
"Wo waren Sie gestern zwischen 18 und 20 Uhr?" - die Standardfrage im deutschen Krimi wollte Regisseur Hajo Gies 1981 nicht mehr stellen. Auch die alten Kommissare, die eher patriarchale Figuren gewesen seien, die über der Handlung schweben, hatten für ihn ausgedient. "Krimi ist für mich Polizeiarbeit", sagte der Regisseur im Dlf. Er und sein Team haben damals ein neues Krimikonzept entwickelt, bei dem der Ermittler im Mittelpunkt steht. Der sollte Emotionen haben und sich von Gefühlen leiten lassen. Und einen Mord aufklären. "Den ganzen Psychokram finde ich lächerlich", so Gies zu einigen Tatorten von heute.
Neue Erzählperspektive mit Schimanski
Mit Schimanski habe er damals auch das gleichberechtigte Ermittler-Duo eingeführt und eine neue Erzählperspektive entwickelt, nämlich die der Polizei. Damit habe er gegen viele Widerstände in den Sendeanstalten ankämpfen müssen, so Gies. Wenn alles aus Sicht der Ermittler gedreht wird, sei die Arbeit für die Autoren viel schwieriger, weil sie sich nicht zu einer anderen Figur wegflüchten können, wenn sie nicht weiter wissen. "Bei uns muss man immer dran bleiben", erklärt Hajo Gies im Corsogespräch. In der ersten Folge "Duisburg Ruhrort" sei schon alles angelegt gewesen, was sie sich vorgestellt hätten. "Das ist der Beste von allen."

Gies kein Fan von Tatort-Komödien
Tatort-Fan sei er heute nicht, er schalte sehr selten ein. "Ich habe ja genug gemacht, und was ich von Tatort denke, das habe ich ja gezeigt", sagte Gies. Viele Tatorte von heute gefallen ihm nicht, weil sie das Genre seiner Meinung nach nicht ernst nehmen, zum Beispiel der Münster-Tatort. "Das geht mir ein bisschen zu weit, weil es nur noch Komödie ist, und wenn alles komisch ist, ist nichts mehr komisch", das sei die Gefahr bei Thiel und Börne. Auch bei den experimentellen Krimis mit Ulrich Tukur finde er oft nur die Idee gut, aber die trage meist nicht über 90 Minuten. Außerdem hätten sie die Haltung des Intellektuellen, der sich dem Krimi nähert, und der zeigen müsse, dass er Krimis eigentlich nicht mag. "Er nimmt ihn nicht ernst und schaut von oben ironisch lächelnd herab auf das Genre", so Gies.
Neues Projekt - Schimanskis Tochter
Auch der Tatort als Lagerfeuer, um das sich die Deutschen am Sonntagabend versammeln, habe ihn nie interessiert. Dass die Zuschauer heute beim Tatortgucken chatten, findet Hajo Gies genauso grauenhaft wie die eingeblendeten Programmhinweise. "Das ist respektlos und unverschämt. Als Kamermann macht man sich Mühe, ein gutes Bild zu machen, und dann hauen die das da rein", ärgert sich Gies.
Trotz aller Widerstände von damals zählen die Schimanski-Tatorte heute zu den beliebtesten, den Grimmepreis hat er dafür auch bekommen. Aktuell gibt es Pläne, an die Figur anzuknüpfen. Anfang des Jahres war Hajo Gies Berater für die geplante Serie "Seine Tochter", in der die Tochter vom Duisburger Kommissar im Zentrum stehen soll. Ein Versuchsballon sei schon gedreht worden, von engagierten Leuten aus Berlin. Corona habe das Projekt erst einmal unterbrochen. "Ob das realisierbar ist, das weiß man nie."