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Schafft mehr Tierschutz mehr Umsatz?

Welchen Marktwert hat artgerechte Tierhaltung und wie lässt sich Tierschutz an der Ladentheke erkennen? Zwei von vielen Fragen, die der Verbraucherzentrale Bundesverband heute in Berlin mit Experten diskutieren will. Mehr Tierschutz in der Lebensmittelproduktion und mehr Umsatz sind offenbar das Ziel. Denn sind die Kunden informiert, zahlen sie bereitwillig auch mehr.

Von Dieter Nürnberger |
    In der Tat gilt der Blick der Teilnehmer hier in Berlin vor allem dem Verbraucher. Gleichzeitig darf man aber voraussetzen, dass es gerade im Bereich Tierschutz und mögliches Kaufverhalten keine zu einfachen Antworten geben wird. Es gibt zum einen die Umfragen, die eine deutliche Präferenz der Deutschen zeigen, dass sie eine tiergerechte Landwirtschaft bevorzugen würden. Es gibt gleichzeitig aber auch die Diskrepanz zwischen diesen geäußerten Wünschen und dem tatsächlichen Kaufverhalten. Es gibt zudem die Geiz-ist-geil-Diskussion - wo unterstellt wird, dass allein der Preis letztendlich entscheide, was gekauft werde. Und dann gibt es aber auch viel Widersprüchliches, nämlich, dass so mancher Billig-Discounter durchaus Maßstäbe setzen kann, mit vorbildlichem Verhalten nämlich. Also: Supermärkte stehen da nicht unbedingt am Pranger - dies erkennt auch Edda Müller an, die Vorsitzende des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen.

    " So hat beispielsweise "Aldi" bereits 2004 Käfigeier ausgelistet. Andere große Discounter bemühen sich derzeit durch ein breites Bio-Sortiment und auch fair gehandelter Produkte verantwortlichen Einkauf für Verbraucher zu ermöglichen. Wir wünschen uns, dass dieses sich auch auf den Bereich des Tierschutzes erstreckt."

    Hier in Berlin diskutieren sämtliche Teilnehmer am Marktgeschehen: Verbraucherorganisationen, Tierschützer, Verbände, der Einzelhandel und die Meinungsforscher. Vorgestellt wurden auch Zahlen des Eurobarometers 2005, das ist eine Umfrage innerhalb der EU zu Verbraucherverhalten und Tierschutz. Und teilnahmslos oder auch emotionslos sind die Verbraucher scheinbar gar nicht. Viele besuchen beispielsweise Bauernhöfe, nämlich rund Zwei Drittel der Befragten - und das habe Auswirkungen, sagt Sylvia Pfaff vom "Food Information Service Europe".

    " In dem Moment, wo der Verbraucher sozusagen vor Ort ist, hebt dies auch sein Bewusstsein. Er ist dann auch bereit, höhere Preise zu zahlen. Weil er den Aufwand sieht - in der Tierzucht und auch in der Erzeugung tierischer Lebensmittel."

    Wichtig sind somit Informationen für Verbraucher. Da dürfe man nicht nachlassen. Aber - es geht auch um Rahmenbedingungen. Und da hat ja innerhalb der EU-Agrar-Förderpolitik längst auch ein zumindest kleiner Wandel stattgefunden. Edda Müller appelliert deshalb auch an die Landwirtschaft, diese gesellschaftlichen Entwicklungen ernst zu nehmen.

    " Eine Landwirtschaft, die für den Markt und die Kunden produziert, sollte diese Käuferpräferenzen insbesondere deshalb ernst nehmen, weil die seit Jahrzehnten gebräuchliche Agrar-Subventionspolitik, die auch zu uniformen Produktionsmethoden beigetragen hat, nun peu a peu dem Ende zugeht. Die Landwirtschaft sollte deshalb den Tierschutz nicht länger als eine ideologische Randerscheinung abtun."

    Wichtigstes Mittel für eine Änderung hin zu mehr Tierschutz auch in der Landwirtschaft sei aber die Informationspolitik. Und da gibt es nun auch europaweit Fortschritte, denn die EU-Kommission denkt derzeit über ein neues Label nach - eine einheitliche, europaweite Kennzeichnung. Noch einmal Edda Müller.

    " Die Kommission hat angekündigt, dass sie Indikatoren für Tiergerechtheit festlegen wird. Auf deren Grundlage dann auch ein Tierschutz-Label entwickelt werden kann. Ein Tierschutz-Label, welches vielleicht einen ähnlichen Erfolgsweg beschreiten kann, wie das EU-weite Bio-Prüfzeichen. Das war ein Quantensprung für die Vermarktung von Bio-Produkten. "

    Jetzt mag man denken, noch ein weiteres Prüfsiegel, was soll dies bringen? Aber die Verantwortlichen sind da gar nicht so skeptisch - denn einige Erfahrungen und Trends sind eindeutig. 1983 habe beispielsweise der Anteil der Vegetarier am Markt in Deutschland 0,6 Prozent betragen, heute sind es fast zehn Prozent. Es gäbe weitere positive Beispiele: Etwa der gegenwärtige Boom bei Bioprodukten. Also: Es gibt doch viele Hoffnungszeichnungen, dass mehr Tierschutz auch im Verbraucherverhalten einzieht.