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Scharfer Blick ins Gehirn

Neurologie. – Mit den modernen Durchleuchtungsverfahren können Mediziner ihren Patienten ins Gehirn blicken und dieses bei der Denkarbeit beobachten. Heidelberger Wissenschaftler konnten jetzt sogar einzelnen Zellen dabei zusehen.

    Am Max-Planck-Institut für medizinische Forschung in Heidelberg sieht man den Patienten besonders genau in den Kopf. Mit der so genannten Zwei-Photonen-Mikroskopie hat die Arbeitsgruppe von Professor Fritjof Helmchen die Gliazellen des Gehirns bei der Arbeit beobachtet – bislang allerdings bei genmanipulierten Versuchsmäusen. Die Gliazellen stellen rund 90 Prozent der Hirnmasse, sie ernähren die Nervenzellen, umhüllen deren lange Ausläufer und sorgen damit für die schnelle Signalübertragung, und sie stellen mit der so genannten Mikroglia sogar die hirneigene Polizei. Die Versuchsmäuse produzierten in ihren Gliazellen ein Eiweiß, das unter dem Laserstrahl des Mikroskops fluoreszierte. Axel Nimmerjahn, ein Doktorand von Fritjof Helmchen konnte sie dadurch bei betäubten Tieren beobachten und drehte über mehrere Stunden einen richtigen Film vom lebenden Gehirn: "Die Zellen sind sehr, sehr aktiv, das heißt die Zellkörper selber sind ortsfest, aber ihre Fortsätze wachsen raus und ziehen sich wieder zurück, und das ist ein Verhalten, das man eigentlich von anderen Zelltypen die im Gehirn vorkommen, nicht kennt."

    Mit dem Laserstrahl des Mikroskops brachte Nimmerjahn zudem ein Blutgefäß im Mausgehirn zum Platzen und konnte danach die Mikrogliazellen beim Notfalleinsatz beobachten. Im Film sieht man, wie die fluoreszierenden Zellen mit den vielen Ausstülpungen diese plötzlich, wie von einer unsichtbaren Saugkraft angezogen, in eine Richtung strecken. Axel Nimmerjahn erkennt noch mehr: "Man sieht, dass die Mikrogliazellen als die Reaktion auf die Verletzung sehr schnell auf den geschädigten Bereich zuwachsen und ihn abschirmen, indem sie ihn zuwachsen. Man sieht, dass sich kleine Bläschen bilden, die dann innerhalb von ein bis zwei Minuten kollabieren. Wir glauben, dass das ein Anzeichen für Phagozytose, also für das Abbauen von geschädigtem Material, ist." Die Heidelberger Forscher glauben, dass sich ähnliches auch bei Schlaganfällen abspielt, wenn auch in weit größerem Maßstab. Fritjof Helmchen: "Die grundlegende erste Reaktion wird wahrscheinlich recht ähnlich sein."

    [Quelle: Stefanie Seltmann]