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Scharfer Blick

Medizin. Damit wir scharfe Bilder sehen, verändert ein kleiner Ringmuskel die Brechung der Linse im Auge. Doch ab dem 40. Lebensjahr geht es bergab: Die Linse verhärtet, Kurz- oder Weitsichtigkeit sind die Folge, eine Brille muss her. Wenn dann noch ein Grauer Star den Blick trübt, helfen nur noch eine Operation und in vielen Fällen eine künstliche Linse.

Von Mirko Smiljanic |
    Ein wenig Angst hatte Roswitha Reiners schon, als ihr Ärzte in der Universitätsaugenklinik Heidelberg eröffneten, dass sie auf gleich beiden Augen künstliche Linsen braucht. Zu weit fortgeschritten sei der Graue Star, zu unflexibel ihre natürlichen Linsen, da helfe nur noch eine OP. Technisch, beruhigte Professor Gerd Auffahrt von der Uni-Augenklinik Heidelberg die 67-Jährige, sei das Verfahren ausgereift.

    "Diese künstlichen Linsen werden in die Höhle der alten Linse in den so genannten Kapselsack eingepflanzt und bestanden früher noch aus Plexiglas, über 50 Jahre lang. Plexiglas war das erste Material, das benutzt worden ist,"

    das allerdings auch einige Nachteile besitzt: Linsen aus Plexiglas sind monofokal, haben also nur einen einzigen Brechindex. Letztlich geht es um die Frage, ob der Patient

    "nach der Operation gut in die Ferne gucken kann, aber fürs Zeitungslesen eine Lesebrille braucht. Theoretisch können wir ihn auch kurzsichtig machen, so dass er ohne Brille Zeitung lesen kann, dafür braucht er aber eine Brille für die Ferne."

    Moderne Multifokallinsen aus Silikon und Acryl liefern dagegen sowohl über kurze als auch über weite Distanzen scharfe Bilder. Implantierte Gleitsichtbrillen sind sie allerdings nicht, die Fähigkeit auf einer Ebene mehrere Brennpunkte einzustellen, übernimmt das Gehirn, das lästige Suchen des richtigen Brennpunktes entfällt.

    Hinzu kommen einige Spezialitäten: Um die Bilder kontrastreicher zu machen, nutzen Mediziner asphärisch geschliffene Linsen. Wer nachts Auto fährt, sieht dann die Umrisse von Scheinwerfern schärfer. Und wer neben einem Grauen Star noch unter einer Hornhautverkrümmung leidet, bekommt so genannte torische Linsen implantiert, die nicht nur die fehlende Brechkraft sondern auch die Hornhautverkrümmung ausgleichen. Abstoßungsreaktionen, sagt Gerd Auffarth, sind mittlerweile extrem selten, Probleme gibt es eher auf anderen Gebieten. So arbeiten die Forscher seit geraumer Zeit an akkomodativen Linsen, die sich wie bei gesunden Linsen über einen kleinen Ringmuskel verändern lassen.

    "Es gibt teilweise Kombinationen aus zwei Linsen, dass also zwei Linsen ins Auge eingesetzt wird werden, die sich gegenseitig verschieben; es gibt Versionen, bei denen tatsächlich eine Flüssigkeit im Auge bewegt wird und eine Brechkraft Veränderung an der Linse hervorruft, und es gibt Versionen, wo die Linse mit Sollknickstellen versetzt ist, so dass sich die Linsenoptik bewegen kann im Auge."

    Wichtig sei zudem, dass diese Linsen neben klassischen UV-Filtern auch über Blaulichtfilter verfügen. Forscher haben herausgefunden, dass nicht nur UV-Licht die Netzhaut vor allem alter Menschen schädigt, sondern auch energiereiches blaues Licht. Normalerweise werden natürliche Linsen im Alter gelb und entwickelt so einen wirksamen Schutz gegen blaues Licht. Und noch ein Punkt ist von Bedeutung: Die Linsen müssen sich knicken lassen.

    "Das hat operationstechnische Gründe, dass man nicht einen großen Schnitt macht von acht oder neun Millimeter, sondern dass man die Linsen heute über einen klitzekleinen Schnitt von zwei oder zweieinhalb Millimetern in die Augen einsetzen kann."

    Roswitha Reiners hat sich von den Vorteilen überzeugen lassen und trägt heute zwei künstliche Linsen. Sie ist zufrieden. Die Forscher sind es auch, schauen aber noch weiter in die Zukunft. Warum werden Linsen ausgetauscht, wäre es nicht eleganter, gleich ganze Augen zu implantieren? Häufig wäre es das, leider ist es aber noch nicht möglich.

    "Das Auge ist Teil des Gehirns, es ist mit dem Gehirn verwachsen, der Sehnerv ist Teil des Gehirns. Wir müssten für zur Verbindung mit Gehirn in der Lage sein, den Sehnerv annähen zu können, das ist sicher noch sehr weite Zukunftsmusik."