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Schatten der Vergangenheit

Elisabeth Schwarzkopf sang Oper, Oratorien und Lieder auf der ganzen Welt. Ein schwarzer Fleck ihrer Karriere: Der Beitritt zur NSDAP im Jahr 1941. In ihrem Nachlass fanden sich 2006 Dokumente auf, die ihr Leben unter dem Nationalsozialismus in einem anderen Licht erscheinen lassen. Im Vorarlberger Hohenems ist in der Villa Rosenthal ein eigenes Museum eingerichtet, deauch diesen Nachlass zeigt.

Von Kirsten Liese | 16.08.2011
    Das wichtigste Dokument in dem kleinen, exklusiven Museum im Vorarlberger Hohenems hat Elisabeth Schwarzkopf selbst verfasst. Es handelt sich um eine Art Rechenschaftsbericht aus dem Jahr 1946, mit Maschine geschrieben, möglicherweise Schwarzkopfs einzige schriftliche Selbstauskunft zu ihrer politischen Vergangenheit, zu der sie ungern befragt werden wollte, weil sie Journalisten misstraute.

    Elisabeth Schwarzkopf wuchs nachweislich in einem Elternhaus überzeugter Antifaschisten auf. Weil er sich den Nazis nicht anpasste, geriet vor allem ihr Vater beruflich in Schwierigkeiten:

    Er war Mitglied der sozialdemokratischen Partei in Cottbus, und da überdies unsere Familie viele jüdische Bekannte hatte, wurde er bei der Machtergreifung Hitlers als Direktor des Cottbusser Gymnasiums sofort entlassen. Damit war die Existenz unserer Familie vernichtet. Wir gingen nach Berlin und gelang es meinem Vater, dort in untergeordneter Stellung zum Studienrat degradiert, also um drei Rangstufen zurückgeworfen, wieder neu anzufangen.

    Schon bald setzten die Nazis auch die junge Gesangsstudentin Schwarzkopf unter Druck. Im Herbst 1935 wurde sie im vierten Semester als beste Schülerin der Hochschule zur Führerin der Arbeitsgemeinschaft nationalsozialistischer Studenten bestimmt. Vergeblich versuchte sie sich, dagegen zu wehren, versichert sie:

    Man drohte mir, dass ich mit Rücksicht auf die Belastung durch meinen Vater im Falle einer Weigerung mit dem Ausschluss aus dem Studium zu rechnen hätte. Es half mir also nichts, ich konnte mich einer Kommandierung nicht entziehen. Es handelte sich um eine halbe Stunde Theorie, "Schulung", ich musste eines der Mädel bestimmen, die einen Vortrag über Tagesfragen zu halten hatte. Dann werden meistens durch eine Stunde Volkslieder gelernt und vorgetragen.

    Zufrieden allerdings sei man mit ihr als Studentenbundführerin nicht gewesen.

    Das war ja begreiflich, weil ich dem Nationalsozialismus schon vermöge meiner Erziehung, aber auch meinem Charakter nach völlig fern stand und blieb.

    Ihrem Beitritt zur Partei ging Elisabeth Schwarzkopfs Schilderungen nach ein Verhör mit einem Ministerialrat des Propagandaministeriums voraus. Sie protokolliert den Schlagabtausch:

    Ich: Im dritten Reich gilt doch das Leistungsprinzip und da kommt es doch nur darauf an, was man kann." Er. "Das ist richtig. Aber vor allem geht es um das Charakterliche, das müssen Sie durch Beitritt zur Partei unter Beweis stellen." Ich: "Ich glaube gar nicht, dass man mich aufnehmen wird, denn ich habe einen Vater, der als Sozialdemokrat gemaßregelt wurde. Bei meiner Jugend wird das doch eine Rolle spielen. " Er: "Das ist freilich etwas anderes, da glaube ich selbst nicht, dass man Sie aufnehmen wird. Sie müssen aber wenigstens den guten Willen durch Anmeldung bei der Partei zeigen.

    Ob sich der Dialog tatsächlich so zugetragen haben mag und Elisabeth Schwarzkopf entgegen solchen Prognosen unerwartet doch in die Partei aufgenommen wurde, ist nicht ganz sicher. In einem undatierten Schreiben ihres Vaters Friedrich Schwarzkopf nimmt dieser die Schuld auf sich und erklärt zugleich, warum sich seine Schilderungen von der seiner Tochter unterscheiden. Er wollte nicht länger mitansehen, wie ihr seiner "politischen Unzuverlässigkeit" wegen fortwährend gedroht wurde:

    Um dem ein Ende zu machen und auf die Warnung des damaligen Reichssendeleiters Hadamowsky hin, bat ich Elisabeth, sich zum Eintritt in die Partei zu melden. Elisabeth hat dem österreichischen Verwaltungspersonal von 1945/46 gegenüber absolut verschwiegen, dass sie 1941 von mir gebeten worden war, sich zur Partei zu melden. Sie wusste in Österreich nicht, ob ich noch lebte und wo ich mich befand. Seit dem Oktober 1944 waren wir getrennt und ohne Nachricht voneinander, bis ich im August 1945 unter den allergrößten Schwierigkeiten meine Frau und meine Tochter am Attersee wiederfand.

    Dieses Schreiben von Friedrich Schwarzkopf war vor wenigen Jahren in einer ersten Ausstellung unter dem Titel "Schwarzkopf-Legge-Karajan" in den Räumen der Schubertiade zu sehen. Seither hält es der Schubertiade-Chef und Museumsinhaber Gerd Nachbauer streng unter Verschluss. Warum er das kostbare Dokument nicht im neuen Museum ausstellt, lässt sich nicht nachvollziehen, zumal er über seine Motive keine Auskunft geben will.

    Gleichwohl lohnt sich ein Besuch des neuen, schönen Elisabeth-Schwarzkopf-Museums in Hohenems, das der Sängerin auf sehr liebenswerte Weise ein Denkmal setzt. Neben zahlreichen unveröffentlichten Fotos, einem prächtigen Opernkostüm und zwei Abendkleidern der Sängerin, die sie auf Liederabenden trug, finden sich unter den Exponaten auch viele Briefe und Grußkarten von ihrem Ehemann Walter Legge und berühmten Künstlerkollegen wie Wilhelm Furtwängler, Carlos Kleiber oder Carlo Maria Giulini, die der großen Mozart- und Straussinterpretin und dem erfolgreichen Plattenproduzenten Legge ihren Respekt und ihre Anerkennung für ihre künstlerischen Leistungen aussprechen.