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Schieberegler für zufriedene Anleger

Die Krux jeder Anlageberatung ist die Einschätzung der individuellen Risikobereitschaft. Verbraucherschützer bemängeln hier fehlende Transparenz - und bieten nun auf einer Website ein einfaches Tool für die unabhängige Selbsteinschätzung.

Von Philip Banse | 15.07.2010
    Soll sich der Kunde künftig am Computer vorbereiten, bevor er zur Bank geht?

    Das wünschen sich Verbraucherschützer natürlich, denn mündige Verbraucher informieren sich so gut sie können, bevor sie zur Bank gehen. Das Problem: Es wird Verbrauchern sehr schwer gemacht, sich zu informieren. Bessere Verbraucherinformation – das ist auch Ziel des Anlegerschutzgesetzes, das in einigen Tagen erstmal im Kabinett verabschiedet werden soll. Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner, CSU, preist etwa das dann vorgeschriebene Produkt-Informationsblatt, das dann jedem Finanzprodukt beiliegen muss und über Umfang, Risiken und Kosten schnell und übersichtlich aufklären soll. Idee gut, Umsetzung mangelhaft, sagt Gerd Billen, Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbandes, zum Gesetzentwurf:

    "Er hat eine Schwäche darin, dass dieses Produktinformationsblatt nicht dann erstellt werden muss, wenn jemand ein Produkt auf den Markt bringt, sondern es muss mir nur in einem Beratungsgespräch vorgelegt werden. Das ist natürlich völlig unzureichend. Denn ich will ja vorher wissen, welche Produkte mir angeboten werden. Ich möchte mich vorher im Internet informieren, wie die Produkte eingeschätzt werden. Das ist für uns nicht akzeptabel."

    Die Verbraucher bekommen nach dem aktuellen Gesetzentwurf dieses Produktinformationsblatt also viel zu spät. Doch nicht nur das: Der Gesetzentwurf lasse auch offen, wie genau und was genau in diesen Informationsblättern drin stehen müsse, so Billen. Kommt alles wie geplant, könnten Verbraucher eben nicht mal rasch zwei Info-Blätter zur Hand nehmen, um schnell zwei Versicherungen zu vergleichen. Billen fordert einen Standard, nach dem die Produktinformationsblätter gestaltet sein müssen:

    "Man kann es ja nun den Unternehmen nicht selbst überlassen, wie im Rahmen eines solchen Beipackzettels informiert wird. Das muss gesetzlich geregelt werden und von daher hoff ich, dass Frau Aigner und Herr Schäuble ihren Gesetzentwurf noch nachbessern. Ich habe auch beiden einen Brief geschrieben. Denn ohne klare gesetzliche Vorgaben für dieses Informationsblatt, aber auch für den Beratungsprozess, werden die Ankündigungen der Qualitätsoffensive von Frau Aigner völlig versanden und sich in Ankündigungen auflösen."

    Einen Standard verlangt Billen auch für die neue Dokumentationspflicht. Seit Anfang des Jahres müssen Banken und Versicherungen Anlageberatungen schriftlich dokumentieren. So soll später nachvollziehbar sein, warum einem Kunden ein bestimmtes Produkt empfohlen wurde. Die Erfahrungen der Verbraucherschützer und der staatlichen Finanzkontrolle Bafin zeigten jedoch, so Billen, dass die bisherigen Protokolle untauglich seien. So würden Kunden etwa "recht willkürlich" in eine Risikoklasse einsortiert – das ist jedoch die zentrale Frage bei allen Geld-Angelegenheiten: Was bin ich für ein Risikotyp? Will ich viel riskieren, weil ich maximale Rendite will und aber auch mit herben Verlusten leben kann? Oder gehe ich auf Nummer sicher?

    Um diese Frage verständlich, aber wissenschaftlich fundiert zu beantworten, hat die Uni-Mannheim ein Werkzeug ins Internet gestellt. Die Adresse ist lautet behavioral-finance.de/risiko. Dort können Verbraucher angeben, wie viel Geld sie anlegen wollen und mit einem Schieberegler das Risiko erhöhen oder senken. Sie sehen dann grafisch etwas altbacken aufbereitet, wie viel sie potenziell gewinnen und verlieren können. Der Initiator des Projekts Prof. Martin Weber:

    "Das Ziel unseres Forschungsprojekts ist es, den Verbrauchern zu helfen, diese komplexe Frage nach dem Risikotypen in den Griff zu bekommen. Wir glauben, dass man das nur schaffen kann, wenn man das Risiko grafisch darstellt. Und dann sagen die Leute: Ach, das kann ich, das will ich. Oder: Das ist mir zu viel. Man kann rumspielen mit dem Regler, um dann zu der individuell richtigen Entscheidung zu kommen."