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Schein für Sex

Komm zu mir, komm jetzt endlich zu mir, sagt der ältere Herr, der halbentkleidet auf einer Couch sitzt. Dann folgen gleich ein halbes Dutzend obszöne Bemerkungen - das jähe Ende einer glänzenden rumänischen Medizinerkariere. Denn der 65jährige auf der Couch ist ein im In- und Ausland anerkannter Professor für innere Medizin und Kardiologie. Doch daß seine intime Begegnung mit einer seiner Studentinnen ausgrechnet im nationalen rumänischen Fernsehprogranm Pro TV zu sehen sein würde hätte er sich in seinen kühnsten Alpträumen nicht ausmalen können.

Von Thomas Wagner |
    Bujor Popa, Reporter bei Pro TV, erzählt die Geschichte jener Studentin, die bei jenem 65jährigen Professor ihre Prüfungen abzulegen hatte. Beim ersten Treffen schon gleich das Angebot: Sex für bessere Noten. Die Studentin, erzählt Popa, sei zum Schein darauf eingegangen, habe aber um ein zweites Treffen gebeten. Was der Professor nicht ahnte: Er war keineswegs alleine mit dem Mädchen. Popa selbst filmte durch einen Türspalt im Nebenraum mit einer versteckten Kamera das, was dann geschah. Noch bevor der Prof so richtig zur Sache kommen konnte, stürmte der Reporter den Raum; wenig später flimmerte das belastende Material über die Bildschirme. Ergebnis : Der 65jährige wurde sofort vom Dienst suspendiert. Aber noch viel wichtiger: In den Unis hat der Beitrag, mitten in der Prüfungszeit, eine Diskussion über ein brisantes Thema losgetreten: Nämlich die Anfälligkeit rumänischer Professors für das eine oder andere Geschenk, für die eine oder andere Gefälligkeit.

    Also meiner Meinung nach war das kein Einzelfall", meint Georgina, Jura-Studentin aus Temeswar. "Eine schlimme Sache, diese Fälle. Denn wir Studenten sind ganz einfach den Professoren untergeordnet. Was wir dagegen tun können ? Na, am besten ist es, wir tun uns irgendwie zusammen, wenn ein solcher Fall nochmals ruchbar werden sollte, um gemeinsam dagegen vorzugehen."

    Die meisten empfinden solche Fälle schon als normal; niemanden kann das wirklich überraschen, so die Wirtschaftsstudentin Marinella.

    Bislang allerdings wurden solche Fälle zumeist totgeschwiegen - ein Tabu, mit dem der Fernsehbeitrag über den Temeswarer Sex-Professor gebrochen hat. Und prompt kamen ein paar Tage später Klagen auf über einen Bukarester Hochschullehrer, der angeblich für Geldgeschenke anfällig gewesen sein soll. Auch ihn hat die Hochschulleitung suspendiert. Und selbst an der Temeswarer Fakultät für Medizin beschäftigt sich Gina Romosan, Präsidentin des Medizinstudentenclubs, nicht zum erstem Mal mit dem Thema "Korruption" unter den Hochschullehrern:

    Dieser Fall liegt schon mehrere Monate, ja fast schon ein Jahr zurück. Damals hatten sich Studenten über eine Assistentin beklagt, die im Rahmen ihrer Vorlesungen ein interessantes Nebengeschäft betrieb: Sie verkaufte bestimme Fachbücher zu überhöhten Preisen. Und wer diese Fachbücher kaute, der bekam bessere Noten. Auch diese Assistentin wurde vom Dienst suspendiert.

    Das war zur Zeit der Ceaucesu-Diktatur, aber auch kurz danach noch anders in Rumänien: Damals, so ist zu hören, waren Dienstleistungen und Geschenke an die Professoren gang und gebe. Und damals hätte kein Studentenprotest irgendetwas dagegen ausrichten können. Das hat sich, wie die jüngsten Fälle zeigen, grundlegend geändert. Das Rechtssystem hat sich auch in Rumänien weiterentwickelt, alte Seilschaften zwischen Hochschullehrern, Politikern und Richtern sind nicht mehr so stark ausgeprägt wie einst. Immerhin bestätigen alle Studenten, dass längst nicht jeder Professor korrupt ist - im Gegenteil: Die Mehrheit der Lehrenden arbeite seriös, obgleich es immer noch, im Vergleich zu Westeuropa, überdurchschnittlich viele schwarze Schafe gibt. Daneben habe man heute aber, im Gegensatz zu früher, durchaus Erfolg mit Beschwerden, wenn tatsächlich Fälle von Korruption vorliegen.Deshalb empfiehlt Studenten-Präsidentin Gina Romosan:

    Zu allererst müssen die Studenten kommen und den Mut fassen, über solche anfälligen Professoren etwas zu sagen. Sie sollten versuchen, das dann auch irgendwie belegen, beweisen zu können. Am besten, man tut sich in einem solchen Fall mit anderen zusammen. Wenn dann drei oder gar vier kommen und das gleiche sagen, kann keiner mehr an solchen Aussagen vorbeigehen. Es fällt dann leichter, die Einleitung einer Untersuchung zu fordern. Aber sie müssen halt wirklich den Mut haben, mit ihren Beobachtungen auch tatsächlich zu kommen.