Kippenberger hat schon als Kind die Wohnung seiner Eltern mit skurrilen Comics und absurden Sinnsprüchen verziert; und als der Ober-Chaot nach jugendlicher Drogenabhängigkeit und einer Karriere in der Punk-Szene ernsthaft zu arbeiten begann, brauchte er ein paar Haltegriffe. Die Zeichnung war ein solcher, freilich erst ab Mitte der 80iger Jahre. Da entdeckte Kippi das Hotel-Briefpapier als Medium, auf dem sich nicht nur zeichnen, sondern auch eine fiktionale Biographie inszenieren ließ. Das DIN-A-4-Format gab eine Struktur, die überbordenden Einfälle zu zähmen, und das Hotelpapier, das zunächst nur eine Notlösung gewesen war (weil er gerade nichts anderes zur Hand hatte), wurde zum Markenzeichen. Kippenberger ließ sich von Freunden Hotelbriefköpfe aus aller Welt beschaffen, und vom Copacabana Palace über das Chelsea Hotel, das Ritz Carlton und das Four Seasons Hotel Washington inszenierte Kippenberger die Legende vom rastlosen Künstler-Nomaden, der freilich in den meisten dieser Hotels gar nicht gewesen war. Und das wiederum, das Spielen mit der Fiktion, sagt der Ausstellungs-Kurator Ralph Melcher, ist absolut typisch für Kippenberger.
Vielleicht aber lässt sich Kippenbergers vielgestaltiges Werk aber doch als eine Art Endlos-Brief lesen. Kippi war in Wahrheit durchaus unterwegs, in Kneipen und auch Hotels in aller Welt, um sich mit Realität aufzuladen, um der verspießerten Bundesrepublik der 80iger und 90iger Jahre Grimassen zu schneiden und die Künstler-Existenz zu persiflieren. Berühmt sind seine Selbstportraits in Unterhose, eine ironische Paraphrase des angeblich männlichkeits-strotzenden alten Picasso, den selbst eine dumme Unterhose nicht entstellen konnte. Und eine Selbstbefragung des Künstlers, der nach Picasso und angesichts der Komplexität gesellschaftlicher Fremdbestimmung eigentlich nichts mehr zu sagen hat.
In den 18 Zeichnungen des späten Medusa-Zyklus wird der depressive Teil des Kippenbergerschen Kosmos vorgezeigt, der Künstler als Gestrandeter, ein unvorteilhaft schmerbäuchiger Säufer im Spätstadium, der sich da selbst ziemlich mitleidlos in Szene setzt. Aber vorher, da der manische Zeichner und Kritzler eben zyklisch auch von Hochgefühlen ergriffen wurde, ging das "Büro Kippenberger" gerne in die Vollen: auf dem Briefbogen dieses Büros kann man Pin ups in allen möglichen Posen bewundern, eine ist vom Stuhl gerutscht, darunter steht: Entschuldigung, bei einer anderen sind die erogenen Zonen anpreisend beschriftet, bei wieder einer anderen heißt der Titel "Pipi doof und sehe gut aus".
Die Frauenbewegung also dürfte ihre helle Freude haben an diesen Blättern, auf denen bisweilen auch Lexikon-Stichwörter von Ejakulat bis Erektion aufgereiht werden. Und egal, ob Kippenberger den angeblich bedeutungsschweren Kollegen Penck mit einer kindlichen Kritzel-Serie hochnimmt, ob er sein bei einer Entziehungskur ausgehändigtes "Kurbüchlein" mit der Skizze eines aufgeklappten Brötchens verziert, einen Schneewittchensarg entwirft oder als bekennender Nudel-Fanatiker ein Nudelgericht als Stilleben darbietet, immer geht es Kippi um die endgültige Banalisierung des Kunstbetriebs im Spätkapitalismus – und damit um das Verschwinden des Individuums, das sich in seiner Agonie noch ein bisschen Sarkasmus leistet.
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Vielleicht aber lässt sich Kippenbergers vielgestaltiges Werk aber doch als eine Art Endlos-Brief lesen. Kippi war in Wahrheit durchaus unterwegs, in Kneipen und auch Hotels in aller Welt, um sich mit Realität aufzuladen, um der verspießerten Bundesrepublik der 80iger und 90iger Jahre Grimassen zu schneiden und die Künstler-Existenz zu persiflieren. Berühmt sind seine Selbstportraits in Unterhose, eine ironische Paraphrase des angeblich männlichkeits-strotzenden alten Picasso, den selbst eine dumme Unterhose nicht entstellen konnte. Und eine Selbstbefragung des Künstlers, der nach Picasso und angesichts der Komplexität gesellschaftlicher Fremdbestimmung eigentlich nichts mehr zu sagen hat.
In den 18 Zeichnungen des späten Medusa-Zyklus wird der depressive Teil des Kippenbergerschen Kosmos vorgezeigt, der Künstler als Gestrandeter, ein unvorteilhaft schmerbäuchiger Säufer im Spätstadium, der sich da selbst ziemlich mitleidlos in Szene setzt. Aber vorher, da der manische Zeichner und Kritzler eben zyklisch auch von Hochgefühlen ergriffen wurde, ging das "Büro Kippenberger" gerne in die Vollen: auf dem Briefbogen dieses Büros kann man Pin ups in allen möglichen Posen bewundern, eine ist vom Stuhl gerutscht, darunter steht: Entschuldigung, bei einer anderen sind die erogenen Zonen anpreisend beschriftet, bei wieder einer anderen heißt der Titel "Pipi doof und sehe gut aus".
Die Frauenbewegung also dürfte ihre helle Freude haben an diesen Blättern, auf denen bisweilen auch Lexikon-Stichwörter von Ejakulat bis Erektion aufgereiht werden. Und egal, ob Kippenberger den angeblich bedeutungsschweren Kollegen Penck mit einer kindlichen Kritzel-Serie hochnimmt, ob er sein bei einer Entziehungskur ausgehändigtes "Kurbüchlein" mit der Skizze eines aufgeklappten Brötchens verziert, einen Schneewittchensarg entwirft oder als bekennender Nudel-Fanatiker ein Nudelgericht als Stilleben darbietet, immer geht es Kippi um die endgültige Banalisierung des Kunstbetriebs im Spätkapitalismus – und damit um das Verschwinden des Individuums, das sich in seiner Agonie noch ein bisschen Sarkasmus leistet.
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