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Schiller bei den Bankern
Trivialmelodrama mit großen Momenten

Der Kinofilm "Die Räuber" ist eine sehr freie Übertragung des klassischen Dramas auf die heutige Bankenwelt. Das ist gewagt und öffnet dem Trash Tür und Tor. Regisseur Frank Hoffmann badet ausführlich in den Klischees des Genrefilms. So bleibt eine archaische Familiensage, zu deren Gelingen insbesondere der große Maximilian Schell beiträgt.

Von Josef Schnelle | 19.03.2015
    Maximilian Schell als Mr. Escher und Isild Le Besco als Amalia in einer Szene des Kinofilms "Die Räuber"
    Maximilian Schell als Mr. Escher und Isild Le Besco als Amalia in einer Szene des Kinofilms "Die Räuber" (Jerzy Palacz/COIN FILM)
    Am Ende wirkt die Aktualisierung von Schillers Gedankendrama doch reichlich unausgegoren. Vielleicht wäre es sogar gut gewesen, stilistisch noch schriller zu inszenieren..
    "Seit drei Jahren bin ich jetzt hier. Allein in dieser Zelle. Seit drei Jahren starre ich diese kahlen Wände an. Was für eine Vergeudung. Die Zeit vergeht langsam aber stetig. Das Leben im Gefängnis verändert einen Menschen. Es öffnet den Geist. Ich verspreche euch: Ich fühle eine Armee in meiner Faust."
    Maximilian Schell als Patriarch
    Karl Escher, sehr frei angelehnt an Karl Moor aus Friedrich Schillers berühmtem Drama, hat für seine ganze Sippe insbesondere für seinen intriganten Bruder Franz im Gefängnis gesessen. Nun ist er kurz davor, entlassen zu werden und sinnt auf Rache an seinem Vater und seinem Bruder, die die Bank der Familie zu einer Geldwaschanlage für zwielichtige Investoren gemacht haben. Er schließt sich einer Gangsterbande an. Was ist schon, um es mit Brecht zu sagen, ein Bankraub gegen die Gründung einer Bank. Als Patriarch amtiert in seiner letzten Rolle kein Geringerer als Maximilian Schell.
    "Meine Dame, meine Herren. Es wächst zusammen, was zusammen gehört. Dank des unermüdlichen Einsatzes meines Sohnes – Franz – feiern wir heute das Zusammengehen unserer beiden Banken, die noch die Namen ihrer Gründerväter tragen."
    Sehr freie Übertragung des klassischen Dramas
    Es handelt sich also bei "Die Räuber" um eine sehr freie Übertragung des klassischen Dramas auf die Welt der Banken im Hier und Jetzt. Das ist gewagt und öffnet dem Trash Tür und Tor. Karl isteinmoderner Rächer im Gangstergewand. Frank Hoffmann, Regisseur und Intendant der Ruhrfestspiele in Recklinghausen und Pol Cruchten – beide aus dem nicht eben mit vielen guten Filmen gesegneten Luxemburg- baden ausführlich in den Klischees des Genrefilms. Wie bei Schiller ist es aber die Geschichte zweier ungleicher Brüder, die mit ihren jeweiligen Mitteln um die Gunst ihres verschlossenen Vaters buhlen.
    Bemüht um knallige Erzählung
    Der moralisch verdorbene Franz schreckt dabei vor keiner Finte und keinem noch so schmutzigen Trick zurück. Auch Amalia führt er geschickt in die Irre, die im Unterschied zu Schillers Vorlage nicht die Verlobte Karls, sondern die Schwester der beiden ist. Vor allzu viel Vergleichen mit dem idealistischen ursprünglichen "Sturm und Drang" - Drama sollte man sich jedoch hüten. Das ist so, als wenn man ein großes Landschaftsgemälde mit einem Comic-Strip vergleicht. Der Film "Die Räuber" bemüht sich knallig und direkt zu erzählen. Die Räuber reinigen ihre Maschinenpistolen und aus Schlössern werden Bankgebäude mit Einlasscodes. Die Räuberbande nächtigt nicht mehr im Wald und die Frage nach der Ehre stellt sich ihr gar nicht mehr. Gegenüber Karl sind die Gangster aber zunächst sehr misstrauisch.
    "Karl wird uns fahren. Er ist der Fahrer. Jemand Einwände?" - "Also ich weiß nicht: Karl am Steuer. Ist das nicht riskant? - "Nein, er kennt die Stadt wie seine Westentasche." - "War meine Idee. Wir wissen nicht, ob Karls Informationen stimmen. So behalten wir ihn immer im Blick."
    Darf man so etwas machen? Sich an einem der berühmtesten deutschen Klassiker mit großer Lust am Klischee vergreifen? Zwar gelingen dem Luxemburger Regie Duo Hoffmann/Cruchten ziemlich originelle Szenen und die Kameraarbeit von Jerzy Palacz tut ihr Übriges, um eine surreale Grundstimmung zu erzeugen. Doch am Ende wirkt die Aktualisierung von Schillers Gedankendrama doch reichlich unausgegoren. Vielleicht wäre es sogar gut gewesen, stilistisch noch schriller zu inszenieren.
    Schrillere Inszenierung wäre besser gewesen
    So bleibt eine archaische Familiensage, zu deren Gelingen insbesondere der große Maximilian Schell oft trauernd, manchmal aber auch als Verführer - in diesem Fall seiner Tochter - entscheidend beiträgt. Selbst Tchéky Karyo als Gangsterboss, der versucht, sich zur neuen Vaterfigur von Karl aufzuschwingen, hat inmitten des Trivialmelodramas einige großen Momente. Plötzlich wird der Film sogar ein bisschen ernst.
    "Ich nehme an, Dir ist klar, dass Du die Seite wechselst. Du wirst einer von uns." - "Ich weiß." - "Diese Entscheidung triffst Du ganz allein. Du musst alles aufgeben. Dein früheres Leben. Deine Familie. Deinen Vater." - "Ich hab keinen Vater mehr."