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Schiff ohne Steuermann

Was wird aus den Wagner-Festspielen ohne Gudrun Wagner? Der 88-jährige Wolfgang Wagner wird die künstlerische Leitung abgeben, eine Nachfolgeregelung zeichnet sich nicht ab. Anmerkungen zu einem Dilemma.

Von Christoph Schmitz |
    Gudrun Wagner hat die Erbfolge der Wagners in Bayreuth gesichert, um es einmal monarchistisch zu formulieren. Auch wenn ihr Clan-Eintritt als zweite Frau Wolfgangs die Familie zuerst einmal sprengte. Mit ihrer einzigen Tochter, Katharina, hat Gudrun ein talentiertes, kreatives, mutiges und zupackendes Kind großgezogen, das das Zeug für eine gute Regisseurin und Managerin hat. Und Gudrun hat den Bayreuther Festspielen über Jahrzehnte die Kraft gegeben, die dem heute 88-jährigen Wolfgang mit zunehmendem Alter und zunehmender Gebrechlichkeit verloren ging. Sie war in den letzten Jahren die heimliche Chefin. Nicht alles ist dabei gut gelungen, das autoritäre System des Alleinherrschers Wolfgang wurde verlängert. Der seit Jahren erklingende Ruf nach Erneuerung ist nur allzu berechtigt, denn der Grüne Hügel ist organisatorisch und künstlerisch arg welk geworden.

    Mit Gudrun Wagners Tod hat Wolfgang seine persönliche Stütze verloren (auch wenn die beiden zuletzt alles andere als ein Herz und eine Seele waren) und ist den Festspielen ihre faktische Leiterin abhanden gekommen. Das Kulturschiff Bayreuth hat keinen Steuermann mehr. Keine Richtung ist schlimmer als ein schwieriger Kurs. Die Nachfolgefrage muss also dringend geklärt werden. Der zuständige Stiftungsrat hat erst vor wenigen Wochen die an der Nachfolge interessierten Mitglieder der Wagners um ihre Konzepte gebeten. Wolfgang wird seinen Platz aber nur räumen, wenn er weiß, dass weder seine Nichte Nike, noch seine Tochter aus erster Ehe, Eva, ihn beerben. Katharina soll es werden. Gegen die hat der Stiftungsrat aber noch einige Vorbehalte - zu jung, zu flippig, zu unerfahren. Seit die 29-Jährige sich aber den Dirigenten Christian Thielemann und den Komponisten und Kulturmanager Peter Ruzicka für ein Leitungstrio zur Seite gestellt hat, wird der Rat es schwer haben, in der jetzigen Situation um diese Option herumzukommen. Sei es auch nur für einen zeitlich befristeten Vertrag. Jedenfalls muss schnell gehandelt werden, damit eines der weltweit wichtigsten Opernfestivals nicht noch mehr an Ansehen verliert und Neu-Neu-Bayreuth endlich in See stechen kann.