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Scharfsichtig, absurd und liebevoll

Loriot war ein Humanist, ein Menschenfreund, der mit handwerklichem Ernst und feinem Gespür für die menschlichen Eigenarten die Republik zum Lachen brachte. Im Alter von 87 Jahren ist Bernhard Victor Christoph Carl von Bülow in Ammerland am Starnberger See gestorben.

Von Beatrix Novy | 23.08.2011
    Sprichwörtlich zu werden ist wohl das Höchste, was ein Künstler erreichen kann. Fest verankert im Gedächtnis von Millionen, ein Vermächtnis geflügelter Worte für tausend Anlässe, nie überholt vom Zeitgeist. Der rauscht vorbei mit seinen Entertainern, Comedians, Brachialkomikern. Loriot bleibt. Der Satz "Das ist ja wie bei Loriot" wird noch lange zu hören sein, wenn eine alltägliche Situation absurde Züge annimmt. Wenn zum Beispiel angespanntes Funktionieren-Wollen in Zerrüttung endet.

    "Ich heiße Erwin Lottemann – Aus!"

    Und noch lange werden sich auch die bescheidensten Loriot-Kenner die Gipfelsätze seiner Sketche zuwerfen, wenn die Gelegenheit es erfordert, zum Beispiel in der Badewanne

    "Mein Name ist Müller-Lüdenscheidt! - Kloebner. Dr. Kloebner. – Angenehm. - Können Sie mir sagen, warum Sie in meiner Wanne sitzen?"

    Oder in der Fernsehunterhaltung

    "Gleichzeitig findet Meredith Hesketh-Fortescue auf einer Kutschfahrt mit Jasper Fetherstone von Friddle..äh..Fiddle Mith….Middle Frith nach North Cothelstone Hall in Thrumpton Castle den Schlipth aus ..Naddle..Nether Addlethorpe…"

    Oder im Jodelkurs

    "Jodeldodeldodeldü , Jodeldodeldodelda."

    Loriot war ein Preuße, ein Spross der Offiziersfamilie von Bülow, und das allein war ein Beweis für die Existenz jenes besseren Preußen, das eine einseitige Geschichtswahrnehmung oft verleugnete. Nicht nur war dieser Bülow eine ausgesprochene Künstlernatur – seine Musikleidenschaft und seine späte Karriere als Opern- und Filmregisseur zeugen davon. Als Komikproduzent zehrte Bernhard Victor Christoph Carl von Bülow nicht nur von seiner gymnasial-humanistischen Ausbildung in Berlin und Stuttgart, sondern auch von den Witzen, in denen die Satire-Zeitschrift Simplicissimus den Typ des preußischen Offiziers verulkte, deren Urheber aber gerade in den Militärcasinos saßen. Aber zu der Zeit war Loriot noch der junge Bülow: Ein Kind, dessen Mutter früh starb, das erst bei der Großmutter, dann beim wiederverheirateten Vater aufwuchs. Ein junger Mann, der 1941 nach dem Notabitur ins Feld gejagt wurde, lange genug, um die Greuel des Russlandsfeldzugs bewusst zu erleben, aber auch mit der Selbstverständlichkeit des zum Dienst am Vaterland erzogenen Jungen – was ihn später als, wie er sagte, "beschämende Erkenntnis" einholte.

    Loriot wurde erst geboren nach Krieg und Malerei- und Grafikstudium. Das Pseudonym war kein Bruch mit dem Familiennamen, sondern eine Referenz: der Pirol – französisch Loriot – war das Bülowsche Wappentier. Als Karikaturist für diverse Zeitschriften, vor allem den Stern, entfaltete Loriot scharfsichtig das Panoptikum der 50er-Jahre: Die Bundesrepublik und die Aufstiegsallüren ihrer Bürger, mit ihren Prätentionen und Ambitionen, ihrem Haltsuchen in hohl gewordenen Formen und Benimmvorschriften. Alles beobachten, nichts selbstverständlich nehmen, alltägliche Situationen detailscharf wiedergeben und mit einem winzigen Dreh ins Absurde treiben, das war die Technik von Büchern wie "Der gute Ton" und der Fernsehserien "Cartoon" und "Loriot".

    "Meine Damen und Herren! Politik bedeutet, und davon sollte man ausgehen, das ist doch ohne darum herumzureden, in Anbetracht der Situation, in der wir uns befinden."

    Mit dem Prinzip Mimikry schaffte es sogar in das medizinische Standardlexikon Pschyrembel, wo man seinen zweifellos bahnbrechenden Artikel über die Steinlaus, lateinisch Petrophaga lorioti findet, eine "zur Familie der Lapivora gehörende einheimische Nagetiergattung (Klassifizierung umstritten) mit zahlreichen Spezies". Loriots Witz war nie ätzend oder klamaukig, aber auch sonst von der rücksichtsvolleren Art: Einen anderen, etwa den britischen, hätte die junge Bundesrepublik auch nicht verkraftet. Liebevoll der Blick, selbst auf das Fegefeuer langjährigen Ehelebens, das er mit der begnadeten Partnerin Evelyn Hamann vielfach in Szene setzte

    "Männer und Frauen passen eben nicht zusammen."

    Der das erfand, war seit 1951 glücklich verheiratet mit ein und derselben Frau. Der unsterbliche Satz wird ihn lange überleben. Auf CDs und DVDs, aber auch in den Loriot-Aufführungen von Schülertheatern, Kleinstadtbühnengruppen, Betriebsfeiern. Schöner kann man nicht unsterblich werden.