ist mit schärferen steuerrechtlichen Maßnahmen oder auch strafrechtlichen Maßnahmen für die Steuerflüchtigen jetzt wirklich aus Deutschland?

    Schäuble: Es gibt einen alten Satz im Volksmund: Sie hängen keinen - wir können eben an solche Tatbestände nur herankommen, wenn wir die entsprechenden Informationen haben. Und dann ist es ja klar, dass in einer globalisierten Wirtschaft die Besteuerung nicht von einem Land alleine durchgesetzt werden kann. Wir sind auf die Zusammenarbeit mit allen anderen angewiesen. Wir sind im Übrigen ein besonders im Export erfolgreiches Land und deswegen sind wir stark verflochten und deswegen sind wir noch mehr als andere auf Kooperation angewiesen.

    Klein: Kommen wir auf einen weiteren Vorschlag zu sprechen, gefordert von verschiedenen Politikern gestern bereits, aber eben auch vom schon gehörten Thomas Eigenthaler von der Steuergewerkschaft, und da geht es um das mögliche Vorbild Amerika, wie die mit dieser Frage umgehen.

    O-Ton Thomas Eigenthaler: "Ich habe nicht verstanden, warum die Amerikaner sehr hart gegen diese Banken vorgehen und die Banken dann auch die Flügel gestreckt haben, während die deutsche Bundesregierung ein eher softes Abkommen vorgelegt hat. Ich habe Bundesminister Schäuble immer wieder gedrängt, hier härter vorzugehen. Leider ist er meinem Rat nicht gefolgt."

    Klein: Und Sie, Herr Schäuble, können uns jetzt sagen, weshalb Sie dem Rat nicht gefolgt sind, es ähnlich zu machen wie die Vereinigten Staaten, die die Banken quasi gezwungen haben, bewährt mit Strafmaßnahmen, 30 Prozent finanzielle Einbußen für Banken, die da nicht kooperieren und die Daten von amerikanischen Staatsbürgern offenlegen.

    Schäuble: Das liegt einfach daran, dass Amerika mit Abstand der größte Finanzplatz ist. Jeder, der große Kapitalmengen erheben will, der an die Börse geht, Börsenzulassung macht, geht im Zweifel an den Finanzplatz New York. Deswegen haben die Amerikaner eine sehr viel stärkere faktische Macht. Daran kann man nichts ändern, deswegen ist der amerikanische Markt für alle die größere Bühne. Die Amerikaner üben diesen Druck aus. Sie üben übrigens diesen Druck natürlich wenig im amerikanischen Interesse aus. Sie sind ja nicht so ganz zur Gegenseitigkeit so hundertprozentig bereit. Auch das muss man hinzufügen.

    Und das zweite muss man auch hinzufügen, und das unterschlägt Herr Eigenthaler auch: Im eigenen Land sind die Amerikaner im Kampf gegen Steueroasen auch nicht so konsequent, wenn man an den Bundesstaat Delaware denkt und ähnliches mehr. Das heißt, es vermischen sich auch stark Interessen. Wir tun was wir können, deswegen haben wir ja auch gesagt, da wir in Deutschland das System der Kapitalertragssteuer haben, der definitiven, wo die Banken selber den Anteil an Steuern, der erhoben wird, abziehen und an die Finanzbehörden abführen, wäre es doch das beste, wenn wir das auf europäischer Ebene einführen, solange wir den automatischen Informationsaustausch, den wir ja nur einstimmig beschließen können, nicht einstimmig beschließen, weil einige sich dem verweigern.

    Klein: Aber noch mal die Nachfrage, Herr Schäuble. Weshalb kann man nicht sagen, wir erwarten, dass die Daten von deutschen Staatsbürgern, die eben anderswo Konten haben, offengelegt werden? Man kann es ja zumindest mal versuchen!

    Schäuble: Doch. Sagen tun wir das ja. Das sagen wir zu jedem, dass wir das erwarten.

    Klein: Aber es hält sich keiner daran?

    Schäuble: Aber wenn sie es nicht machen? – Wir können sie da nicht zwingen. Auch die Amerikaner haben ja ihre Möglichkeiten gegenüber Banken, die in Amerika tätig sind, durchgesetzt. Das bezieht sich ja nur auf Banken, die alle in Amerika tätig sein wollen, die sich nicht aus Amerika zurückziehen können. Ansonsten können die Amerikaner das auch nicht durchsetzen. Wenn sie gegenüber einer Bank anfangen, die sagt, nun gut, dann machen wir in Amerika keine Geschäfte, dann ist die amerikanische Macht auch am Ende. Aber sie können sagen, wenn ihr in Amerika tätig seid, setzen wir dies und dies durch, und da haben die Amerikaner eine stärkere Stellung als alle anderen, weil eben für alle der Finanzplatz New York der mit Abstand wichtigste in der Welt ist.

    Klein: Herr Schäuble, wir haben noch eine halbe Minute. Nennen Sie uns einen konkreten Schritt, den Sie im Lichte dieser neuen Erkenntnisse jetzt angehen werden.

    Schäuble: Wir werden in der EU jetzt die Diskussion verstärken, den automatischen Informationsaustausch voranzubringen. Ich hoffe, dass der Widerstand jetzt schwächer wird dagegen. Und wir werden zweitens uns auf der internationalen Ebene dafür einsetzen, dass die Initiative, die ich mit Frankreich und England im vergangenen Jahr bereits ergriffen habe, mit großem Nachdruck vorangetrieben wird, nämlich die Erosion der Steuerbasis zu bekämpfen und damit das Geschäft mit den Steueroasen auszutrocknen.

    Klein: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble von der CDU heute Morgen bei uns im Deutschlandfunk. Ich bedanke mich für das Gespräch, Herr Schäuble.

    Schäuble: Bitte! Gerne, Frau Klein.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.