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Schicke Schuhe, giftiges Wasser

Puma, Nike und Adidas fordern von ihren Zulieferern in Asien und Südamerika, bis 2020 auf den Einsatz in Europa verbotener Chemikalien zu verzichten. Doch vor Ort wurde damit häufig längst großer Schaden angerichtet, etwa im Riachuelo in Argentinien.

Von Anne Herrberg | 20.09.2011
    "Trübe Wasser des Riachuelo", heißt es in einem berühmten Tango über das alte Hafenviertel La Boca von Buenos Aires. Hier begann der industrielle Aufschwung Argentiniens. Heute lockt die geschichtsträchtige Uferpromenade Touristen aus aller Welt. Nur etwas stört die Szenerie: ein höllischer Gestank.

    "Ich kann nicht verstehen, wie man hier ein Steak essen kann. Neben einer Kloake. Denn der Riachuelo ist tot, verpestet durch Abwasser und Industrieabfälle und er mündet im Rio de La Plata, wo das Trinkwasser für jeden dritten Argentinier aufbereitet wird. ""

    Alfredo Alberti. Nach Jahrzehnten voller leerer Versprechungen hat er 2004 gemeinsam mit der Vereinigung "Nachbarn aus La Boca" Klage gegen den argentinischen Staat eingelegt. Vier Jahre später, 2008, fällt der Oberste Gerichtshof ein historisches Urteil: Der Riachuelo muss gereinigt werden.

    Dutzende verrostete Schiffswracks wurden in den letzten Monaten aus dem Flussbett geborgen, treibender Müll abgefangen, einige Kilometer Ufer gereinigt. Die Weltbank finanziert derzeit die Grunderneuerung der veralteten Klärwerke, die bei jedem Regenguss in den Riachuelo überquellen. Ein Anfang, der Hoffnung macht, urteilt Consuelo Bilbao von Greenpeace Argentinien. Die größten Herausforderungen bleibe jedoch die Industrie:

    " "Der Riachuelo gehört zu den 30 giftigsten Gewässern der Welt. Wie die Textilindustrie in Schwellenländern Asiens, leitet hier die Lederindustrie hochgiftige Chemikalien in den Fluss. Darunter sind auch hier Zulieferer für beispielsweise. Puma oder Adidas."

    Nach einer im Juli 2011 gestarteten, internationalen Greenpeace-Kampagne verpflichteten sich die internationalen Marken, bis 2020 weltweit sauber produzieren zu wollen - ihnen folgten in Argentinien einige lokaler Marktführer.

    Juan José Mussi ist Chef von ACUMAR, einer Behörde aus Stadt-, Provinz- und Landesregierung. Nachdem es in den Vorjahren immer wieder Streit um die Verantwortlichkeit gab, ist die ACUMAR nun allein zuständig für den Riachuelo:

    "Einige Unternehmen zeigen sich nun kooperativ, andere nicht. Die bekommen Fristen und wenn sie die nicht einhalten oder sonst wie gegen Auflagen verstoßen, werden sie geschlossen."

    Die Realität im mehr als 2000 Quadratkilometer weiten Delta ist jedoch komplizierter, erklärt Felix Cariboni, der im Greenpeace-Schlauchboot regelmäßig den Fluss abfährt:

    "Es gibt bisher nur rund 35 Kontrolleure für schätzungsweise 16.000 bis 20.000 ansässige Unternehmen Außerdem fehlen detaillierte Analysen über Art, Menge und Auswirkungen der Chemie-Abfälle auf Umwelt und vor allem auch die Gesundheit der Menschen. Fünf Millionen leben im Delta, zwei Millionen direkt an den Ufern."

    Währenddessen beginnen andere Vororte von Buenos Aires politisch aktiv zu werden, die ebenfalls von Umweltverschmutzung betroffen sind. Genau deswegen zieht Alfredo Alberti aus La Boca - trotz aller Kritik - eine positive Bilanz seines jahrelangen Engagements:

    "Der Riachuelo war immer ein Spiegelbild unseres Landes. Müll, Korruption, Elend, in seinem Wasser schwamm alles. Langsam entwickelt sich ein Umweltbewusstsein. Heute sagen wir: Fortschritt ja, aber mit Verantwortung."