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Schall und Rauch

Das dänische Parlament will heute ein neues Namensgesetz verabschieden. Danach darf jeder Bürger seinen Namen frei wählen und so oft ändern, wie er es mag. Auch unverheiratete Paare sollen nach zweijährigem Zusammenleben die Möglichkeit haben, den gleichen Nachnamen zu tragen. Doch nicht alle Einwohner sind von der Liberalisierung begeistert. Marc-Christoph Wagner berichtet aus Kopenhagen.

    Nur wenige Schritte liegt die Kopenhagener Fußgängerzone vom dänischen Parlament, dem Folketing, entfernt. Kaum jemand hat hier nicht vom neuen Namensgesetz gehört. Die Meinungen über dessen Sinn und Zweck aber gehen weit auseinander.

    "Wir sind seit vierzig Jahren verheiratet, und den Namen würden wir ebenso wenig ändern wollen wie den Ehepartner. Die Politiker müssen sich ja mit irgend etwas beschäftigen, und ab und an ist das ziemlicher Unsinn."

    "Meinen Namen, Louise Theil, finde ich gut, aber kann verstehen, dass andere unzufrieden sind."

    "Ich selbst mag meinen Namen überhaupt nicht – ich heiße Søren mit diesem durchgestrichenen O, das außerhalb Dänemarks niemand kennt. Ich habe oft daran gedacht, meinen Namen zu ändern, zumindest dieses durchgestrichene O durch ein ö zu ersetzen. Aber ich kenne Leute, die würden einen völlig anderen Namen wählen."

    Ein immer wieder genanntes Argument für die Liberalisierung des Namensgesetzes ist die bessere Integration von Ausländern in die dänische Gesellschaft. Die Arbeitslosigkeit unter Zuwanderern und deren Nachfahren liegt deutlich höher als die der Dänen. Immer wieder heißt es in der öffentlichen Diskussion, ein ausländischer Bewerber würde – eben aufgrund seines ausländischen Namens – im Bewerbungsverfahren diskriminiert. Said Mahad aber, ein in Dänemark geborener und hier aufgewachsener Student marokkanischer Herkunft, kann sich nicht vorstellen, seinen Namen deshalb etwa in Jens Jensen, Hans Andersen oder Brian Jørgensen zu ändern:

    "Nein, mein Name ist doch Teil von mir und meiner Persönlichkeit. Sicherlich müssen alle Seiten zu einer besseren Integration beitragen. Aber man kann nicht alles aufgeben, und beim Namen ziehe ich eine Grenze."

    Widerstand gegen das von der bürgerlichen Regierung eingebrachte Gesetz kommt vor allem aus dem eigenen Lager. Konservative Kreise, darunter die 185 Adelsfamilien des Landes, kritisieren, die freie Namenswahl zerstöre den Zusammenhang von Name und Geschlecht und somit die Identität vieler Familien. Der Dänischen Volkspartei, die bei der heutigen Abstimmung als einzige gegen das Gesetz stimmen wird, ist vor allem die Gleichstellung der Ehe mit unehelichen Partnerschaften ein Dorn im Auge. Ihr familienpolitischer Sprecher, Martin Henriksen:

    "Ein unverheiratetes Paar entscheidet sich, den gleichen Namen anzunehmen und nach zwei Jahren trennen sie sich dann, das passiert ja. Die Frau, die den Namen des Mannes angenommen hat, findet einen neuen Partner und der will nun auch so heißen wie seine Freundin und nimmt deren Namen an. Und all das geschieht, ohne dass der erste Mann, um dessen Namen es geht, um Erlaubnis gefragt wird. Das ist doch verrückt!"

    Familienminister Lars Barfoed von der konservativen Partei kann die Kritik am neunen Namensgesetz nicht verstehen. Die öffentliche Kampagne der vergangenen Wochen sei unsachlich, ja zum Teil böswillige Propaganda:

    "Es gibt viele gute Gründe, das Namensgesetz zu modernisieren. Unsere Gesellschaft hat sich in den vergangenen einhundert Jahren stark verändert, beispielsweise leben heute 600.000 Menschen zusammen, ohne verheiratet zu sein; und auch sie und ihre Kinder haben den Anspruch auf einen gemeinsamen Namen und eine gemeinsame Identität. Man muss auf einem wirklich hohen Ross sitzen, wenn man versucht, dies zu ignorieren."

    Ein Argument, das in der öffentlichen Auseinandersetzung kaum genannt wurde, ist das der Sicherheit. Aus gutem Grund, erklärt der für das Namensgesetz zuständige Sachbearbeiter Michael Jørgensen: In Dänemark wie in ganz Skandinavien sei jeder Bürger unter einer zehnstelligen Personennummer registriert. Und die bleibe, auch bei mannigfachem Namenswechsel, stets die gleiche:

    "Für den Staat ist allein diese individuelle Personennummer von Bedeutung, und vielleicht hat der Name deshalb heute auch nicht mehr die Bedeutung wie zu früheren Zeiten. Durch die Personennummer ist jeder von der Geburt bis zum Tode registriert, es gibt keine Verwechselungen, über sie wird alles genauestens kontrolliert. Und eben deswegen können wir uns ein derart liberales Namensgesetz auch leisten."