Archiv


Schiedsrichter Kempter degradiert

Die dramatische Wende in der DFB-Schiedsrichter-Affäre um Ex-Funktionär Manfred Amerell und Michael Kempter wirft Fragen auf, die auch bei den anstehenden Schadensersatzprozessen wegen Rufschädigung eine Rolle spielen werden. Jetzt hat der DFB Kempter, der immerhin Fifa-Referee ist, peinlich degradiert, er darf nur noch in der Dritten Liga pfeifen.

Von Thomas Kistner |
    Zur Begründung verwies der Verband nur nebulös auf eine charakterliche Unreife Kempters, es gebe da "Hinweise, die dem Persönlichkeitsprofil sowie einer Vorbildfunktion eines Schiedsrichters in der Elite" abträglich seien. Und Kempter selbst entschuldigt sich für "Irritationen in der Öffentlichkeit", die er verursacht habe.

    Das wirft Fragen an DFB-Präsident Theo Zwanziger auf: Welche Charakterdefizite stellt der DFB plötzlich fest bei einem Mann, der hundert Erst- und Zweitliga-Spiele leitete? Warum darf einer, dem solche Schwächen attestiert werden, nun Drittliga-Profis pfeifen – spielt da die persönliche Eignung keine Rolle? Und für welche Irritationen entschuldigt sich Kempter selbst? Die Antworten darauf weisen in Richtung Amerells, der stets beteuert hat, Kempters Vorwürfe seien unwahr.

    Vor Wochen hat Zwanziger den Referee, der Amerell sexuller Übergriffe bezichtigte, öffentlich ob seines Bekennermuts gefeiert und dabei sogar ein Gerichtsurteil kassiert für den Satz, dass er froh sei, "dass dieses System durch den Mut des Herrn Kempter aufgedeckt worden ist. In anderen Lebensbereichen stellen wir fest, dass nach 40 Jahren die Leute sich melden, weil sie vorher keinen Mut dazu hatten". Das Gericht sah darin einen unzulässigen Vergleich mit den Missbrauchsfällen in der Kirche. Zwanziger hat Berufung eingelegt.
    Nun scheint sich Kempters Mut als Übermut zu entpuppen, der noch teuer werden könnte. Amerell will aber auch den DFB verklagen, der sich früh öffentlich auf Kempters Seite geschlagen hatte – ohne den beschuldigten Familienvater angemessen zu den konkreten Vorwürfen angehört zu haben.

    Weitere Baustellen hat Zwanziger in Südafrika, wo ihn hundertvierzig WM-akkreditierte Journalisten schriftlich aufforderten, einen Rauswurf des DFB-Kommunikationschef Harald Stenger zum Jahresende noch mal zu überdenken. Unter Druck könnte der Verbandschef auch durch die Erfolgsserie Joachim Löws geraten. Der Bundestrainer zählt nach dem Achtelfinal-Triumph über England zu den beliebtesten Deutschen, die Vertragsgespräche mit dem öffentlich angeknockten DFB-Boss wird Löw bald als eine Art Bundeskanzler der Herzen führen können. Dann dürfte er Zwanziger, von dem er sich im Februar mit einem Vertrags-Ultimatum genötigt sah, seine personellen und finanziellen Forderungen diktieren können.