Ich habe große Rechte, über die Natur ungehalten zu sein, und, bei meiner Ehre! Ich will sie geltend machen.
Sie gab mir nichts mit; wozu ich mich machen will, das ist nun meine Sache. Jeder hat gleiches Recht zum Größten und Kleinsten, Anspruch wird an Anspruch, Trieb an Trieb und Kraft an Kraft zernichtet. Das Recht wohnet beim Überwältiger, und die Schranken unserer Kraft sind unsere Gesetze.
Sandra Schulz: Franz heißt die Kanaille? - Die Interpretation über den neidischen und intriganten Franz Mohr dürften nicht weit auseinandergehen. Ein Auszug war das aus dem Schiller-Drama "Die Räuber", einem Stück, das die Liste der Schiller-Inszenierungen aktuell wieder anführt. Sein Gesamtwerk haben wir im Schiller-Jahr 2005 das letzte Mal ausführlich gewürdigt, damals, 200 Jahre nach seinem Tod. Nun kommt schon das nächste runde Jubiläum: Am 10. November 1759, also vor 250 Jahren, wurde Friedrich Schiller in Marbach am Neckar geboren. Darum firmiert das junge Jahr 2009 wieder unter dem Titel "Schiller-Jahr", jedenfalls in Baden-Württemberg. Thema hier im Deutschlandfunk in den kommenden Minuten. Am Telefon begrüße ich den Direktor des Deutschen Literaturarchivs Marbach. Guten Morgen, Professor Ulrich Raulff.
Ulrich Raulff: Guten Morgen, Frau Schulz.
Schulz: Die Pause zwischen den beiden Schiller-Jahren war ja nur kurz. Hat Schiller das überhaupt nötig?
Raulff: Das ist Schillers Glück, das ist Schillers ganzes Unglück, weil man natürlich im Abstand von vier, fünf Jahren nicht gut zweimal groß feiern kann, die ganze Nation in Bewegung und alle Schulen und alle Theater und so weiter mobilisieren kann. Aber mal sehen, was daraus wird.
Schulz: In Weimar, dem Ort, an dem Schiller ja gestorben ist, fallen die Feierlichkeiten vorsichtig gesagt viel bescheidener aus. Die Klassik-Stiftung in Weimar hat dieses Jahr sogar ausdrücklich nicht zum Schiller-Jahr erklärt. Zeigt sich da auch die schwäbische Geschäftstüchtigkeit?
Raulff: Das weiß ich nicht. Ich würde mal vermuten nein. Der Grund ist in dem Falle, dass Schiller ja in Marbach, also in Schwaben, geboren ist. In Weimar hat er ja nur den Fehler begangen zu sterben. Deshalb mussten die Weimarer vor vier Jahren besonders ran und haben da auch sehr tüchtig gefeiert, während in diesem kommenden Jahr, wo es den 250. Geburtstag zu feinern gilt, natürlich Marbach dran ist.
Schulz: Ich habe mir den Veranstaltungskalender mal angeschaut. Es gibt einen Marbacher Schiller-Sonntag, der für den November geplant ist. Da ist bei Ihnen im Literaturarchiv Tag der offenen Tür und gleichzeitig ist ein verkaufsoffener Sonntag. Das ist die Art von Geschäftstüchtigkeit, die ich meine?
Raulff: Ja, aber das hat Tradition. Das gibt es jedes Jahr. Das ist traditionell so. Das ist auch ganz nett für uns wie für die Stadt, denn dadurch verdoppelt sich das Publikum. Die einen, die wollen halt ein bisschen einkaufen gehen und über den Markt schlendern, und die anderen gehen lieber ins Museum. Manchmal tauscht sich das aus und davon profitieren beide Seiten. Das ist ganz in Ordnung.
Schulz: Verstehe. - Ein Jahr schlechter Nachrichten hat ja Bundeskanzlerin Merkel prophezeit. Ist das die richtige Zeit, die Krisenzeit, Schiller zu lesen?
Raulff: Ich glaube, Schiller kann in der Krise nur noch heller leuchten und uns vielleicht auch noch mehr geben, als er das in guten Zeiten kann. Schiller ist sicher kein Schönwetterdichter oder ein Begleiter für Sonnentage, sondern gerade, wenn es hart wird, wenn es schwierig wird, dann ist Schiller doch eine wirklich sichere Bank.
Schulz: Was leuchtet an Schiller überhaupt so hell?
Raulff: Na, die Sprache. Ich meine, da gibt es gar keine Frage, gar keinen Zweifel. Wenn Sie das mal laut gelesen haben oder wenn Sie das auf der Bühne gehört haben, das ist einfach ein so unglaublich pathetischer, aber auch kraftvoller Rhythmus und eine lebensvolle Sprache, Theatersprache. Das hat seines gleichen in deutscher Sprache, glaube ich, sonst nicht.
Schulz: Einen Vorwurf wird man Schiller ja nicht machen können, dass er ökonomisch umgehe mit der Sprache. Ist dieses Fehlen an ökonomischem Umgang denn überhaupt im Jahr 2009 angebracht?
Raulff: Na ja, wenn uns im Jahr 2009 auch noch die Worte ausgehen und die richtigen Worte ausgehen, dann steht es wirklich schlecht um uns, glaube ich. Da ist Schiller wie gesagt eine gute Bank, die immer noch viel Kredit gibt.
Schulz: Also der opulente Umgang mit der Sprache auch als Vorbild sozusagen fürs Konsumverhalten?
Raulff: Ja! Ich meine einerseits: Worte kosten nichts. Aber Worte können sehr, sehr viel bewirken - das weiß jeder - und können auch ökonomisch und energetisch viel bewirken. Da ist Schiller wirklich der beste Zeuge dafür.
Schulz: 1782 wurden "Die Räuber" uraufgeführt. Da war Schiller selbst erst 22 und vor allem war das jugendliche Publikum begeistert. Was ist denn das Jugendliche an seinem Werk?
Raulff: Natürlich einerseits dieser unglaubliche Schwung, den er hat, aber dann natürlich auch die Themen, die er hat, die Figuren, die er hat, diese zerrissenen und gebrochenen Figuren, diese großen Verbrecher, Verbrecher zum Teil aus Leidenschaft, zum Teil aus verletztem Stolz, aber auch die großen Zauderer und Zögerer. Er hat so interessante Figuren. Thomas Mann hat damals gesagt vor 50 Jahren, als es seines 200. Geburtstages zu gedenken galt, er kann so intrigant spannend erzählen. Das teilt sich, glaube ich, auch durchaus und zwanglos jeder Generation wieder aufs Neue mit.
Schulz: Und wenn diese Generation, die nun junge Generation, das nicht freiwillig merkt, mit welchen Argumenten werben Sie?
Raulff: Mit den Argumenten, mit denen auch die Schule wirbt: Gehen Sie doch mal ins Theater. Schauen Sie sich mal eine gute Inszenierung an. Es hat natürlich in den letzten Jahren jede Menge idiotische Inszenierungen, schlechte Aktualisierungen von den "Räubern" gegeben, aber es hat auch fabelhafte Inszenierungen gegeben. Im letzten Jahr gab es dreimal "Wallenstein" auf deutschen Bühnen und Andrea Breth hat ganz, ganz tolle Inszenierungen gemacht, bei denen wirklich die Sprache im Vordergrund stand.
Schulz: Die Themen Freiheit, Selbstverantwortung, werden wir die neu in den Mittelpunkt stellen über Schiller im Jahr 2009?
Raulff: Ja, sicher. Das war schon das Thema des Jahres 2005 - Freiheit - und das wird es natürlich auch in diesem Jahr 2009 wieder sein. Und es gibt ja auch Grund genug dafür, den politischen Schiller ernst zu nehmen und immer wieder neu zu entdecken.
Schulz: Aber wie können wir das plausibel machen in Zeiten, in denen gerade die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit schrumpft?
Raulff: Schiller selbst, wenn man jetzt mal biographisch argumentiert, hat sich ja schon unter sehr, sehr schwierigen Bedingungen ein Leben erschrieben, also auch ein wirtschaftliches, ein ökonomisches Leben erschrieben. Gerade wenn die äußeren Spielräume des Verhaltens begrenzt werden oder schmäler werden, dann ist es wichtig, dass man sich die inneren Spielräume, also die geistigen, die intellektuellen Spielräume sichert.
Schulz: Was lesen Sie im Jahr 2009 von Schiller?
Raulff: Ich werde sicher einige Stücke mal wieder genau lesen, die ich nur noch blass in Erinnerung habe. Ich werde den "30-jährigen Krieg" wieder lesen, den ich auch nur noch schwach in Erinnerung habe, und ich werde natürlich auch ein bisschen schauen, was an interessanten Büchern über Schiller kommt.
Sie gab mir nichts mit; wozu ich mich machen will, das ist nun meine Sache. Jeder hat gleiches Recht zum Größten und Kleinsten, Anspruch wird an Anspruch, Trieb an Trieb und Kraft an Kraft zernichtet. Das Recht wohnet beim Überwältiger, und die Schranken unserer Kraft sind unsere Gesetze.
Sandra Schulz: Franz heißt die Kanaille? - Die Interpretation über den neidischen und intriganten Franz Mohr dürften nicht weit auseinandergehen. Ein Auszug war das aus dem Schiller-Drama "Die Räuber", einem Stück, das die Liste der Schiller-Inszenierungen aktuell wieder anführt. Sein Gesamtwerk haben wir im Schiller-Jahr 2005 das letzte Mal ausführlich gewürdigt, damals, 200 Jahre nach seinem Tod. Nun kommt schon das nächste runde Jubiläum: Am 10. November 1759, also vor 250 Jahren, wurde Friedrich Schiller in Marbach am Neckar geboren. Darum firmiert das junge Jahr 2009 wieder unter dem Titel "Schiller-Jahr", jedenfalls in Baden-Württemberg. Thema hier im Deutschlandfunk in den kommenden Minuten. Am Telefon begrüße ich den Direktor des Deutschen Literaturarchivs Marbach. Guten Morgen, Professor Ulrich Raulff.
Ulrich Raulff: Guten Morgen, Frau Schulz.
Schulz: Die Pause zwischen den beiden Schiller-Jahren war ja nur kurz. Hat Schiller das überhaupt nötig?
Raulff: Das ist Schillers Glück, das ist Schillers ganzes Unglück, weil man natürlich im Abstand von vier, fünf Jahren nicht gut zweimal groß feiern kann, die ganze Nation in Bewegung und alle Schulen und alle Theater und so weiter mobilisieren kann. Aber mal sehen, was daraus wird.
Schulz: In Weimar, dem Ort, an dem Schiller ja gestorben ist, fallen die Feierlichkeiten vorsichtig gesagt viel bescheidener aus. Die Klassik-Stiftung in Weimar hat dieses Jahr sogar ausdrücklich nicht zum Schiller-Jahr erklärt. Zeigt sich da auch die schwäbische Geschäftstüchtigkeit?
Raulff: Das weiß ich nicht. Ich würde mal vermuten nein. Der Grund ist in dem Falle, dass Schiller ja in Marbach, also in Schwaben, geboren ist. In Weimar hat er ja nur den Fehler begangen zu sterben. Deshalb mussten die Weimarer vor vier Jahren besonders ran und haben da auch sehr tüchtig gefeiert, während in diesem kommenden Jahr, wo es den 250. Geburtstag zu feinern gilt, natürlich Marbach dran ist.
Schulz: Ich habe mir den Veranstaltungskalender mal angeschaut. Es gibt einen Marbacher Schiller-Sonntag, der für den November geplant ist. Da ist bei Ihnen im Literaturarchiv Tag der offenen Tür und gleichzeitig ist ein verkaufsoffener Sonntag. Das ist die Art von Geschäftstüchtigkeit, die ich meine?
Raulff: Ja, aber das hat Tradition. Das gibt es jedes Jahr. Das ist traditionell so. Das ist auch ganz nett für uns wie für die Stadt, denn dadurch verdoppelt sich das Publikum. Die einen, die wollen halt ein bisschen einkaufen gehen und über den Markt schlendern, und die anderen gehen lieber ins Museum. Manchmal tauscht sich das aus und davon profitieren beide Seiten. Das ist ganz in Ordnung.
Schulz: Verstehe. - Ein Jahr schlechter Nachrichten hat ja Bundeskanzlerin Merkel prophezeit. Ist das die richtige Zeit, die Krisenzeit, Schiller zu lesen?
Raulff: Ich glaube, Schiller kann in der Krise nur noch heller leuchten und uns vielleicht auch noch mehr geben, als er das in guten Zeiten kann. Schiller ist sicher kein Schönwetterdichter oder ein Begleiter für Sonnentage, sondern gerade, wenn es hart wird, wenn es schwierig wird, dann ist Schiller doch eine wirklich sichere Bank.
Schulz: Was leuchtet an Schiller überhaupt so hell?
Raulff: Na, die Sprache. Ich meine, da gibt es gar keine Frage, gar keinen Zweifel. Wenn Sie das mal laut gelesen haben oder wenn Sie das auf der Bühne gehört haben, das ist einfach ein so unglaublich pathetischer, aber auch kraftvoller Rhythmus und eine lebensvolle Sprache, Theatersprache. Das hat seines gleichen in deutscher Sprache, glaube ich, sonst nicht.
Schulz: Einen Vorwurf wird man Schiller ja nicht machen können, dass er ökonomisch umgehe mit der Sprache. Ist dieses Fehlen an ökonomischem Umgang denn überhaupt im Jahr 2009 angebracht?
Raulff: Na ja, wenn uns im Jahr 2009 auch noch die Worte ausgehen und die richtigen Worte ausgehen, dann steht es wirklich schlecht um uns, glaube ich. Da ist Schiller wie gesagt eine gute Bank, die immer noch viel Kredit gibt.
Schulz: Also der opulente Umgang mit der Sprache auch als Vorbild sozusagen fürs Konsumverhalten?
Raulff: Ja! Ich meine einerseits: Worte kosten nichts. Aber Worte können sehr, sehr viel bewirken - das weiß jeder - und können auch ökonomisch und energetisch viel bewirken. Da ist Schiller wirklich der beste Zeuge dafür.
Schulz: 1782 wurden "Die Räuber" uraufgeführt. Da war Schiller selbst erst 22 und vor allem war das jugendliche Publikum begeistert. Was ist denn das Jugendliche an seinem Werk?
Raulff: Natürlich einerseits dieser unglaubliche Schwung, den er hat, aber dann natürlich auch die Themen, die er hat, die Figuren, die er hat, diese zerrissenen und gebrochenen Figuren, diese großen Verbrecher, Verbrecher zum Teil aus Leidenschaft, zum Teil aus verletztem Stolz, aber auch die großen Zauderer und Zögerer. Er hat so interessante Figuren. Thomas Mann hat damals gesagt vor 50 Jahren, als es seines 200. Geburtstages zu gedenken galt, er kann so intrigant spannend erzählen. Das teilt sich, glaube ich, auch durchaus und zwanglos jeder Generation wieder aufs Neue mit.
Schulz: Und wenn diese Generation, die nun junge Generation, das nicht freiwillig merkt, mit welchen Argumenten werben Sie?
Raulff: Mit den Argumenten, mit denen auch die Schule wirbt: Gehen Sie doch mal ins Theater. Schauen Sie sich mal eine gute Inszenierung an. Es hat natürlich in den letzten Jahren jede Menge idiotische Inszenierungen, schlechte Aktualisierungen von den "Räubern" gegeben, aber es hat auch fabelhafte Inszenierungen gegeben. Im letzten Jahr gab es dreimal "Wallenstein" auf deutschen Bühnen und Andrea Breth hat ganz, ganz tolle Inszenierungen gemacht, bei denen wirklich die Sprache im Vordergrund stand.
Schulz: Die Themen Freiheit, Selbstverantwortung, werden wir die neu in den Mittelpunkt stellen über Schiller im Jahr 2009?
Raulff: Ja, sicher. Das war schon das Thema des Jahres 2005 - Freiheit - und das wird es natürlich auch in diesem Jahr 2009 wieder sein. Und es gibt ja auch Grund genug dafür, den politischen Schiller ernst zu nehmen und immer wieder neu zu entdecken.
Schulz: Aber wie können wir das plausibel machen in Zeiten, in denen gerade die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit schrumpft?
Raulff: Schiller selbst, wenn man jetzt mal biographisch argumentiert, hat sich ja schon unter sehr, sehr schwierigen Bedingungen ein Leben erschrieben, also auch ein wirtschaftliches, ein ökonomisches Leben erschrieben. Gerade wenn die äußeren Spielräume des Verhaltens begrenzt werden oder schmäler werden, dann ist es wichtig, dass man sich die inneren Spielräume, also die geistigen, die intellektuellen Spielräume sichert.
Schulz: Was lesen Sie im Jahr 2009 von Schiller?
Raulff: Ich werde sicher einige Stücke mal wieder genau lesen, die ich nur noch blass in Erinnerung habe. Ich werde den "30-jährigen Krieg" wieder lesen, den ich auch nur noch schwach in Erinnerung habe, und ich werde natürlich auch ein bisschen schauen, was an interessanten Büchern über Schiller kommt.