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Scheinbar unbewegtes Inferno

Astronomie. - Vom Erdboden aus betrachtet ist die Sonne ein weitgehend einheitlich gefärbter glühender Ball. Doch die NASA-Sonde TRACE hat jetzt enthüllt, dass unser Stern ein außerordentlich bewegter Ort ist. Im Internet sind Filme mit den Aufnahmen zu sehen.

    "Die Vorstellungskraft von Wissenschaftlern ist gemessen an den Wundern der Natur klein", meint Alan Title bewundernd. Der Physiker an den Lockheed Martin Research Laboratories in Palo Alto gehört zu dem Team, das die Aufnahmen des "Transition Region and Coronal Explorer", kurz TRACE auswerten. Danach ist die Oberfläche und unmittelbare Umgebung der Sonne ein außerordentlich bewegter Ort. Fast im Minutentakt schießen heiße Gasmassen mit Geschwindigkeiten von bis zu 300 Kilometern in der Sekunde von der Oberfläche empor. Gasschleifen bilden sich, die mehrere 100.000 Kilometer lang sind und minutenlang unverändert verharren. Plötzlich zucken sie unerwartet, drehen sich und reißen auseinander oder fallen auf die Sternoberfläche zurück. Gleichzeitig strömt das Gas auf der Oberfläche wild hin und her. Dass es auf der Sonne so turbulent zugeht, weiß man erst aufgrund der TRACE-Bilder. "Es ist, als ob wir bisher einen ausgestopften Kolibri im Museum gesehen hätten. Da kann man das Skelett und die Federn untersuchen, aber so lange man ihn nicht fliegen sieht, hat man keine Ahnung, was ein Kolibri ist", schwärmt Title.

    Die faszinierenden Bilder von TRACE haben allerdings das Bild von unserem Stern nicht klarer gemacht. Man weiß - wie bisher - dass Magnetfelder im Inneren der Sonne entstehen, nach außen dringen und mit der Sonnenatmosphäre, der Corona, in Wechselwirkung treten. Wie das genau abläuft, weiß man dagegen nicht. Allerdings haben die Aufnahmen der Sonde gezeigt, dass die Corona unerwartet komplex ist. "Die Temperatur der Corona variiert über einen großen Bereich hinweg, wobei ganz unterschiedlich temperierte Bereiche dicht beieinander liegen", so Title. So könnte es auch kommen, dass die Korona so viel heißer ist als die darunter liegende Sonnenoberfläche. Offenbar sorgen Magnetfelder dafür, dass sich die Atmosphäre auf über zehn Millionen Grad aufheizt, während der Stern selbst an der Oberfläche nur 6000 Grad heiß ist. Wer sich die TRACE-Daten ansehen möchte, kann dies auf der Homepage des Laboratoriums tun.

    [Quelle: Dirk Lorenzen]