Es beginnt mit einem Schlagzeug-Solo. Die innere Gemütslage des Adolf Wölfli wird so imaginiert, wie überhaupt der dänische Komponist Per Nørgård vor allem mit geräuschartigen Klängen arbeitet. Die Saaltüren sind noch offen, das Licht im Zuschauerraum angeknipst. Auf der Gazewand sieht man wechselnde Projektionen der wie serielle Malerei anmutenden Zeichnungen Wölflis.
Im Hintergrund als Spot Szenen seiner Biografie, die ihm mit 31 Jahren die Diagnose Schizophrenie und die Einweisung in die psychiatrische Anstalt Waldau bei Bern einbrachten: Wie er unter die Bettdecke eines Kinderwagens greift und das an dem Baby-Körper Ertastete an den Fingern riecht und schmeckt; wie die Mutter ihn früh verlässt; wie sich gleichsam sein eigenes Ich in viele Adolfs spaltet.
Spaltung ist auch das szenische Prinzip der Inszenierung dieser Wölfli-Oper "Der göttliche Tivoli" am Theater Lübeck. Sandra Leupold, die diese Deutsche Erstaufführung der schon 1983 in Århus uraufgeführten Oper besorgte, arbeitet mit viel körperlichen, auch pantomimischen Aktionen: Klettern, Springen, Stürzen, in den Boden versinken, am Seil herab oder hinauf schweben und gleichsam wieder auferstehen.
Im ersten Akt blickt Adolf gleichsam innerlich zurück auf sein Leben. Die (Papier-)Wände seiner häuslichen Welt werden rissig, löchrig. Fantasie-Gestalten tauchen auf: Heilige, Huren. Während die Familie festlich speist, veranstaltet er unter dem Tisch mit seiner kleinen Freundin Doktorspiele, "verspeist", vergewaltigt sie. Und auch bei der Dienerschaft geht's dann plötzlich sehr heftig zur Sache.
Die Wandlungen der Mädchen- und Frauenfiguren, die seine Sinne reizen, wird sehr deutlich ausgespielt. Der zweite Teil zeigt Wölfli dann gleichsam eingelocht in seinem engen Verlies in der Psychiatrie, und die Figuren seiner Vergangenheit suchen ihn dort wieder heim, necken ihn, äffen ihn. Dabei will er nur einfach endlich zur Ruhe kommen. Er klettert heraus aus dem Käfig; und die Figuren klettern mit.
Am Ende entschwebt er gleichsam als Heiliger in den Bühnenhimmel. Und es sind ja viele Maler der Moderne, von Jean Dubuffet bis Max Ernst, die sich auf Wölflis akribische, unendlich viele Zeichnungen, Texte, Collagen in ihrer Kunst als wegweisend bezogen.
Die Oper Per Nørgårds reizt, einmal wieder mit der Kunst und der Biografie dieses Schweizer Malers, Zeichners und Sprachkünstlers Adolf Wölfli sich zu beschäftigen. In der Übertitelung der Dialoge hat man auch die sehr eigenwillige Orthografie Wölflis nachzuempfinden versucht, was allerdings das Mitverfolgen der Texte auch nicht ganz einfach macht.
Ein junges, spielfreudiges Ensemble mit achtfachem Wölfli und der Freundin in vielerlei Gestalt, der jungen Sängerin Andrea Stadel, die sich in ihren stimmlichen und darstellerischen Möglichkeiten sehr entwickelt hat, wird aufgeboten. Dorian Keilhack leitet das kleine Ensemble von sechs Schlagzeugern, Violoncello und Synthesizer, das gleichsam die dramaturgischen Akzente setzt.
Am Ende gab es viel Beifall im Lübecker Theater, das mit Aufführungen von Werken aus dem umgebenden Ostseeraum schon eine gewisse Tradition entwickelt hat. Die Inszenierung Sandra Leupolds in der Ausstattung von Barbara Rückert ist gut kalkuliert, berühren kann sie freilich nur sehr partiell. Eher wirkt sie wie ein klinischer Bericht.
Der aber zeigt doch auch das Wegweisende des Wölfli in der Klinik begleitenden Arztes Walter Morgenthaler: dass er einen Menschen, der bis dahin Tabuisiertes, Unverständliches tat, ernst genommen hat in seinem Leiden und erkannt in seiner Bedeutung, auch wenn er ihm letztlich nicht helfen konnte und in der Oper allenfalls eine Randfigur ist.
Im Hintergrund als Spot Szenen seiner Biografie, die ihm mit 31 Jahren die Diagnose Schizophrenie und die Einweisung in die psychiatrische Anstalt Waldau bei Bern einbrachten: Wie er unter die Bettdecke eines Kinderwagens greift und das an dem Baby-Körper Ertastete an den Fingern riecht und schmeckt; wie die Mutter ihn früh verlässt; wie sich gleichsam sein eigenes Ich in viele Adolfs spaltet.
Spaltung ist auch das szenische Prinzip der Inszenierung dieser Wölfli-Oper "Der göttliche Tivoli" am Theater Lübeck. Sandra Leupold, die diese Deutsche Erstaufführung der schon 1983 in Århus uraufgeführten Oper besorgte, arbeitet mit viel körperlichen, auch pantomimischen Aktionen: Klettern, Springen, Stürzen, in den Boden versinken, am Seil herab oder hinauf schweben und gleichsam wieder auferstehen.
Im ersten Akt blickt Adolf gleichsam innerlich zurück auf sein Leben. Die (Papier-)Wände seiner häuslichen Welt werden rissig, löchrig. Fantasie-Gestalten tauchen auf: Heilige, Huren. Während die Familie festlich speist, veranstaltet er unter dem Tisch mit seiner kleinen Freundin Doktorspiele, "verspeist", vergewaltigt sie. Und auch bei der Dienerschaft geht's dann plötzlich sehr heftig zur Sache.
Die Wandlungen der Mädchen- und Frauenfiguren, die seine Sinne reizen, wird sehr deutlich ausgespielt. Der zweite Teil zeigt Wölfli dann gleichsam eingelocht in seinem engen Verlies in der Psychiatrie, und die Figuren seiner Vergangenheit suchen ihn dort wieder heim, necken ihn, äffen ihn. Dabei will er nur einfach endlich zur Ruhe kommen. Er klettert heraus aus dem Käfig; und die Figuren klettern mit.
Am Ende entschwebt er gleichsam als Heiliger in den Bühnenhimmel. Und es sind ja viele Maler der Moderne, von Jean Dubuffet bis Max Ernst, die sich auf Wölflis akribische, unendlich viele Zeichnungen, Texte, Collagen in ihrer Kunst als wegweisend bezogen.
Die Oper Per Nørgårds reizt, einmal wieder mit der Kunst und der Biografie dieses Schweizer Malers, Zeichners und Sprachkünstlers Adolf Wölfli sich zu beschäftigen. In der Übertitelung der Dialoge hat man auch die sehr eigenwillige Orthografie Wölflis nachzuempfinden versucht, was allerdings das Mitverfolgen der Texte auch nicht ganz einfach macht.
Ein junges, spielfreudiges Ensemble mit achtfachem Wölfli und der Freundin in vielerlei Gestalt, der jungen Sängerin Andrea Stadel, die sich in ihren stimmlichen und darstellerischen Möglichkeiten sehr entwickelt hat, wird aufgeboten. Dorian Keilhack leitet das kleine Ensemble von sechs Schlagzeugern, Violoncello und Synthesizer, das gleichsam die dramaturgischen Akzente setzt.
Am Ende gab es viel Beifall im Lübecker Theater, das mit Aufführungen von Werken aus dem umgebenden Ostseeraum schon eine gewisse Tradition entwickelt hat. Die Inszenierung Sandra Leupolds in der Ausstattung von Barbara Rückert ist gut kalkuliert, berühren kann sie freilich nur sehr partiell. Eher wirkt sie wie ein klinischer Bericht.
Der aber zeigt doch auch das Wegweisende des Wölfli in der Klinik begleitenden Arztes Walter Morgenthaler: dass er einen Menschen, der bis dahin Tabuisiertes, Unverständliches tat, ernst genommen hat in seinem Leiden und erkannt in seiner Bedeutung, auch wenn er ihm letztlich nicht helfen konnte und in der Oper allenfalls eine Randfigur ist.