Eigentlich wurde Schiller von Kants drei Kritiken, vor allem der Kritik der Urteilskraft, zu einer eigenen Theorie provoziert. Kants Vernunftethik, so begründet sie war, empfand er ihrem Wesen nach als viel zu abstrakt, und er antwortet darauf mit mehreren Abhandlungen, vor allem mit der heute wohl noch bekanntesten "Über Anmut und Würde" im Jahr 1793. Doch noch im selben Jahr verfaßt er auch die Abhandlung "Über die ästhetische Erziehung des Menschen, in einer Reihe von Briefen", und sie erweisen sich für die Schiller-Biographin Marie Haller-Nevermann als wahre Fundgrube für den Nachweis des modernen, weit über seine Zeit hinausweisenden Denkers Friedrich Schiller.
Gerade in seiner Brieffolge zur ästhetischen Erziehung zeigt sich Schiller als auch als politischer Kopf und Visionär, auch wenn sich sein Enthusiasmus für den idealen Staat im Lauf der Zeit stark relativiert. Zunächst aber sind es die Fehlentwicklungen der französischen Revolution, das Ausufern in Gewaltexzesse mit der Ermordung Ludwigs XVI., die nach Schillers Auffassung beweisen, dass es der reinen Philosophie unmöglich sei, eine Gesellschaft oder einen Staat allein durch logische Ableitungen zu konstituieren und die Menschen mit strenger philosophischer Logik zur Einsicht in das ethisch Gute zu bewegen. Der Mensch, der zwischen tierischer und geistiger Natur steht, bedarf einer sorgfältigen Erziehung, die nur über Kunst und Literatur gewährt werden kann - denn nur Kunst und Literatur seien Schiller zufolge in der Lage, den Menschen in seiner sinnlichen Wahrnehmung anzusprechen.
Der innere Bund der menschlichen Natur sei in der Entwicklung der abendländischen Zivilisation seit den Griechen zerrissen, schreibt er im 6. Brief., "und ein verderblicher Streit entzweite ihre harmonischen Kräfte". Anders als noch Rousseau, der sich in seiner Staatsphilosophie vor allem auf die äußere Gestalt des Menschen bezog, sieht Schiller die Gesellschaft als Ausdruck der inneren, oft unbewußter seelischer Kräfte der einzelnen Menschen, und gerade bei diesem Unbewußten der Seelenkräfte setze die Wirkung von Literatur und Kunst an. "Der Mensch spielt nur da, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da Mensch, wo er spielt." So lautet eine berühmte Wendung aus dem 15.Brief, die Max Kommerell, den Cheftheoretiker des George-Kreises, noch 1941 dazu veranlaßte, Schiller als den "großen Künder des Unbewußten" zu preisen, dessen Annahmen manches von dem vorwegnähmen, was Freud erst viel später in seiner Grundlegung der Psychoanalyse ausgeführt hat.
Gleichauf damit analysiert Schiller im selben 6. Brief das Problem der kulturellen Entfremdung, mit Worten, die man eigentlich erst einige Jahrzehnte später von Marx und Engels erwarten würde. Zitat: "Der Genuß wurde von der Arbeit, das Mittel vom Zweck, die Anstrengung von der Belohnung geschieden. Ewig nur an ein einzelnes kleines Bruchstück des Ganzen gefesselt, bildet sich der Mensch selbst nur als Bruchstück aus, ewig nur das eintönige Geräusch des Rades, das er umtreibt, im Ohre, entwickelt er nie die Harmonie seines Wesens, und anstatt die Menschheit in seiner Natur auszuprägen, wird er bloß zu einem Abdruck seines Geschäfts." Und das oberste Gebot des ästhetischen Bewußtsein ist laut dem 12. Brief die Entwicklung eines "Formtriebes", denn wo dieser "die Herrschaft führt, da ist die höchste Erweiterung des Seins, da verschwinden alle Schranken" in einer Ideeneinheit, die alle Erscheinungen umfaßt. Zitat ende. Das sind Vorläufer von Lehren der modernen Abstraktion, man denke an Paul Klee und Kandinsky und das Bauhaus, in der die ideale Form zum Stilprinzip für die immergleichen Inhalte erhoben wird.
Überhaupt ist es der Lehr-Charakter der Kunst, die pädagogische Intention, die den Menschen zu einem zuverlässigen Glied in der Verbindung von Natur und Vernunft machen, die vieles mit der Reformpädagogik des ausgehenden 19. Jahrhunderts gemein hat. Aber Schillers utopische Vision eines Bildungsstaates als einem "Reich des ästhetischen Scheins, in dem das Ideal der Gleichheit aller Menschen erfüllt wird", wirkt andererseits heute auf üble Weise alles andere als zeitgemäß. Das Scheitern des "Projekts der Moderne" hat unübersehbar zu einer Ablösung der Künste von der Gesellschaft geführt. Gegen Ende seines Lebens war Schiller allerdings bereits selbst schon desillusioniert genug, um die doch begrenzten erzieherischen Möglichkeiten hinsichtlich der menschlichen Natur einzusehen, als "Idee, die von der Wirklichkeit nie ganz erreicht werden kann."
Gerade in seiner Brieffolge zur ästhetischen Erziehung zeigt sich Schiller als auch als politischer Kopf und Visionär, auch wenn sich sein Enthusiasmus für den idealen Staat im Lauf der Zeit stark relativiert. Zunächst aber sind es die Fehlentwicklungen der französischen Revolution, das Ausufern in Gewaltexzesse mit der Ermordung Ludwigs XVI., die nach Schillers Auffassung beweisen, dass es der reinen Philosophie unmöglich sei, eine Gesellschaft oder einen Staat allein durch logische Ableitungen zu konstituieren und die Menschen mit strenger philosophischer Logik zur Einsicht in das ethisch Gute zu bewegen. Der Mensch, der zwischen tierischer und geistiger Natur steht, bedarf einer sorgfältigen Erziehung, die nur über Kunst und Literatur gewährt werden kann - denn nur Kunst und Literatur seien Schiller zufolge in der Lage, den Menschen in seiner sinnlichen Wahrnehmung anzusprechen.
Der innere Bund der menschlichen Natur sei in der Entwicklung der abendländischen Zivilisation seit den Griechen zerrissen, schreibt er im 6. Brief., "und ein verderblicher Streit entzweite ihre harmonischen Kräfte". Anders als noch Rousseau, der sich in seiner Staatsphilosophie vor allem auf die äußere Gestalt des Menschen bezog, sieht Schiller die Gesellschaft als Ausdruck der inneren, oft unbewußter seelischer Kräfte der einzelnen Menschen, und gerade bei diesem Unbewußten der Seelenkräfte setze die Wirkung von Literatur und Kunst an. "Der Mensch spielt nur da, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da Mensch, wo er spielt." So lautet eine berühmte Wendung aus dem 15.Brief, die Max Kommerell, den Cheftheoretiker des George-Kreises, noch 1941 dazu veranlaßte, Schiller als den "großen Künder des Unbewußten" zu preisen, dessen Annahmen manches von dem vorwegnähmen, was Freud erst viel später in seiner Grundlegung der Psychoanalyse ausgeführt hat.
Gleichauf damit analysiert Schiller im selben 6. Brief das Problem der kulturellen Entfremdung, mit Worten, die man eigentlich erst einige Jahrzehnte später von Marx und Engels erwarten würde. Zitat: "Der Genuß wurde von der Arbeit, das Mittel vom Zweck, die Anstrengung von der Belohnung geschieden. Ewig nur an ein einzelnes kleines Bruchstück des Ganzen gefesselt, bildet sich der Mensch selbst nur als Bruchstück aus, ewig nur das eintönige Geräusch des Rades, das er umtreibt, im Ohre, entwickelt er nie die Harmonie seines Wesens, und anstatt die Menschheit in seiner Natur auszuprägen, wird er bloß zu einem Abdruck seines Geschäfts." Und das oberste Gebot des ästhetischen Bewußtsein ist laut dem 12. Brief die Entwicklung eines "Formtriebes", denn wo dieser "die Herrschaft führt, da ist die höchste Erweiterung des Seins, da verschwinden alle Schranken" in einer Ideeneinheit, die alle Erscheinungen umfaßt. Zitat ende. Das sind Vorläufer von Lehren der modernen Abstraktion, man denke an Paul Klee und Kandinsky und das Bauhaus, in der die ideale Form zum Stilprinzip für die immergleichen Inhalte erhoben wird.
Überhaupt ist es der Lehr-Charakter der Kunst, die pädagogische Intention, die den Menschen zu einem zuverlässigen Glied in der Verbindung von Natur und Vernunft machen, die vieles mit der Reformpädagogik des ausgehenden 19. Jahrhunderts gemein hat. Aber Schillers utopische Vision eines Bildungsstaates als einem "Reich des ästhetischen Scheins, in dem das Ideal der Gleichheit aller Menschen erfüllt wird", wirkt andererseits heute auf üble Weise alles andere als zeitgemäß. Das Scheitern des "Projekts der Moderne" hat unübersehbar zu einer Ablösung der Künste von der Gesellschaft geführt. Gegen Ende seines Lebens war Schiller allerdings bereits selbst schon desillusioniert genug, um die doch begrenzten erzieherischen Möglichkeiten hinsichtlich der menschlichen Natur einzusehen, als "Idee, die von der Wirklichkeit nie ganz erreicht werden kann."