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Schiedsrichter-Diskussion
"Hellmut Krugs Bewertungen von Fehlern sind oft personenabhängig"

Bundesliga-Schiedsrichter Manuel Gräfe brachte alles ins Rollen. Seine Vorwürfe: Machtmissbrauch und Vetternwirtschaft im deutschen Schiedsrichterwesen. Die Sportschau und WDR sport inside haben mit einem Erstligaschiedsrichter gesprochen. Er bestätigt die Vorwürfe, will aber anonym bleiben.

Von Mareike Zeck | 28.10.2017
    Schiedsrichter zieht die Rote Karte, Symbolbild
    Der Schiedsrichter, der Gräfes Anschuldigungen bestätigt, will anonym bleiben. Er fürchtet, dass für Offenheit und Transparenz immer noch kein Verständnis da ist. "Manuel Gräfe kämpft in der Öffentlichkeit alleine auf weiter Flur. Wenn man mit einigen Schiedsrichtern spricht, dann bestätigen die seine Aussagen. Aber es gilt eben nicht für alle Schiedsrichter. Einige wollen sich nicht hineinziehen lassen, andere profitieren."
    Manuel Gräfe hatte den früheren Schiedsrichter-Chefs Hellmut Krug und Herbert Fandel vorgeworfen, einzelne Schiedsrichter bewusst zu protegieren. Zu oft sei es nach Gusto statt nach Leistung gegangen. Beide stritten die Vorwürfe öffentlich ab, sprachen von einer "Intrige".
    Krug soll weiterhin Einfluss auf Ansetzungen nehmen
    Der Schiedsrichter, der sich ARD und WDR Anfang des Monats anvertraut hat, bestätigt die Vorwürfe seines Kollegen Gräfe und betont: Gerade Hellmut Krug nehme weiterhin Einfluss auf die Bewertungen durch Schiedsrichterbeobachter und werde von vielen kritisch gesehen.
    "Anfang 2016, im Trainingslager auf Mallorca, hatte sich knapp die Hälfte aller Schiedsrichter in einer anonymen Umfrage über Helmut Krug beschwert. Krug hat ganz klar seine Lieblinge, über die er immer die schützende Hand hält. Seine Bewertungen von Fehlern sind oftmals personenabhängig."
    Probleme beim Videobeweis
    Weder Hellmut Krug noch der DFB wollen zu den Vorwürfen der Vetternwirtschaft Stellung nehmen. Der Verband verweist auf ein laufendes Verfahren der DFB-Ethikkommission.
    Fehlende Transparenz und Offenheit: ein Problem, das sich auch bei einem Prestigeprojekt des deutschen Fußballs zeigt – dem Videobeweis. Verantwortlich als Projektleiter: der ehemalige Chef der Schiedsrichter-Abteilung Hellmut Krug.
    Gegenüber ARD und WDR legt der anonymisierte Bundesliga-Schiedsrichter auch hier den Finger in die Wunde und stellt klar, dass die Probleme, die es mit dem Videobeweis seit Beginn der Saison gibt, nicht überraschend kommen:
    "Warnsignale wurden aus meiner Sicht missachtet. Bereits in der Testphase hat die Kommunikation zwischen Videoschiedsrichter und Schiedsrichter bei Testspielen aufgrund technischer Probleme nicht immer geklappt."
    Mangelnde Bildqualität für Videoschiedsrichter
    Nach Informationen von ARD und WDR soll von außen auf die Kommunikation zugegriffen werden können. Die technischen Rahmenbedingungen generell seien bei fünf parallelen Spielen, wie an einem Bundesliga-Samstag üblich, nie getestet worden. In der laufenden Saison sollen sich mehrere Videoschiedsrichter außerdem über eine unzureichende Bildqualität in der Zentrale beschwert haben. Auch der anonymisierte Schiedsrichter bestätigt das:
    "Mit den Bildern ist ein Großteil der Schiedsrichter nicht zufrieden. Die Qualität der Bilder ist im Vergleich z.B. zu den Bildern der Live-Berichterstattung schlecht. Die Gefahr besteht, dass alles auf dem Rücken der Schiedsrichter ausgetragen wird."
    Keine Antwort vom DFB
    Den Videobeweis hält der Erstliga-Schiedsrichter grundsätzlich für gut. Die Umsetzung ist aus seiner Sicht aber unprofessionell. Wurden Probleme im Vorfeld bewusst verschwiegen? Welche Verantwortung übernimmt Projektleiter Hellmut Krug? Auch zu diesen Vorwürfen schicken ARD und WDR sowohl Krug als auch dem DFB konkrete Fragen – und erhalten keine Antworten.
    Das Thema soll offenbar intern behandelt bleiben. "Mittlerweile gibt es eine Verschwiegenheitserklärung im Zusammenhang mit dem Videoschiedsrichter. Offensichtlich sollen keine Entscheidungsprozesse nach außen dringen."
    Die DFB-Ethikkommission hat den Schiedsrichter-Streit mittlerweile auf dem Tisch. Alle 24 Bundesliga-Schiedsrichter sollen befragt werden. Problembewältigung unter Ausschluss der Öffentlichkeit.