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Scharf und umstritten

Lauschangriffe, Online-Durchsuchungen, all das ist in Frankreich längst gesetzliche Realität. Obwohl das Land nicht am Irak-Krieg teilgenommen hat, wird das Bedrohungspotenzial von den französischen Behörden doch als sehr hoch eingestuft. Sorgen löst vor allem das Treiben von El-Kaida-Untergruppen in den Maghreb-Staaten aus. Burkhard Birke berichtet.

Von Burkhard Birke |
    Immer wieder tauchen die schwer bewaffneten Männer und Frauen in Uniform auf: Unterm Eiffelturm, auf Bahnhöfen, Flughäfen und vor öffentlichen Gebäuden sind sie zu finden. Sie sind Teil der Prävention, Teil auch des 1978 vom damaligen Präsidenten Giscard D'Estaing ins Leben gerufenen Alarmplans Vigipirate. Nach den Londoner Anschlägen und zur Präsidentschaftswahl war Vigipirate auf die vorletzte Stufe rot geschaltet: Die Nation war in Alarmbereitschaft vor mögliche Terroranschläge versetzt!

    Nennenswerte Attentate radikaler Islamisten sind gottlob zuletzt ausgeblieben. Und ohne Schadenfreude sind viele Franzosen sicher froh über das Nein ihres Landes zum Irakkrieg. Dennoch schwebt die Terrorgefahr wie ein Damoklesschwert über dem Land. Die Erinnerung an die Anschlagsserien insbesondere der 90er Jahre ist noch wach. Die Drohungen algerischer Salafisten, die sich El Kaida angeschlossen haben sollen, werden sehr ernst genommen. Das Gerücht will es auch, dass Präsident Sarkozy aufgrund von Terrordrohungen seinen Marokkobesuch unlängst spontan abgesagt hatte. Dafür reiste der Präsident neulich in ein nationales Terrorgebiet: In Korsika zünden Nationalisten immer noch Bomben, und werden Geschäftsleute immer noch erpresst.

    "Gewisse Fortschritte sind erzielt worden. Aber ich will, dass jeder weiß: Der demokratische Staat ist bereit zu verhandeln, aber nicht seine Werte zu verraten.
    Wenn man hier arbeiten will, dann soll man arbeiten können und wird entsprechend dafür entlohnt! Wenn man Bomben legen will, dann wird der Staat eingreifen und bestrafen."

    Harten Umgang mit nationalen und internationalen Terroristen: Das war die Handschrift des Innenministers Sarkozy und bleibt die des Präsidenten!
    In kaum einem anderen Land Europas verfügen die Ordnungskräfte über so weitreichende Mittel im Antiterrorkampf, der seit 1984 mit der Schaffung der Unité de Coordination de la lutte antiterroriste, UCLAT, stark zentralisiert ist!
    Telefon- und andere Kommunikationsdaten dürfen seit dem neuen Gesetz von Januar 2006 von den Terrorbekämpfern unter der Kontrolle einer unabhängigen Instanz eingesehen werden. Der Lauschangriff darf auch dem Internet gelten, selbst dem nicht öffentlichen Bereich. Und auch der Videoüberwachung werden neue Türen geöffnet:

    " Vier Monate lang darf ein Präfekt Videoüberwachung anordnen, ohne jemanden darüber zu informieren oder ohne dass es irgendeine Kontrolle über die Existenz, Notwendigkeit der Überwachung gibt, und ob die Regeln eingehalten werden"

    Kritisiert Anwältin Gaelle Duplantier, Mitglied des Justizausschusses bei Amnesty International. Die Daten dürfen vier Monate lang gespeichert und im Rahmen einer Art Rasterfahndung mit anderen administrativen Quellen abgeglichen werden. Denn viele der ins Visier Genommenen, und wie es heißt immer jüngeren Tatverdächtigen, sind zuvor noch nicht straffällig und somit aktenkundig geworden. Möglichen Terroristen drohen drastische Haftstrafen von 20 bis 30 Jahren. Terrorverdächtige können auch ohne große aufwendige Prozedur erst einmal bis zu 5 Tage ohne weitere Auflagen in Gewahrsam genommen und verhört werden. Erst nach drei Tagen hat ein Verdächtiger Recht auf einen Anwalt!

    Gaelle Duplantier:
    "Jemand kann 72 Stunden lang vernommen werden und es gibt keinerlei Kontrolle, was hinter den Gefängnismauern passiert!"

    Wen die Sicherheitsbehörden erst einmal am Wickel haben, den lassen sie so schnell nicht los: 317 Personen wurden vergangenes Jahr verhaftet. Andere wiederum wird man los: Siebzehn Islamisten darunter vier Imame wurden des Landes verwiesen.

    Für die Effizienz spricht, dass unlängst im Mai in Nancy ein Anschlag vereitelt wurde. Für die Nerven der Leute beruhigend ist, dass solche Dinge in der Presse weniger sensationalistisch aufbereitet werden! Niemand zweifelt an der Existenz eines Drohpotenzials, aber so merkt Gaelle Duplantier von Amnesty Frankreich an:

    "Die persönlichen Freiheiten werden eingeschränkt ohne die nötigen Garantien. Es gibt kein korrektes Recht auf Verteidigung mehr!"

    Ein hoher Preis für ein weit reichendes Antiterrorgesetz!? Die Franzosen scheinen bereit, ihn zu bezahlen!