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Schaumgeboren

Geologie.- Vom sonnendurchwärmten Tümpel, über den Charles Darwin nachdachte, bis zu den sogenannten Black Smokern auf dem Meeresgrund: Vieles wurde bereits für den Ursprung allen Lebens auf der Erde gehalten. Nun rückt ein fast schaumiger Stein ins Blickfeld der Wissenschaftler: Bims.

Von Dagmar Röhrlich |
    Ein Brocken Bimsstein schwimmt in einer Wasserschale. Der Paläontologe Martin Brasier von der Universität Oxford hat ihn am Strand der Mittelmeerinsel Santorin aufgelesen:

    "Dieser Bimsstein wurde vor 3500 Jahren aus einem Vulkan herausgeschleudert, während der Bronzezeit und immer noch kann man sehen, dass sich Bimssteinflöße von Santorin lösen und davontreiben. Beim Ausbruch des Krakatau im 19. Jahrhundert wurde so viel Bims gefördert, dass noch ein Jahr später kilometergroße Bimsflöße das 8000 Kilometer weit entfernte Durban erreichten. Dass Bims so gut schwimmt, macht ihn für mich als mögliche Bühne für die Entstehung des Lebens interessant."

    Bimsstein fasziniert Martin Brasier, einen der renommiertesten Spezialisten für die ältesten Gesteine der Erde. Er ist für ihn die ideale "Wiege", in der alle für den Ursprung des Lebens notwendigen chemischen Reaktionen konzentriert und geschützt ablaufen können:

    "Das Gute am Bims ist, dass er auf dem Meer schwimmt und sich dabei mit chemischen Elementen vollsaugen kann. Wenn man ihn aufschneidet, ist er voller kleiner Löcher, die als winzige Reaktionskammern dienen können."

    Nun haben sich die Bedingungen auf der Erde im Lauf der Jahrmilliarden sehr stark verändert: Meer und Luft hatten damals eine andere chemische Zusammensetzung und statt riesiger Kontinente tauchten nur vulkanische Inseln aus dem Meer auf. Aber die Vulkane förderten vor dreieinhalb Milliarden bereits Bims:

    "Heute kann man sich 3,5 Milliarden Jahre alte Gesteine im Westaustralien ansehen, im Pilbara. Dort können wir über einen uralten Meeresboden laufen, über die Hydrothermalquellen von damals und auch über die Buchten, die mit Bimssteinen gefüllt waren - und man sieht, dass in dieser Landschaft alles zusammenkam."

    Bimssteine seien damals weit verbreitet gewesen - und im Gegensatz zu vielen anderen Theorien zur Wiege des Lebens könne man sie heute noch untersuchen:

    "Ich stelle mir vor, dass nach einem Vulkanausbruch riesige Bimssteinflöße jahrzehntelang auf dem Meer trieben, wo sie Eisen und Phosphor aufsaugten, Nickel oder Magnesium. Außerdem bildeten sich in den Gesteinsporen Überzüge etwa aus Tonen, die chemische Reaktionen ankurbeln können."

    Diese Tonminerale fügen organische Verbindungen zu langen Ketten zusammen - und sie stehen im Verdacht, aus diesen organischen Bausteinen die Vorläufer der RNA zu bilden:

    "Der Bims zersetzt sich sehr schnell zu Tonmineralen, die dann die Gesteinsporen auskleiden und eine große Oberfläche für Reaktionen bieten - und das ist das, was wir für die Entstehung des Lebens brauchen."

    In Proben von Milliarden Jahre alten Bimssteinen fand Martin Brasier neben Tonmineralen auch andere chemisch wirksame Verbindungen, die beispielsweise den Stickstoff aus der Luft in eine für die Biologie verwertbare Form umwandeln können:

    "Ich stelle mir vor, dass der Bims eines Tages in einer vulkanischen Bucht angespült wurde. Unter den Umweltbedingungen vor mehr als drei Milliarden Jahren bildeten sich im Meer ölige organische Verbindungen - wie heute in der Tiefsee, wo sie bei der Umwandlung von sehr, sehr basischen Gesteinen entstanden. Die waren damals sehr weit verbreitet. Der Bimsstein saugt diese organischen Verbindungen auf, die in seinen Poren Überzüge bilden. Sie wirken fast wie eine Zellwand."

    Von unten steigt Meerwasser im Bimsstein hoch, von oben kommt Regenwasser. Ihr unterschiedlicher Salzgehalt bringt einen Fluss durch die "Zellwand" in Gang: Stoffe werden intern transportiert, reagieren - Moleküle wachsen und werden komplexer:

    "Wir sehen also, dass in den Poren des Bimssteins alles zusammenkommt - und genau deshalb könnte er uns bei der Frage nach dem Ursprung des Lebens weiterbringen."

    Schließlich müssten alle notwendigen Substanzen ausreichend lange in der richtigen Umgebung zusammenkommen, damit die chemischen Reaktionen für den Übergang zur Biologie ablaufen können. Nun allerdings sollte erst einmal Laborarbeit folgen, erklärt Martin Brasier - um zu sehen, ob die Hinweise aus dem Gelände halten, was sie versprechen.