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Schiffe
Hamburgs Kampf gegen die schwimmenden Stinker

Schiffe sollen in Hamburg für rund ein Drittel aller Stickoxid-Emissionen verantwortlich sein. Die Stadt hat sich zwar inzwischen schon einiges überlegt, wie der Schadstoffausstoß reduziert werden könnte, aber es dürften noch viele Jahre vergehen, bevor die Maßnahmen tatsächlich greifen.

Von Frank Grotelüschen | 24.01.2016
    Das Kreuzfahrtschiff Queen Mary 2 läuft am 18.08.2014 in Hamburg in den Hafen ein.
    Das Kreuzfahrtschiff Queen Mary 2 läuft am 18.08.2014 in Hamburg in den Hafen ein. (picture alliance / dpa / Daniel Bockwoldt)
    "Das eine ist für die Schadstoffe Schwefeldioxid und Stickoxide. Und das andere Rohr ist für den Feinstaub."
    Der Kleine Grasbrook im Hamburger Hafen. An einer der trostlosen Gewerbestraßen steht Thomas Reich vom Institut für Hygiene und Umwelt vor einem bunt angemalten Container, aus dessen Dach zwei Rohre ragen. Es ist eine von 18 Messstellen in Hamburg, die die Luftqualität in der Stadt prüfen. Reich geht auf den Container zu und öffnet die Tür.
    Innen lärmen die Pumpen, und Reich zeigt auf das Rohr, das vom Dach kommt und in einer Glasröhre mündet. "Wir haben hier ein Verteilersystem, wo wir unterschiedliche Schläuche anbringen können, die die Luft zum eigentlichen Messgerät befördern." Eines dieser Messgeräte hat das Format eines Computergehäuses. Es misst den Stickoxid-Gehalt der Hafenluft.
    "Das Ganze läuft automatisch, 24 Stunden am Tag. Die Messung erfolgt nach einem physikalischen Prinzip, die sogenannte Chemilumineszenz, aus der die Menge der Stickoxide berechnet wird."
    Die Daten werden an die Zentrale geschickt und im Internet veröffentlicht. Der aktuelle Wert: 55 Mikrogramm NO2 pro Kubikmeter. Also über dem Jahresmittelwert von 40, aber deutlich unter dem zulässigen Einstunden-Grenzwert von 200. Die Station im Hafen ist noch neu, ist erst seit Herbst in Betrieb. Entsprechend vorläufig sind die Resultate.
    Eine Luftmessstation im Hamburger Hafen.
    Eine Luftmessstation im Hamburger Hafen. (Deutschlandradio / Frank Grotelüschen)
    "Was man bisher sagen kann, ist, dass wir bei den Stickoxiden von den Hintergrund-Messstationen im oberen Belastungsbereich liegen."
    Schwimmende Kraftwerke für Kreuzfahrtschiffe
    Und wie viel davon lässt sich auf den Schiffsverkehr zurückführen? Das lässt sich noch nicht sagen, meint Thomas Reich. Dazu brauche es schlicht mehr Messwerte. Doch Schätzungen zufolge sind Schiffe immerhin für ein Drittel aller Stickoxid-Emissionen in Hamburg verantwortlich. Zwar sind diese Schätzungen ziemlich ungenau. Aber das Problem scheint so groß, dass man in Hamburg nach Wegen sucht, die Stinker zumindest im Hafen sauberer zu machen. Am weitesten ist man bei den Kreuzfahrtschiffen.
    "Die Barge ist 75 Meter lang und ist bestückt mit zwei LNG-Containern, die momentan leer sind. Wenn im Sommer der Betrieb anläuft, sind die Container wieder mit LNG gefüllt und dienen als Brennstoff für die Barge."
    Max Kommorowski steht am Oswaldkai und zeigt auf die Barge. So nennen Seeleute einen Kahn, der weder Antrieb hat noch Besatzung. Die Barge, gebaut von Firma Becker Marine Systems, hat zwei Tanks mit LNG an Bord, mit verflüssigtem Erdgas. Das Gas treibt fünf Stromgeneratoren an, Leistung: 7,5 Megawatt. Ein schwimmendes Kraftwerk, es versorgt Kreuzfahrtschiffe mit Strom, während sie im Hafen liegen. Deren Energiehunger ist enorm. "Wie eine mittlere Kleinstadt. Bei den Schiffen, die Hamburg anlaufen, sprechen wir von einer Größenordnung von sieben Megawatt Strom, die benötigt werden. Was ungefähr einer Vier-Personen-Haushalts-Anzahl von 17.000 Haushalten entspricht."
    Für gewöhnlich versorgt sich ein Schiff mit seinem Bordstromgenerator. Der läuft mit Diesel und pustet gehörig Schadstoffe in die Luft, denn einen Katalysator haben die wenigsten Schiffe. Die Barge dockt quasi an das Schiff an und beliefert es mit deutlich saubererem Strom – das Schiff kann seinen Dieselgenerator abstellen. "Wir haben eine Reduzierung in der NOx-Belastung von circa 80 Prozent. Wir haben keine Feinstäube, und wir haben auch keine Schwefelanteile mehr vorhanden, da natürliches Erdgas keinen Schwefel enthält."
    Die meisten Schiffe haben noch keine geeigneten Stromanschlüsse
    Seit letztem Mai ist die Barge im Betrieb und hat bisher zwölf Einsätze gehabt, sagt Kommorowski. Doch es gibt auch eine Alternative – eine Landstrom-Station am Kreuzfahrt-Terminal in Hamburg-Altona. Hier wird der Strom an Land erzeugt und kommt per Kabel an Bord. Ob dieses Landstrom-Konzept besser ist oder das schwimmende Kraftwerk, lässt sich derzeit noch nicht sagen. Technisch gesehen haben beide ihre Vor- und Nachteile. Ein Problem jedoch ist ihnen gemeinsam: "Sie können beide nicht wirklich effektiv genutzt werden – mit dem Hintergrund, dass nicht genügend Schiffe nach Hamburg kommen, die einen Stromanschluss bereits installiert haben."
    Im Moment verfügen die meisten Schiffe noch nicht über die geeigneten Stromanschlüsse, um sich mit der Barge oder der Landstrom-Station verkabeln zu können. Die Umrüstung dürfte Jahrzehnte dauern – und sich für manche Schiffstypen vielleicht gar nicht lohnen. Und es dürfte auch nicht ganz einfach sein, die Schiffseigner von dem neuen Konzept zu überzeugen. Denn die schadstoffarmen Technologien kosten natürlich Geld und müssen irgendwie finanziert werden. Wie, da hat die Hamburger Umweltbehörde schon ihre Pläne, sagt deren Sprecher Jan Dube.
    "Schiffe mit einer sehr hohen Schadstoffbelastung werden mehr Hafengeld zahlen müssen für ihre Liegezeiten Hamburg. Umgekehrt bekommen die besonders umweltfreundlichen Schiffe einen Bonus, das heißt, zahlen ein geringeres Hafenentgelt. Das wird jetzt entwickelt und soll noch in dieser Wahlperiode greifen."
    Also: Es gibt zwar technische Lösungen, um in einer Hafenstadt wie Hamburg die Schiffsemissionen in den Griff zu bekommen. Doch diese Lösungen auch umzusetzen, dürfte noch Jahre dauern.