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Scheiben der Zukunft

Technologie.- Vorbei könnten die Zeiten sein, in denen sich Menschen die Nasen an Schaufenstern platt drücken müssen. Forscher vom Fraunhofer Institut präsentieren auf der CeBit eine Scheibe, bei der sich Kunden mit Armbewegungen durch das Warenangebot navigieren können.

Von Martina Preiner |
    Viel Zeit bleibt nicht mehr, um an den Wühltischen nach Schnäppchen zu jagen. Der Winterschlussverkauf neigt sich dem Ende zu. Und wer jetzt noch fündig werden will, riskiert, Unmengen an Pullis oder Schuhen durchkämmen zu müssen um dann festzustellen, dass nichts davon passt. Um Kunden diesen Frust zu ersparen, arbeitet Paul Chojecki vom Fraunhofer-Institut für Nachrichtentechnik in Berlin an einer interaktiven Schaufensterscheibe. Seine Vision: Man stellt sich davor, wedelt ein paar Mal mit der Hand in der Luft herum und weiß dann sofort, ob der Gang in den Laden sich lohnt.

    "Das sind zwei Kameras, die für die Handerkennung notwendig sind, die schauen durch die Fensterscheibe durch, also von innen nach außen. Und die betrachten einen bestimmten Bereich vor dem Schaufenster und in diesem Bereich sehen sie einfach das Geschehen: Was passiert denn da? Wir haben, ich sage immer, dem Computer Augen gegeben."

    Der Computer wertet die Kamerabilder aus, erkennt mithilfe einer ausgeklügelten Software, welche Gesten der potenzielle Kunde macht – und verändert die Anzeige auf einem Display im Schaufenster entsprechend. Das Ergebnis: Der Passant kann berührungslos mit dem Bildschirm interagieren. Ganz ähnlich wie der Schauspieler Tom Cruise mit dem Fahndungsscomputer im Science-Fiction-Film 'Minority Report'. So kann die interaktive Scheibe zum Beispiel Zeigen, Greifen, Drücken und Blättern, also eine Seitwärtsbewegung der Hand, unterscheiden. Hauptsache einfach, schließlich sollen die Kunden schnellstmöglich lernen, Kommandos zu geben.

    "Das beste Beispiel eigentlich für so eine Geste ist das Zeigen. Damit referenzieren wir auch im Alltag oft auf Objekte oder Personen, die wir meinen, um die Sprache zu unterstützen. Das ist intuitiv, das verstehen die Leute. Aus unserer Erfahrungen wird es bei allem, was darüber hinausgeht schwieriger. Das muss man schon lernen – oder den Kunden beibringen."

    Nicht alle Gesten können beliebig miteinander verbunden werden. Die Wissenschaftler müssen sie so auswählen, dass sie eindeutig voneinander unterscheidbar sind. Bei interaktiven Schaufenstern mit Touchscreen ist das bisher einfacher. Die meisten Menschen kennen die Gesten für solche Oberflächen schon. Es sind die, die bei gängigen Smartphones benutzt werden. Die österreichische Firma IsiQiri beispielsweise setzt darauf, die gesamte Schaufensterfläche zu einem Touchscreen umzufunktionieren – eine Art riesige interaktive Spielwiese für Passanten. Das geht durch ein relativ kostengünstiges und simples System von Lichtschranken in einem Sensorrahmen, erklärt Produktmanager Martin Egginger.

    "Ich baue einen Bilderrahmen und habe in den Ecken Laserdioden, die einen Lichtvorhang aufspannen. Und an den Kanten nach innen gerichtet hab ich die Detektoren. Wenn jetzt kein Objekt in dem Bilderrahmen ist, sehen alle vier Detektoren Licht. Und wenn ich jetzt ein Objekt – zum Beispiel einen Finger – in den Bilderrahmen hinein halte, dann erzeugt der Finger an den vier Kanten einen Schatten. Und aus der Position der vier Schatten kann ich sehen, wo der Finger in diesem Lichtvorhang, also in diesem Bilderrahmen, ist."

    Im Rennen um das zukünftige interaktive Schaufenster liegen Touchscreens und berührungsfreie Anzeigen derzeit Kopf an Kopf. Zwar bewähren sich Touchscreens in vielen Lebensbereichen, aber auch die Gestensteuerung findet schon konkrete Anwendungen – zum Beispiel im OP-Saal. So kann ein Chirurg in Patientenakten blättern, ohne sich die Hände neu desinfizieren zu müssen. Im Endeffekt, meint Paul Chojecki, muss jeder Ladenbesitzer selbst wissen, welches System ihn überzeugt.

    "Wir setzen auf berührungslose Interaktion, weil es insbesondere im öffentlichen Bereich Vorteile hat. Also immer, wenn Sie die Scheibe berühren, wird die Scheibe dreckig, aber auch Ihre Hände. Das ist einerseits natürlich wegen der Hygiene schlecht, aber niemand möchte natürlich seine schönsten Produkte hinter einen dreckigen Scheibe zeigen."

    Neben sauberen Schaufensterscheiben hat das Team um Paul Chojecki auch noch andere Ziele: Das interaktive Schaufenster soll fähig sein, die Laufkundschaft individuell anzusprechen. In einem ersten Schritt muss es erkennen, ob eine oder mehrere Personen vor der Scheibe stehen. Ansätze dazu gibt es schon. Man benötigt einfach weitere Kameras, die nicht auf Handgesten, sondern die Anzahl der Menschen achten. Dasselbe gilt auch für die Blickrichtung eines Kunden, die durch ein zusätzliches Kamerapaar ermittelt werden kann. Ob man als Spaziergänger beim Schaufensterbummel wirklich so genau beobachtet werden will, das steht auf einem anderen Blatt.